Um die Rauchschwalbe, früher auch „innere Hausschwalbe“ genannt, geht es diesmal vor allem deshalb, weil ein Hamburger Schüler auf einen Beitrag zum Thema Schwalben von mir wartet. Er ist ein Schwalben-Fan. Übrigens völlig zu Recht, denn diese zierlichen Langstreckenflieger, die alljährlich bei uns brüten, sind einfach phantastisch.
Umso schlimmer, dass sie durch die profitorientierten Umwälzungen in der Landwirtschaft ernsthaft bedroht sind und uns hierzulande womöglich langfristig als Brutvögel verloren gehen. Dabei gelten Schwalben als „Vögel des Glücks“. Der große deutsche Ornithologe Johann Friedrich Naumann charakterisierte sie in seiner Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas (1900, 3. Aufl., Bd. IV, S. 195) liebevoll so:
Die Rauchschwalbe ist ein außerordentlich flinker, kühner, munterer, netter Vogel, dessen Gefieder immer knapp anliegt, und der deshalb immer schmuck aussieht, den nur Nahrungsmangel bei schlechtem Wetter missmutig machen und seine fröhliche Stimmung unterbrechen kann …
In der Regel kehren die Rauchschwalben erst im April aus ihren Winterquartieren in Afrika zurück. Sie haben dort in feuchten und insektenreichen Regionen „aufgetankt“ und auch das Federkleid gewechselt. Darum sind die Farben ihres Gefieders nun besonders frisch: Die schwarzen Flügel leuchten intensiv blau-violett – das sieht man weiter unten bei den fütternden Alttieren – und ihr gabelförmiger Schwanz hat langauslaufende Spieße.
Das Markenzeichen und mehr
Die sogenannten Spieße sind das Markenzeichen der Rauchschwalbe, die sich außerdem durch ihre rostbraune Stirn und eine ebensolche Kehle von anderen Schwalben abhebt. Typisch für alle Schwalben ist der sehr kurze Schnabel.
Von der Mehlschwalbe mit durchgehend heller Unterseite unterscheidet sie sich außerdem durch ein dunkles „Halsband“ – woran man sie vor allem im Flug oft erkennnt. Erwachsene Rauchschwalben wiegen gerademal 20 Gramm: Mit den Gabelspießen kommen sie auf eine Köperlänge von 20 cm, ohne diese sind sie aber nur 14 cm lang. Doch die Flügelspannbreite ist enorm: rund 30 cm!
Ich konnte die hübschen Insektenfresser im Mai 2017 auf einer Ornithologenreise nach Weißrussland mehrfach beobachten – auch gleich am ersten Morgen im wunderbaren Turov. Dieses Städtchen, das zum Pripjat Nationalpark gehört, liegt übrigens nahe an der Ukraine und nicht weit entfernt von Tschernobyl.
In Turov blühte bei unserer Ankunft gerade der Flieder, und nicht nur die Rauchschwalben zwitscherten. Viele Zugvögel waren in dieser ländlichen Region am Rande großer Feuchtgebiete längst eingetroffen und nach einem schneereichen Winter auf Fortpflanzung getrimmt.
In der Toreinfahrt
Schon einige Jahre zuvor hatte ich das Glück, Nestlinge und fütternde Schwalbeneltern in einem Gasthof in Beelitz bei Berlin beobachten und fotografieren zu können. Dort brüteten sie in einer Toreinfahrt zum Innenhof, wo sich heutzutage Ausflügler den Beelitzer Spargel auf traditionelle Art schmecken lassen, früher aber Pferdegespanne oder Trecker aus- und einfuhren.
Die Gasthofbesitzer wissen offenbar, dass Schwalben „Vögel des Glücks“ sind, und erleichtern ihnen das Brutgeschäft durch ein Brett, wie es bereits vor Jahrzehnten Carl-Alfred von Treuenfels unter dem Motto „Jeder kann Rauchschwalben helfen“ FAZ-LeserInnen empfohlen hat. Wie schön, dass die www.flugbegleiter.de seine Texte nochmals publizieren!
Warum helfen?
Rauchschwalben mögen es warm und brüten darum gerne im Kuhstall oder anderen Wirtschaftsräumen, also drinnen. Natürlich muss ein Fenster oder eine Tür immer offen stehen. Und wegen dieser Vorliebe für die Innenräume wird die Rauchschwalbe auch „innere Hausschwalbe“ genannt, während die Mehlschwalbe die „äußere Hausschwalbe“ ist. Sie brütet fast immer außen an der Hauswand.
Für die innen brütenden Rauchschwalben mangelt es heutzutage an offenen Ställen und zudem sind die Betonwände moderner Stallungen meist zu glatt, um dort ein Nest anzuheften. Künstliche Nisthilfen oder ein schlichtes Brett unter der Decke sind den Rauchschwalben als Starterset daher willkommen.
Häufig fehlt den Schwalben auch der lehmige Schlamm, den sie früher in unzähligen Pfützen fanden und den sie zu Kügelchen formen. Aus diesen wird das Nest, das nach oben offen ist, nach und nach zusammengekleistert. Bei uns sind selbst auf dem Land die Wirtschaftswege meist betoniert, Zufahrten zum Bauernhof oder zu anderen Wohnhäusern gepflastert und Unebenheiten auf Dorfstraßen werden zugeschüttet.
Rauchschwalben sind allseits beliebt. Und zum Glück glaubt kein Bauer oder Landwirt mehr die Mär, dass sie die Euter von Kühen anstechen und ihnen das Blut aussaugen. Von solchem Irrglauben berichtete allerdings Johann F. Naumann in der Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas (1900, 3. Aufl., Bd. IV, S. 195) und beruhigte sogleich:
Die gesteigerte Bildung unseres Zeitalters hat aber unter anderem auch diesen Aberglauben des gemeinen Volkes grösstenteils verdrängt.
Aufgereihte Mäuler
Rauchschwalben legen 4-6 Eier, die meist vom Weibchen, manchmal von beiden Eltern, bebrütet werden. Sind die Jungen geschlüpft, füttern die Eltern gemeinsam den Nachwuchs und schleppen pro Brut etwa 150.000 Insekten herbei.
Wie in der Literatur beschrieben und wie man es auf einem Foto weiter oben gut erkennt, sitzen die Jungen meist brav aufgereiht am Nestrand, wenn ein Altvogel anfliegt. Ist er gelandet, sperren sie den Schnabel weit auf. Falls ein Vogeljunges einen kleinen Kotballen absetzt, wird dieser von dem Altvogel sogleich entsorgt – weshalb es in der Regel weder im Nest noch darunter schmutzig ist.
Ist das Angebot an Insekten gut, dann sind die Jungen schon nach zwei Wochen flügge. Es kann aber mehr als drei Wochen dauern, bis sie das Nest verlassen. Gleich darauf wird von den Eltern meist ein neues Gelege begonnen, und in besonders insektenreichen Regionen bringen Rauchschwalben es sogar auf drei Gelege.
Und nun bin ich gespannt, was der junge engagierte Schwalben-Fan aus Hamburg korrigert oder ergänzend kommentiert.
Rauchschwalbe | Hirondelle de chimnée oder des granges | Barn Swallow | Hirundo rustica
Mittlerweile habe ich mir übrigens das Buch von Else Thomé „Die Salzberger Schwalbengeschichte“ antiquarisch besorgt. Ich bin wirklich begeistert, wie genau sie die Rauchschwalben, die bei ihr das ganze oberbayerische Haus bevölkern, in ihrem Verhalten beschreibt – vor allem wie die Alten die Jungen aus dem Nest locken, sie bei den ersten Ausflügen begleiten und zum Beispiel bei gefährlichen Wetterumschwüngen an einen sicheren Ort führen. Zwar sieht sie alles durch eine tiermütterliche Brille, dennoch und wohl auch deshalb ist das Büchlein wunderbar unterhaltsam zu lesen.
Letztes Jahr im Sommer im Wandelgang der Friedenskirche in Potsdam ganz oben in der Ecke konnte ich Schwalben beobachten, wie sie ihre Jungen fütterten. In Utterhorst bei Nauen, im Kranichaussichtsturm nisteten sie ebenfalls.
Ich war im Sommer letzten Jahres dort, stieg hinauf und wunderte mich, daß die Schwalben den Turm zwar anflogen aber sofort wieder abschwenkten. Ich war im Begriff wieder abzusteigen, als mich genau über mir vier breite Schwalbenschnäbelchen aus einem Nest anstarrten. Und dann sah ich das Schild: „Schwalbenhotel“ :)) Habe den Turm
schnell verlassen, um die Adulten nicht beim Füttern weiter zu stören. Aber auch, als ich dort auf den Bus wartete, konnte ich auf den Leitungsdrähten Schwalben beim Füttern ihrer Jungen beobachten. Ich müßte jetzt nachschauen,
zu welcher Art sie gehören. Das werde ich gleich mal tun :))
Bin gespannt, ob es die Rauchschwalbe war oder die Mehlschwalbe … also die äußere Hausschwalbe. Du kannst dir ja denken, dass dazu auch noch ein Bericht kommen wird.
„Papa! Schreib mal der Frau, dass wir im Sommer Nistplätze aufhängen wollen. Wenn Mama Urlaub hat. Wie macht man Nistplätze?“
Kolja ist noch ein bisschen verschlafen. Er konnte gestern nicht so gut einschlafen. Da half das Schwalbenthema sehr! Dafür ging es heute morgen gleich weiter mit der Frage nach den Nistplätzen 😉
Wenn Kolja von der Schule kommt, zeige ich ihm den Link „Jeder kann Rauchschwalben helfen“
Danke für diesen tollen Beitrag!
Hallo, hier ist der junge, engagierte Schwalbenfan durch die Feder seines Papas (ich bin erst in der 1. Klasse). Ich würde auch gerne mal so tolle Fotos machen können. Wir haben bei uns im Dorf (wir wohnen etwas außerhalb Hamburgs, Anmerkung des Papas) nämlich auch ganz viele Schwalben (Mauersegler – der Papa wieder) und die fliegen manchmal ganz tief und manchmal ganz hoch. Mein Papa sagt, dass man daran erkennt wie das Wetter wird. Aber die sind so schnell, dass selbst Papa die nicht fotografieren kann.
Und wir haben hier auch ganz viele Fledermäuse. Die kann man im Sommer manchmal abends sehen. Fledermäuse und Schwalben sind die besten Flugkünstler der ganzen Welt. Und vom ganzen Weltall.
Man braucht bestimmt eine sehr wertvolle Kamera, um so tolle Bilder zu machen, oder? Wer kann besser fliegen: Fledermäuse oder Schwalben? Weil Nachtschwalben fliegen ja auch nachts , so wie die Fledermäuse. Und warum heißen Rauchschwalben Rauchschwalben? Und Mehlschwalben?
Danke Kolja, dass du und dein Papa geantwortet haben. So viele Fragen hast du. Ich fange mal mit dem Namen Rauchschwalben an: Angeblich nisteten sie früher manchmal im Schlot – einem Schornstein – und dann sitzen sie ja im Rauch, oder dort, wo der Rauch normalerweise abzieht. Ich vermute, dass sie sich Schornsteine gesucht haben, die im Sommer – wenn sie brüten – nicht gebraucht werden. Bei den Mehlschwalben ist die Unterseite, also Hals und Bauch, ganz weiß, daher haben sie ihren Namen.
Und du hast Recht: Fledermäuse und Mauersegler sind auch ganz tolle Flieger. Aber die einen sind gar keine Vögel, sondern Säugetiere – wie die Mäuse – und die anderen sind zwar Vögel, aber keine nahen Verwandten der Schwalben. Es stimmt jedoch, dass Mauersegler und Schwalben sich sehr ähnlich sehen. Das liegt daran, dass sie ähnlich leben: Sie fliegen sehr viel und haben darum winzige Füße und schmale, lange Flügel. Und weil sie sich nur von Mücken und anderen kleinen Insekten ernähren, muss ihr Schnabel nicht groß sein.
Über die Nachtschwalben weiß ich nur wenig, aber wenn ich mal einen Ziegenmelker gesehen habe, der dazu gehört, dann werde ich das sicher berichten.
Viele Grüße an dich und den Papa!
Übrigens: das schönste Buch über Schwalben, das ich je las, befand sich im Bücherschrank meiner Eltern, und ich habe es als Kind wiederholt „verschlungen“: Die Salzberger Schwalbengeschichte, von Else Thomé.
Und, steht die Salzberger Schwalbengeschichte noch in deinem Regal? Sonst besorge ich sie mir im Antiquariat, denn dort gibt es sie noch!
Vor einigen Jahren gab es tatsächlich noch ein Schwalbenpärchen, das in der Körtestraße in Kreuzberg brütete. Ich sah sie oft, wenn ich morgens mit dem Fahrrad durch diese Straße zur Schule fuhr. Ihr Nest hatten sie über dem Balkon des 2. Stockwerks angebracht, es klebte unter dem Fußbereich des Balkons im 3. Stock an der Hauswand. Leider sind sie, wie auch viele andere Mieter der Straße, im Zuge des Stadtumbaus verschwunden.
Vielleicht bekomme ich ja bei NABU oder der Berliner Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft (https://www.orniberlin.de/) heraus, wie der Schwalbenbestand sich (herunter)entwickelt hat.
Das ist eine interessante Frage, und ich werde mich gerne weitergehend informieren. Ich kann aber eine eigene Beobachtung weitergeben: Früher nisteten in den Umkleideräumen vom Sommerbad am Insulaner (Berlin) Schwalben, und gegen Abend – oder wenn das Bad leer war – jagten sie über der Wasserfläche des Schwimmbeckens Insekten.
Leider wurden die Nester später alljährlich zerstört. Ich vermute, aus angeblich hygienischen Gründen. Doch ich werde der Sache nochmals auf den Grund gehen.
Danke für den Schwalben Post. Gibt es eigentlich auch Schwalben in der Großstadt? Wo würden die nisten?
Nun habe ich in der Roten Liste (2013) nachgeschaut, die die Berliner Ornithologischer Arbeitsgemeinschaft e.V. (BOA) herausgibt und finde: 700-900 Rauchschwalbenpaare brüten in Berlin, und zwar am ländlichen Stadtrand etwa in Pferdeställen. Außerdem gibt es laut Liste noch 3.500-4.500 Mehlschwalbenpaare, die in der Hauptstadt brüten. Allerdings wird davon ausgegangen, dass bei beiden Arten der Bestand abnimmt. Die Zählungen werden alle zehn Jahre durchgeführt.