Natürlich geht es hier nicht um Nonnen, sondern um die Nonnengänse, die man heute meist als Weißwangengänse bezeichnet. Allerdings: Das Gesicht dieser Gans erinnert sehr an eine Nonne mit ihrer schwarz-weißen Haube. Darum passt die Bezeichnung, sie hat vor allem etwas Amüsantes. Aber ich beuge mich dem Trend und schreibe meist „Weißwangengans”. Wie und warum diese sogenannten Meeresgänse zu uns kommen, das will ich auch gerne erklären.
Wintergäste: nicht allen willkommen
Das Sommerhalbjahr verbringen die Nonnen- oder Weißwangengänse im hohen Norden, vornehmlich an Meeresküsten der Arktis.
Traditionell liegen ihre Brutgebiete an der Nordostküste Grönlands, auf Spitzbergen und an der russischen Eismeerküste.
Dort legen sie auf Felsterrassen von Klippen, auf Inseln oder am Boden der Tundra ihre Nester an und ziehen die Jungen groß. Nach der Mauser und gut genährt, machen sie sich alljährlich auf den Weg nach Süden.
Ich finde, wir müssen das im Kopf haben, wenn uns im Herbst die Weißwangengänse an der norddeutschen Wattenmeerküste in großen Scharen besuchen. Es ist das Winterquartier der russischen Population – seit Jahrhunderten.
Während die „Nonnen” im Wattenmeerbereich von Norddeutschland und den Niederlanden bleiben, ziehen andere Zugvögel, die an das Meer gebunden sind, längs der Atlantikküsten nach Afrika.
In dem Flyer „Luneplate. Schutzgebiete im Land Bremen” sind die üblichen Zugrouten abgebildet.
Da ich meiner alten Heimatstadt Bremerhaven nach wie vor verbunden bin, habe ich die schwarz-weißen Weißwangengänse schon oft gesehen; zum Beispiel bei trübem Novemberwetter, wenn sie im Deichvorland an der Wesermündung auf Nahrungssuche sind. Wobei einige immer wachsam den Hals recken.
Die feuchte Kälte, die an der Nordseeküste aber selten zu Minusgraden übergeht, stört sie gar nicht. Auf den Wiesen der Wesermarsch finden sie eigentlich alles, was sie brauchen. Doch dieser Lebensraum der Gänse ist in den letzten Jahrzehnten erheblich beschnitten worden. Ohne Ärger kommen sie darum meist nur im Deichvorland – also zwischen Deich und Meer – auf ihre Kosten.
„Hinterm Deich” – wie die Norddeutschen sagen – gibt es heute statt Wiesen und Weideland vor allem abgeerntete Maisfelder und viel Wintersaat. Wenn die Wintergäste in diese einfliegen, schafft das Konflikte mit den Landwirten. Und schnell wird gefordert, die Vögel zum Abschuss freizugeben. Das ist unter bestimmten Bedingungen leider möglich und hebelt aus, was das EU-Naturschutzgesetz generell festlegt: Weißwangengänse sind eine geschützte Tierart.
Refugium Luneplate
Es ist ein großes Glück, dass am Rand von Bremerhaven – als Ausgleichsmaßnahme für neue Hafenanlagen – ein Biotop geschaffen wurde, das nicht nur Säbelschnäbler und andere Watvögel anzieht, die bei uns überwintern oder sich für den Weiterflug Richtung Afrika sattfressen müssen, sondern auch vielerlei Gänse. Sie ruhen sich dort nach ihrer weiten Reise aus und können von dem neuen Beobachtungsturm aus gut beobachtet werden.
Ende Oktober waren an der Lune – übrigens ein Nebenfluss der Weser – einige Tausend Weißwangengänse gelandet und ruhten tagsüber ungestört auf den Wiesen des Schutzgebiets. Über mich hinweg kamen immer neue Gruppen angeflogen, darunter auch Bläss- und Saatgänse.
Die aus der Entfernung eher grau getönten Weißwangengänse sind wegen ihrer hellen Unterseite und der markanten Schwarz-Weiß-Zeichnung am Kopf leicht zu erkennen. Bläss- und Saatgänse haben ein bräunlicheres Gefieder. Sie gehören zur Gruppe der Feldgänse (Anser), was sich in ihrem wissenschaftlichen Namen widerspiegelt: Anser albifrons ist die Blässgans, Anser fabalis die Saatgans. Hingegen sind Meeresgänse als „Branta” klassifiziert. Die „Nonnen” heißen daher Branta leucopsis, die Kanadagänse Branta canadensis und die Ringelgänse Branta bernicla.
Manche bleiben
Ich komme noch mal auf die Brutgebiete der „Nonnen” zurück: Zählungen belegen, dass immer mehr Weißwangengänse außerhalb der Arktis brüten – etwa im Bereich der skandinavischen Ostsee, an der Nordseeküste und sogar im hiesigen Binnenland. 2010 gab es laut ADEBAR in Deutschland rund 160 Brutpaare. Erklärungen für diese Ausbreitung des Brutgebietes habe ich bisher nicht gefunden.
In Schweden hatte ich diesen Sommer das Glück, eine Schar Weißwangengänse bei der Futtersuche zu sehen. Sicher hatten sie auf den felsigen Schären gebrütet und waren nun mit ihren Jungen unterwegs. Gut erkennbar ist das hellere Gefieder der Jungtiere.
Außer der Kopfzeichnung sind die weiße Unterseite und die tiefschwarzen Beine ein Markenzeichen dieser Gänseart.
Und zum Schluss eine rhetorische Frage: Sind die „Nonnen” nicht schön? Und ein Gewinn?
Also unbedingt leben lassen und mehr Lebensraum ermöglichen.
Nachtrag Jan. 2021: Großartig! Die Weißwangengans wurde zum Seevogel des Jahres 2021 dekürt.
Weißwangengans = Nonnengans | Bernache nonnette | Barnacle Goose | Branta leucopsis
Wir haben heute auf Wangerooge ein geschwächtes Exemplar beobachten und fotografieren können. Als „Binnenländer“ habe ich einen Moment gebraucht, sie zu bestimmen und bin dabei auf deine Seite gekommen. Vielen Dank für diese interessante Seite. Weiter so.
Beim heutigen Spaziergang in den Morgenstunden fielen uns die „merkwürdig“ gefärbten Gänse auf dem Feld auf, anscheinend ein Pärchen. Nun bei der Recherche bin ich auf ihre Erklärung gestoßen. Es sind sehr schöne Tiere, die hier in der Leipziger Tieflandsbucht, in Nordsachsen sicher nur eine Pause gemacht haben.
@ Angela: Das ist schwer einzuschätzen. Denn die Nonnen- beziehungsweise Weißwangengänse besiedeln bei uns auch neue Gebiete. Dabei handelt es sich zum Teil um sogenannte Gefangenschaftsflüchtlinge, die etwa aus Zoologischen Gärten oder aus privater Hand entwichen sind.
Viele Nonnengänse kommen mit den Blässgänsen an den Niederrhein zum Überwintern. Dort beobachte ich sie sehr gerne im Bereich der Bislicher Insel, habe schon an Bustouren und Exkursionen teilgenommen, die sehr beliebt sind.
Umso trauriger, wenn nicht wütender, macht es mich, dass Menschen ihnen nach dem Leben trachten.
Hallo, danke für die Infos
Ich habe diese Gänse jetzt das erste mal auf Hiddensee gesehen und beim Schlaumachen diese Website gefunden. Hier haben sie ein kleines Paradies auf den Wiesen.
Danke für die Rückmeldung. Und auf Hiddensee haben es die Weißwangengänse sicher gut.
Liebe Vogelbegeisterte, ich möchte euch darauf aufmerksam machen, dass die wunderbare Weißwangengans zum Seevogel des Jahres 2021 gekürt wurde. Das macht alljährlich der Verein Jordsand, der sich in der Küstenlandschaft um den Schutz der Vögel kümmert. Weitere Jahresvögel findet ihr in der Seitenleiste meiner Blogbeiträge. Mein Blogpost von vor zwei Jahren ist übrigens sehr aktuell: also, die Nonnen sind angekommen.
Herzlichen Dank für die Infos, Elke. Schön, dass ich Deinen Blog gefunden habe!
Interessant, in Kommentaren zur Nonnengans zu lesen, dass inzwischen wohl einige in Berlin dauerhaft ansässig sind. Hier westlich von Hamburg an der Elbe warten die Schwärme auf ihre Abflugzeit – wie mir scheint, nicht „die 14.000“, die ich in den Vorjahren zählte. Eventuell sind wegen des milden Winters nur die vielleicht 9.000 hier angekommen, die ich ein paarmal überschlagen habe.
Beispiel-Link https://osmerus.wordpress.com/2019/03/07/nonnengaense-wedeler-marsch-maerz-2019/
Aus Wedel grüßt Ludwig
Ich war gerade in Sankt Peter Ording, und auch dort viele, viele Nonnengänse, aber auch Ringelgänse und natürlich Rotschenkel, Kiebitze, Säbelschnäbler, Austernfischer … wunderbares Wetter für einen Ausflug an die Nordsee.
Eine sehr interessante Dokumentation dieser schönen Gänse – viel Wissenswertes wurde hier vermittelt – für mich eine Bereicherung über das Leben der Nonnen. In Spandau habe ich auch im Sommer schon oft etliche Nonnengänse beobachten können – scheinbar ziehen die nicht mehr.
Ja, die Nonnengänse und vor allem die Kanadagänse sieht man auch in Berlin. Danke, Gabriele.