Sommergast im Schilf

Singender Drosselrohsänger mitweit geöffnetem Schnabel sitzt am Schilfhalm umgben von gold-gelbem Schilf

Im Mai und bis in den Juli hinein können wir an einem Schilfgürtel mit dem lauten Gesang – oft klingt er wie ein raues „Schnarren“ – dieses eher unauffälligen Vogels rechnen. Die Kunst ist allerdings, den braunen Sänger zwischen den Schilfhalmen zu entdecken.

Ich meine den Drosselrohrsänger, der definitiv keine Drossel ist – was man früher allerdings durchaus annahm. Und so hört es sich an, wenn er unsichtbar, aber gut hörbar loslegt:

 

Drosselrohrsänger im Schilf entdecken

Der Drosselrohrsänger singt gerne oben an einem Schilfhalm sitzend. Hat er jedoch einen Beobachter oder eine Vogelbegeisterte in geringer Entfernung entdeckt, saust er sofort eine Etage tiefer. Und ist unsichtbar.

Was also tun, wenn er sich nicht zeigt?

Zunächst: stehen bleiben, sich möglichst hinhocken und abwarten. In der Regel kehrt der Sänger in die höhere Etage des Schilfs zurück; zu seiner bevorzugten Singwarte. Dort ist er im Prinzip gut zu sehen, denn unter den fünf heimischen Rohrsängerarten ist er kräftigste Vertreter. Der Drosselrohrsänger hat fast die Größe einer Rotdrossel und wiegt stattliche 32 Gramm. Zum Vergleich: Der verwandte Teichrohrsänger bringt es nur auf 11 Gramm.

Oft reicht ruhiges Abwarten allein jedoch nicht. Der braune Vogel bleibt weitgehend verborgen oder zeigt uns vielleicht nur seinen Rücken.

Der braune Rücken des Drosselrohrsängers zwischen Halmen.

Ein Detail des Vogels zu sehen, ist allerdings ein guter Ausgangspunkt für die weitere Beobachtung, bei der es oft hilft, leicht die Position oder Blickrichtung zu wechseln: ein paar Zentimeter nach links oder nach rechts. Größere Aktionen können den Vogel indes stören, so dass er wieder tief im Schilf verschwindet.

Drosselrohrsänger hinter den Schilfhalmen, sichtbar ist der Schwanz.
Leider kopflos.
Drosselrohrsänger sitzt zwischen Schildhalmen und von Kopf bis Schwanz gut sichtbar.
Schon besser.

Mit ein wenig Ausdauer und Glück sehen und hören wir ihn vielleicht sogar wie im folgenden Videoausschnitt und lassen uns vom rufenden Kuckuck begeistern, den man am besten per Kopfhörer hört. Doch was des einen Freud ist, ist hier in der Tat des anderen Leid: Als Brutparasit ist der Kuckuck den Drosselrohrsängern gar nicht willkommen.

Manchmal ist der Schnabel eines Drosselrohrsängers tatsächlich mal geschlossen. Aber wenn der Sommergast Ende April oder Anfang Mai aus seinem afrikanischen Winterquartier zu uns zurückgekehrt ist, kommt das eher selten vor. Angeklammert an einen Halm singt er unablässig, um Weibchen für sich zu interessieren und um sein Revier zu markieren.

In dem von mir so geschätzten Klassiker Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas von Johann Friedrich Naumann aus Köthen (1887-1905, 3. Aufl., Bd. II, S. 51) steht dazu

Das Männchen lässt seinen lauten und nicht unangenehmen Gesang hören, sobald es im Frühjahr bei uns ankommt …

Es singt

… vom Anfang des Mai bis zur Mitte des Juli, und zwar vom Morgen bis zum Abend, am meisten jedoch früh, wenn kaum ein schwacher Schimmer der Morgendämmerung am fernen Horizonte sich zeigt, zuweilen auch noch früher, bis zum Aufgang der Sonne.

Ich kann versichern, dass der Drosselrohrsänger tagsüber viel singt. An den Fischteichen von Linum, wo nördlich von Berlin diese Aufnahmen entstanden sind, hörte ich ihn am Vormittag und auch in der Mittagszeit ständig. Und an den schilfbestandenen Seen in Berlin singt er ebenfalls zu jeder Tageszeit.

Das feuchte Habitat

Der Lebensraum des Drosselrohrsängers sind Seen mit größeren Schilfrohrbeständen. Ausführlicher und mit den Worten von Johann F. Naumann (a.a.O. S. 51):

Ihren Aufenthalt suchen sie stets am Wasser… Ihre eigentliche Wohnung schlagen sie jederzeit auf Teichen, Landseen, grossen tiefen Wassergräben und an solchen Gewässern auf, in welchen das gemeine Rohr (Phragmitis communis) recht hoch und üppig wächst, am liebsten, wo dies recht grosse Strecken überzieht und einen dichten Wald bildet.

Grün bewachsener Weg, Links und rechts das gold-gelbe Schilf.
In der Teichlandschaft von Linum

Links und rechts von diesem Weg am Rand des Örtchens Linum befinden sich alte Fischteiche, wo sich immer verschiedene Enten- und Gänsearten aufhalten. Lachmöwen und Flussseeschwalben brüten hier. Die geräumigen Beobachtungshütten sind das ganze Jahr über empfehlenswert, zumal im Herbst, wenn viele Tausend Kraniche auf dem Weg nach Süden bei Linum – im Rhinluch – rasten.

Blaue Wasserfläche der Fischteiche und viel Schilf.
Fischteiche mit verborgener Beobachtungshütte im Hintergrund

Wenn wir Anfang Mai von einem der erhöhten Beobachtungsstände mit gutem Fernglas auf die noch trockene, gelbliche Schilffläche blicken, präsentiert sich der lautstarke Drosselrohrsänger so:

Mit weitgeöffnetem Schnabel singender Drosselrohrsänger

Verräterisch: Der schnarrende Gesang

Der Ton in diesem Gesang ist voll und stark, die Strophen mannigfaltig abwechselnd, und das ganze Lied hat so viel Eigentümliches, dass es eigentlich mit keinem anderen verwechselt werden kann,

schrieb der Köthener Ornithologe Naumann (a.a.O. S. 52) und hat mit dem „Eigentümlichen” völlig recht.

Das heißt aber auch: Diese Vogelart an ihrem Gesang zu identifizieren, ist kein Kunststück. Beim zarten Teichrohrsänger – mit dem man ihn äußerlich wegen des ähnlichen Federkleids verwechseln könnte – fehlen insbesondere die herben, schnarrenden Töne.

Vogel im trockenen Schilf an einem Halm festgeklammert sitzend

Manchmal lässt sich auch das Weibchen des Drosselrohrsängers im Schilf hören, aber insgesamt singt es eher selten.

Sein Gesang ist leiser und piepsender, manchmal ist er von einem krächzenden „Gagaga“ durchsetzt, wie wir es von Elstern kennen.¹

Kaum zu unterscheiden sind übrigens die beiden Geschlechter in der Körpergröße und in ihrem Federkleid.

Zurück zu den schnarrenden Männchen, über deren Gesang sehr treffend und durchaus amüsant im „Naumann“ steht:

… es giebt auch viele Menschen, welche ihn schlecht finden und die Töne mit dem Quaken der Laubfrösche vergleichen. Ganz unrecht haben denn nun diese auch nicht, den das „Kärr kärr kärr – Dore dore dore – Karre karre karre,– Kai kei kei ki, – Karre karrekied“, und andere ähnliche Strophen haben wirklich viel Ähnlichkeit mit Froschmusik.

Abschließend habe ich einen Videoauschnitt in Zeitlupe eingestellt. Da wird sichtbar, mit wieviel Kraftaufwand der Vogel singt. (Da der Ton durch die halbe Geschwindigkeit unangenehm verzerrt wäre, habe ich ihn unterdrückt.)

 

¹ Wer sich für die Gesänge und Rufe der Vögel besonders interessiert, dem empfehle ich Die Stimmen der Vögel Europas von Hans-Heiner Bergmann, Hans-Wolfgang Helb, Sabine Baumann und Wiltraud Engländer, die es z.B. als DVD gibt oder als App. Das Material enthält viele gute Informationen, ermöglicht es allerdings nicht, Vogelstimmen aufzunehmen und anschließend zu identifizieren.

Drosselrohrsänger | Rousserolle turdoïde | Great Reed Warbler | Acrocephalus arundinaceus



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