Es ist nur 20 Jahre her, da war die Feldlerche schon einmal Jahresvogel. Dass sie nach 1998 nun als „Vogel des Jahres“ von 2019 erneut viel Aufmerksamkeit bekommt, verdankt sie nicht ihrem jubilierenden Gesang hoch oben am Himmel, sondern einer traurigen Tatsache: Ihr Bestand ist extrem gefährdet.
Und das liegt keinesfalls daran, dass die Feldlerche sich da oben verträllert und Beute von Greifvögeln wird oder dass sie unaufmerksam ist, wenn sie am Boden nach Nahrung sucht und dort brütet. Nein, der starke Bestandsrückgang ist menschengemacht.
Begehrte Speise
Prädatoren aus der Luft – wie die Baumfalken – und am Boden – wie Fuchs und Marder – hat es immer gegeben. Die Antwort des kleinen Singvogels: zwei oder sogar drei Bruten pro Jahr und drei bis fünf Eier je Gelege. Zudem: Früher wurden bei uns einige Millionen (!) Feldlerchen auf dem Herbstzug Richtung Süden gefangen, auf Märkten verkauft und gerade auch in städtischen Restaurants verspeist. Die „Leipziger Lerchen“ galten als Delikatesse – nicht nur in Berlin, bis nach Paris wurden sie gehandelt.
Davon berichtet der große Ornithologe Johann F. Naumann ausführlich und schreibt in diesem Zusammenhang (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. III, S. 29):
Das Fleisch der Feldlerche ist ausserordentlich wohlschmeckend, zumal im Herbst, wo sie oft so fett sind, dass sie manchem künstlich gemästeten Vogel nichts nachgeben.
Feldlerchen kommen in Deutschland nicht mehr auf den Teller. Allerdings werden sie in sechs EU-Ländern noch immer verfolgt, erinnert Carl-Albrecht von Treuenfels: in Frankreich, Griechenland, Italien, Malta, Rumänien und Zypern .
Doch weder die Landbevölkerung noch die städtischen Gourmets haben die Feldlerche, die bis heute meist mit Netzen gefangen wird, bedrohlich dezimiert, sondern der extreme Bestandsrückgang geht vor allem auf das Konto der modernen Agrarwirtschaft. Sie zerstört den Lebensraum des unauffälligen Bodenbrüters – und damit seine Möglichkeit satt zu werden und sich fortzupflanzen.
Die hiesige Population ist seit 1990 um rund 35 Prozent zurückgegangen. Bezogen auf das Jahr 1960 sind es heute sogar 90 Prozent weniger Brutpaare als damals.
Zum Heulen
Bevor ich mehr von den Besonderheiten der Feldlerche erzähle, möchte ich kurz ansprechen, was Wiesenvögel wie Feldlerche, Braunkehlchen und Kiebitz so bedroht.
Und ich muss Johanna Rombach, aus deren Buch Federnlesen ich hier zitiere, zustimmen: Es ist zum Heulen.
Die langjährige Vogelguckerin hat durchaus Verständnis für Landwirte, die damit klar kommen müssen, dass ein Liter Kuhmilch im Laden nur noch ein Sechstel dessen kostet, was 1950 üblich war – gemessen an der Kaufkraft. Um profitabel zu wirtschaften, halten viele Milchbauern mehr Kühe, jede einzelne Kuh muss mit riesigem Euter mehr Milch liefern und bekommt darum Hochleistungsfutter. Das aber stammt meist von intensiv gedüngten Wiesen mit Grassorten, die stark wachsen. Und da liegt eines der Probleme für die bodenbrütenden Wiesenvögel (Federnlesen, 2018, S. 137). Denn geschnitten wird das Gras heute mehrfach im Jahr und das erste Mal
… meist schon Anfang Mai, wenn gerade viele frisch geschlüpfte Junge unterwegs sind, aber auch Altvögel auf ihren Eiern sitzen. Wenn denn zu dieser Zeit überhaupt noch Eier und Vögel übrig sind. Denn ab Mitte März bis Mitte April werden die Wiesen mit Gülle gedüngt und „geschleppt“, also mit einer Egge befahren, die den Boden belüftet, Unkrautfilz entfernt und Maulwurfshügel eingebnet. Dabei kommen natürlich auch sämtlich Gelege unter die Räder. Moderne Weidewirtschaft, man kann es nicht anders sagen, ist eine effektive Wiesenvogel-Vernichtungsmaßnahme.
Zum Glück gibt es Landwirte, die andere Wege gehen und in Naturschutzprojekte eingebunden sind. Auch davon berichtet die Autorin Johanna Rombach. Ein Hoffnungsschimmer sind sogenannte Vogelinseln oder Lerchenfenster, wo Drillmaschinen für einige Meter aussetzen, und der Landwirt das Feld dem Wildwuchs – und also den Bodenbrütern – überlässt.
Geschützt in der Hauptstadt
Wer – wie ich – in Berlin wohnt und Feldlerchen erleben möchte, findet sie in der Hauptstadt zuverlässiger als in Brandenburg. Denn die Vögel leben und brüten auf dem ehemaligen Flugplatz Berlin-Tempelhof und haben dort eigene Schutzzonen.
Im Gras der geschützten Bereiche des Trockenrasens sind sie allerdings kaum zu entdecken, zumal man sie leicht mit einem Sperling verwechseln kann. Allerdings sind Feldlerchen etwas größer und schlanker. Mit ihrem gemusterten Gefieder sind Lerchen wunderbar getarnt, wenn sie zwischen grün-braunen Grashalmen oder auf der Erde hocken und mit eiligen Schritten herumflitzen. Sehr passend beschrieben hat sie natürlich der gute Beobachter Johann F. Naumann (a.a.O. S. 18)
In den Farben des Gefieders liegt bei den verschiedenen Arten etwas, was sie untereinander sehr ähnlich macht, daher der Ausdruck lerchenfarbig oder lerchengrau; dies bezieht sich hauptsächlich auf die Zeichnung der oberen Teile, wo die düster graubraunen oder dunkelbraunen Federn lichtere und breiter, hellbraune, lehm- und staubfarbige Kanten haben, wodurch zwar ein geflecktes aber mehr erdfarbiges Gemisch entsteht, sodass diese Vögel, wenn sie sich auf die Erde niederdrücken, sich schwer vom Erdboden unterscheiden lassen und dadurch vor ihren meisten Feinden geschützt werden.
Die Holle
Wer mit einem Fernglas genau hinschaut kann erkennen, dass Feldlerchen ihre Federn auf dem Kopf manchmal aufstellen, Ornithologen sprechen da von einer Holle. Die ist übrigens bei der Haubenlerche viel ausgeprägter.
Meistens werden wir erst dann auf eine Lerche aufmerksam, wenn sie am Himmel aufsteigt und hoch über uns jubiliert. Feldlerchen sind darin unschlagbar. Kein Wunder, dass sie auch als Luft- oder Himmelslerchen bezeichnet werden.
Gesang über Wiesen
Es ist natürlich ein ganz spezielles Großstadtvergnügen, wenn an einem lauen Sommerabend links und rechts der alten Landebahnen des Flughafens Tempelhof ein paar Lerchen jubilierend aufsteigen. Gut, dass ihr Habitat dort geschützt ist.
Sehr entspannt beobachten konnte ich Feldlerchen zuletzt auf der Hallig Hooge und an der Wesermündung zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Auch dort profitieren sie von Schutzzonen.
Vom Deichvorland und den Wiesen an der Nordseeküste kenne ich die Lerchen seit meiner Kindheit. Dort legten sie früher in den Sommermonaten ein großartiges Konzert hin, wenn sich gleich mehrere in die Lüfte erhoben. Und das Lied von Paul Gerhardt Geh aus mein Herz und suche Freud (Melodie: August Harder) habe ich schon wegen dieser Strophe immer gerne gesungen:
Die Lerche schwingt sich
in die Luft,
das Täublein fliegt
aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder …
Der Lerchengesang hat viele Dichter und Komponisten inspiriert. Das wundert nicht. Eine für meine Ohren geniale Komposition ist die rhapsodische Romanze für Violine und Orchester von Vaughan Williams. In The lark ascending übersetzt er in Töne, wie die singende Lerche höher und höher steigt. Von der Einspielung mit der Violonistin Janine Jansen (DECCA 2013) bin ich wirklich begeistert.
Wer die Feldlerche also nicht hört oder sieht, weil sie so selten geworden ist oder weil sie die Wintermonate im Süden verbringt, der kann sich immerhin von ihrem Gesang in einem realen oder virtuellen Konzertsaal verzaubern lassen.
Feldlerche | Alouette des champs | Skylark | Alauda arvensis
Vielen Dank für den wunderbaren Artikel! Jubilierender Lerchengesang im Frühjahr lässt auch mich (innerlich) jubeln. Ich wohne in Bremerhaven und Steglitz – wenn ich an der Küste bin, freue ich mich jedes Mal über die Lerchen in den Salzwiesen bei Wremen. Den Lerchen dann auch auf dem Tempelhofer Feld zu begegnen, war eine große und sehr schöne Überraschung. Danke auch für den Hinweis auf Vaughan Williams. Das Stück ist gänsehautverursachend schön.
Herzliche Grüße,
Elke Berthin
Da sage ich einfach nur MERCI, liebe Elke Berthin. Und vielleicht noch das: Ich freue mich immer über Kommentare und baue Ergänzungen und Korrekturen gerne in meine Blogposts ein. Kürzlich geschehen bei der Kappenammer, die mittlerweile sogar in Deutschland auftaucht. Und in welcher Pflanze sie saß, das wurde mir jetzt über einen heißen Draht via Lüneburger Heide aus Armenien zugeflüstert: Spiraea crenata (Kerb-Spierstrauch).