Vor allem schwarz

17. April 2021 | Große Vögel | 2 Kommentare

Dunkle ringelgans von vorne, die auf einer Salzwiese steht

Vor allem schwarz sind der relativ kleine Kopf, der Schnabel und das Gefieder der Ringelgans.

Namensgebend ist ein auffälliges Detail: der weiße Ring oder Ringel an ihrem Hals. Selbst im Flug ist er oft gut zu sehen.

Bei manchen Rassen dieser Art – heute heißt es Unterart statt Rasse – ist der Ring etwas breiter und vorne am Hals geschlossen. Bei den beiden Unterarten, die in Europa verbreitet sind, ist er offen.

Wer ist wer?

Die meisten Ringelgänse, die alljährlich zu Tausenden an der Nordseeküste rasten und den Winter vor allem an der Küste der Niederlande und Großbritanniens verbringen, haben ihr Brutgebiet in der hochnordischen Tundrazone von Russland. Sie bilden die Unterart der „dunkelbäuchigen Ringelgänse“ und heißen laut der wissenschaftlichen Nomenklatur Branta bernicla bernicla. Weiß ist bei ihnen nur das Gefieder im Steißbereich – in der Biologie sprechen wir von den Unterschwanzdecken.

Zwei ringegänse stehen auf der Salzwiese

Zwei Ringelgänse fressen Gras.

Meistens ist der Kopf gesenkt: Es wird gefressen.

Den Gruppenamen „Branta“ tragen alle Meeresgänse – also auch Arten, die wie die Weißwangengans (Branta leucopsis) und die Kanadagans (Branta canadensis). Sie leben am Meer oder in Flussmündungen.

Info: Feldgänse und Meeresgänse

Feldgänse wie die Blässgans (Anser albifrons) oder die Graugans (Anser anser) führen den Gattungsnamen Anser. Das Wort Anser kommt aus dem Lateinischen und bedeutet einfach „Gans“.
Bei den Meeresgänsen ist das Wort Branta eine sogenannte Latinisierung. Ursprünglich stammt die Bezeichnung aus dem Englischen „Brent goose“ und bedeutet so viel wie „schwarze Gans“. Der Begriff Branta ist eine Ableitung davon, also ein Wort, das sich lateinisch gibt. – Wer sich für Die Namen der Vögel Europas und ihre Herkunft interessiert, dem empfehle ich das Buch von Viktor Wember mit eben diesem Titel.

eine Ringelgans auf der grünen Salzwiese vor blauem HImmel

Branta bernicla bernicla: Klar abgegrenzt ist das fast schwarze Bauchgefieder vom weißen Steißbereich.

Die verschiedenen Unterarten der Ringelgans lassen sich jeweils an ihrem dritten Namensteil erkennen:
Branta bernicla bernicla ist die dunkelbäuchige Ringelgans, die in Russland brütet, bei uns rastet und an den Küsten des Ärmelkanals überwintert. Hell ist nur das Bauchgefieder am Steiß.
Branta bernicla horta ist die hellbäuchige Ringelgans, deren Brutgebiete in Spitzbergen und Grönland liegen. Der helle Bauch ist vom schwarzen Hals deutlich abgesetzt. Sie überwintert vor allem in Dänemark und auf den Britischen Inseln.
Branta bernicla nigricans wird auch als schwarzbäuchige Ringelgans bezeichnet. Ihr weißer Ring ist breiter und teilweise geschlossen. Sie ist ein Brutvogel Ostsibiriens und überwintert an den Küsten von Nord-West-Amerika.

Rastende Zugvögel

Vorne etwa ein Dutzend Ringelgänse, im Hintergrund ein Baunhaus. ehöht gebaut auf eienr Warf. auf einer Warf

Auf der Hallig Hooge mit ihren erhöht und sturmflutsicher gebauten Häusern (Warft) rasten viele Ringelgänse

Ab Mitte März kommen die dunkelbäuchigen Ringelgänse zu uns, um vor allem im Naturschutzgebiet des Wattenmeeres zu rasten, bevor sie sich in ihre fernen Brutgebiete aufmachen. Das wichtigste liegt in Nordsibirien auf der Taimyr-Halbinsel. Bis dorthin sind es etwa 4.000 Kilometer.¹

Mit „rasten“ ist keineswegs ein entspanntes Ausruhen vor der enormen Flugroute gemeint, sondern ein Auftanken. Die Vögel fressen den ganzen Tag über. Das konnte ich schon mehrmals auf der Hallig Hooge beobachten.

Fressende Ringelgänse

Auf den Wiesen fressen sie vor allem das Andelgras.

Auf den Halligen an der Küste von Schleswig-Holstein sind die meisten Ringelgänse im April anzutreffen. Über Nacht sind Anfang Mai die großen Ansammlungen plötzlich verschwunden, die einige Wochen die Salzwiesen, Viehweiden und das Watt förmlich besetzt hatten. Ich kam auf die Hallig, als der Abzug gen Norden schon begonnen hatte. Die letzten Gänse fliegen Mitte Mai ab.

Die beeindruckende Invasion von Ringelgänsen und anderen Rastvögeln ist an der Nordseeküste alljährlich Anlass, die „Ringelganstage“ Mitte April zu feiern. Allerdings müssen die Führungen, Vorträge und sonstigen Festlichkeiten zur Zeit der COVID19-Pandemie ausfallen. Aber womöglich tut das der Natur auf den Halligen sogar gut. Denn auch hier ist der touristische Druck erheblich – seit klar ist, dass sich mit Naturschutz Geld verdienen lässt.

Auftanken an Land

Zurück zu den Ringelgänsen und ihren „Tankstellen“ im Wattenmeer. Was fressen die Vögel überhaupt? Auf den Salzwiesen und Viehweiden in Meeresnähe sind es Kräuter und Gräser, die mit dem hohen Salzgehalt des Bodens klar kommen – wie Andelgras und Strandwegerich. Die Gänse machen mit ihnen kurzen Prozess. Und das sieht dann so aus:

Wer viel frisst, der muss auch viel verdauen. Die Kotschnüre mit ihrem weißlichen Ende sind überall auf dem Grünland zu sehen. Dazu erklärte mir Rainer Borcherding von der Schutzstation Wattenmeer in Husum:

Das ist im Prinzip gequetschtes Gras, das nach gerademal 45 Minuten Darmpassage nur etwas durchgewalkt und ausgepresst ist. Hinzu kommt am Ende ein weißer Klecks Harnsäure wie bei allen Vögeln, da sie ja nicht urinieren. Die Kotschnüre zerregnen und kompostieren dann langsam auf der Fläche.

Eines Morgens, es war kurz nach 6 Uhr, traf ich auf eine Gruppe Ringelgänse an einem Tümpel, dessen Randbereich übrigens mit Kotschnüren übersät war. Offensichtlich waren die Gänse durstig, denn sie gingen ins Wasser, um zu trinken.

Vier ringelgänse an einem Tümpel, zwei trinken bereits.

Wer frisst muss auch trinken.

Immer aufmerksam.

Immer aufmerksam

Manche Gänse beäugten mich skeptisch und waren offenbar fluchtbereit. Allerdings sind Meeresgänse heute weniger scheu, seit sie zunehmend unter Schutz gestellt wurden. Mittlerweile gibt es rund 250.000 dunkelbäuchige Ringelgänse, nachdem ihr Bestand in den 1950er Jahren auf 10.00 – 20.000 Individuen geschrumpft war. Schuld an dem Tiefstand war die jahrzehntelange Bejagung in Russland, aber auch in Europa.

Als besonders bedrohlich kam hinzu, dass in der Nordsee eine Pilzerkrankung den Bestand an Seegras (Zostera marina), einer ihrer wichtigsten Nahrungspflanzen, erheblich reduziert hatte.² Erschöpft und ausgezehrt starben unzählige Ringelgänse, bevor sie ihre fernen Brutgebiete erreicht hatten; und das obwohl sie keine ausgesprochenen Nahrungsspezialisten sind.

Bei Ebbe im Watt

Nicht nur auf den Wiesen der Inseln und am Festland sind Ringelgänse ein paar Wochen im Jahr omnipräsent, sondern auch im Schlickwatt und auf dem Wasser: Im Watt fressen sie salzhaltige Kräuter wie den Queller, auch kleine Schnecken und Muscheln.

In der Weite des grau-blauen Watt suchen Ringelgänse im Boden nach Nahrung.

Nahrungssuche auf dem Watt bei Ebbe

Oft sieht man bei der Futtersuche die Paare beieinander. Kein Wunder, wie andere Gänsearten auch gehen Weibchen und Männchen eine vieljährige Liaison ein.

Zwei Ringelgänse auf einem Inselchen im Watt.

Leckerbissen an einem Flecken, der noch nicht überflutet ist.

Manchmal dümpeln Ringelgänse auf dem Wasser und scheinen zu ruhen, meistens sind sie aber auch hier mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt. Das heißt, sie zupfen das Seegras ab oder schnappen nach Grünalgen, die im Wasser treiben. Diese Gruppe hat vermutlich Grünalgen entdeckt.

Und diese Ringelgänse zupfen vielleicht Seegras ab, das unter der Wasseroberfläche wächst. Wieder hat eine den Kopf erhoben und ist wachsam, während die anderen den Kopf gesenkt haben.

Vier Ringelgänse schwimmen auf dem Wasser und drei haben den Kopf ins Wasser gesenkt.

Auffliegen mit Übergewicht

Während ihrer Rast an der norddeutschen Küste legen Ringelgänse an Gewicht zu. Das ist nötig, um wohlgenährt die Brutgebiete zu erreichen. Die angefutterte Körperfülle zeigt sich, wenn die Vögel Auffliegen, denn da müssen sie kräftig Anlauf nehmen, um beim Abheben der etwa 1,5 Kilogramm gleich genug Druck unter die Flügel zu bekommen.

Eine Ringelgans rennt mit erhobenen Flügeln, um abzuheben

Ringelgans mit kräftigen Laufschritten vorm Abheben

Ringelgänse vor dem Abflug: kräftige Laufschritte, Flügel erhoben, Kopf vorgestreckt.

Die Flügel sind bereits erhoben und können im nächsten Moment für den Auftrieb sorgen. In der Luft steigen die Gänse dann mit kraftvollen Flügelschlägen langsam höher.

Zwei Ringelgänse im Flug

Und ist einmal die angestrebte Flughöhe erreicht, wirken die kompakten Ringelgänse geradezu elegant. Sie sind mit 55 bis 62 Zentimeter Körperlänge etwas kleiner als die nahverwandten Weißwangengänse. An den Rastplätzen sind die beiden Arten übrigens durchaus gemeinsam anzutreffen.

Vier Weißwangengänse und eine Ringelgans am blauen Himmel.

Über vier Weißwangengänsen fliegt eine Ringelgans.

¹ Rainer Borcherding: Die Ringelgans
² Grizmeks Tierleben, Hrsg.: Bernhard Grizmek, Zürich, 1968, Bd. 7, Kap. 12, S. 288

 

Ringelgans | Bernache cravant | Brant Goose | Branta bernicla

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

2 Kommentare

  1. Liebe Frau Brüser,
    Vielen Dank auch für diesen Blogpost, er war wie immer sehr interessant und ich habe viel gelernt. Ich freue mich über jeden, auch wenn ich mir nicht mehr alles merken kann.
    Ich bin alt und kann kaum noch laufen, mein Reich ist mein Garten. Ich beobachte auch meine Vögel jetzt ganz anders.
    Vielen lieben Dank

    Antworten
    • Liebe Frau Stang,
      Ihr Kommentar hat mich sehr gerührt. Ich freue mich außerordentlich, wenn ich Ihnen das eine oder andere über die Vögel in unserer Nähe oder in der Ferne erzählen kann und es Ihnen gefällt. Und noch besser, wenn es gelingt, Ihnen einen neuen, weiteren Blick auf das Vogelleben zu eröffnen. Wie schön, dass Sie einen Garten haben!
      Herzliche Grüße und auch Danke!
      Elke Brüser

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Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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