Der Trauerschnäpper ist, zumindest im Havelland, kein allgegenwärtiger Vogel, sondern fast schon eine Rarität. Der Bestand der schwarz-weiß gemusterten Vogelart geht in Deutschland seit Jahrzehnten zurück, weil diese munteren Laub- und Mischwaldbewohner bei uns immer weniger Nahrung und Nistmöglichkeiten finden.¹
Wenn im Frühjahr die kleinen Singvögel aus dem westafrikanischen Winterquartier jenseits der Sahara zurückkehren, brauchen sie Baumhöhlen für die Brut – also Altholz mit Hohlräumen, die oft von Buntspecht & Co. bereits angelegt sind. Allerdings nehmen Trauerschnäpper auch Nistkästen als Ersatz an.
Nicht nur diese Information entnehme ich dem so wertvollen Atlas Deutscher Brutvogelarten, sondern ich lese dort auch, dass Trauerschnäpper sich durchaus in Obstbaugebieten, in Parkanlagen und auf Friedhöfen ansiedeln.
Und schließlich brüten sie traditionell gerne in Hartholzauen und feuchten Bruchwäldern.
Jedenfalls war ich glücklich, einen Trauerschnäpper bei Linum im Havelland zu entdecken, wo er – geradezu malerisch – in einem Roten Hartriegel saß. Manchmal verschwand der kleine Vogel, dessen Größe zwischen Blau- und Kohlmeise liegt, im Gebüsch, hin und wieder hörte ich dann seinen Gesang. Doch schon bald kam er wieder zum Vorschein und platzierte sich auf seinem Ansitz, um von dort aus Insekten zu erjagen.
Wie die nähere Verwandtschaft, also die Gruppe der Schnäpper beziehungsweise Fliegenschnäpper, ernähren sich Trauerschnäpper ganz überwiegend von Insekten. Was übrigens einer der Gründe dafür ist, dass sie wie etwa Blaukehlchen und Nachtigall – dem nordeuropäischen Winter entfliehen und nach Süden ziehen. In der Regel kehren sie zwischen Ende April und Anfang Mai zu uns zurück.
Der folgende Videoausschnitt zeigt das Männchen, das in Warteposition auf Insektenfang aus ist, und zugleich das blasser gefärbte Weibchen, das sich von ganz links – kaum sichtbar – annähert, bevor dann das Männchen abfliegt. Die Trauerschnäpperin blieb während meiner Beobachtung immer in dem dichten Hartriegel verborgen.
Der schnarrende Gesang geht auf das Konto des Drosselrohrsängers im Schilf, das Rauschen ist dem starken Wind geschuldet.
Wie gejagt wird
Geradezu ein Markenzeichen der Trauerschnäpper – und typisch auch für andere Fliegenschnäpperarten – ist die Art zu jagen: Sie warten oder sitzen auf einem Zweig und kontrollieren permanent das Umfeld, d.h. sowohl den Luftraum als auch den Boden. Als Wartejäger oder Ansitzjäger werden sie daher auch bezeichnet.
Aus menschlicher Perspektive fliegt der jagende Vogel ganz plötzlich und unvermittelt los: Er wirbelt förmlich durch die Luft, ist mit der Kamera kaum einzufangen und landet dann wieder auf einem Zweig.
Sicher hatte dieses Männchen ein Fluginsekt erwischt, genauso wie die Mehlschwalben die zeitgleich über und neben mir Insekten fingen. Doch weder die jagenden Schwalben, noch die lauten Drosselrohrsänger im Schilf irritierten den eifrigen Vogel dabei. Kamen allerdings Passanten zu nah, verzog er sich rasch ins Gebüsch.
Trauerschnäpper jagen nicht nur in der Luft, sondern fliegen auch auf den Boden, um dort Nahrung zu erhaschen. Denn außer Fluginsekten verspeisen sie Käfer und Grashüpfer, Raupen und Spinnen, Asseln, Tausendfüßler und vieles mehr.
Um die Fangtechniken der Trauerschnäpper etwas zu illustrieren, habe ich noch diesen Videoausschnitt samt Windgeräuschen und schnarrendem Drosselrohrsänger von dem beobachteten Männchen eingestellt:
Das Federkleid
Das schwarz-weiße Federkleid männlicher Trauerschnäpper wirkt auf den ersten Blick vielleicht etwas eintönig. Aber schon beim zweiten Blick fallen die feine Musterung und das Changieren zwischen grauen und schwarzen Tönen auf. Die kleinen weißen Flecken über dem Schnabelansatz sind faszinierend, und die Augen, die im schwarzen Kopfgefieder praktisch untergehen, geben dem Vogel etwas Geheimnisvolles. – Wohin er gerade blickt, das erkennen wir nicht.
Die Unterseite des Vogels ist schlicht weiß, der Rücken wie der Oberkopf schwärzlich-grau. Aber auf den Schwingen leuchten jeweils weiße Federchen und bilden ein schön kontrastierendes Feld.
Viel unauffälliger gefärbt als die Herren sind die Jungvögel und die Damen: vorwiegend matt grau-braun. Jedoch sind auch bei ihnen Hals, Brust und Bauch schlicht weiß. (Das illustriert die Grafik am Ende des Blogposts.)
Ein ausgeprägter Geschlechtsdimorphismus besteht auch bei anderen Fliegenschnäppern, etwa dem Halsbandschnäpper mit seinem weißen Halsring (unten auf der Grafik) oder dem nordafrikanischen Atlasschnäpper, der einen sehr großen weißen Fleck über dem Schnabel hat. Aber wie gesagt, nur die Herren sind so geschmückt und damit auffällig.
Höhlenbrüter und Feigengourmet
Atlas- und Halsbandschnäpper zählen wie der Trauerschnäpper zu den Höhlenschnäppern, die den wissenschaftlichen Namen Ficedula tragen. Dieser hat allerdings gar nichts mit dem Brüten in Baumhöhlen zu tun, sondern ist von dem lateinischen Wort ficus abgeleitet, also der Feige oder dem Feigenbaum.
Bei Viktor Weber lese ich in seinem Buch Die Namen der Vögel Europas, dass der Gattungsname Ficedula wahrscheinlich auf den Römer Plinius zurückgeht, der bereits im 1. Jh. nach Christus eine Enzyklopädie der Naturwissenschaften verfasst hat.
Und das ist meine Vermutung: Die Römer beobachteten diese Vogelart oft in Feigenbäumen, denn diese Insektenfresser² mögen auch Früchte: Feigen zum Beispiel!
Der vollständige wissenschaftliche Artname des Trauerschnäppers Ficedula hypoleuca hat einen sehr schlichten Grund: Die Unterseite ist bei Männchen wie Weibchen weiß, und aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt heißt hypoleuca „unten weiß“.³
¹ Der NABU erwähnt, dass außer der üblichen Waldwirtschaft auch der Pestizideinsatz für den Trauerschnäpper ein Problem ist; denn wo Insekten vernichtet werden, fehlt ihm die Nahrungsgrundlage.
² Viele Vogelarten sind während der Brutzeit vornehmlich Insektenfresser, füttern mit Insekten zunächst auch die Jungen. Aber im Sommer und Herbst verspeisen sie häufig auch reife Früchte.
³ Per Klick oder Wischen lassen sich wieder alle Abbildungen vergrößern.
Trauerschnäpper | Gobemouche noir | Pied Flycather | Ficedula hypoleuca
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