Tummelplatz für Gefiederte

04. September 2024 | Kleine Vögel | 0 Kommentare

Junger Hausrotschwanz hockt auf einem Blech

Junger Hausrotschwanz mit den arttypischen roten Schwanzfedern

Die meisten jungen Singvögel sind Ende August, Anfang September längst flügge, haben das Nest also verlassen. Aber oft sind die Nachkommen aus späten Bruten* am Aussehen und Verhalten noch als „Kinder“ zu erkennen.

Viele fallen durch geringe Scheu und Possierlichkeit** auf. Es ist amüsant und lohnt sich, sie zu beobachten.

Kürzlich hatte ich mit einem spät geschlüpften Hausrotschwanz zu tun, der dabei war, die Welt zu erkunden.

Und das kam so:

Ein Familienfest hatte mich in die Oberpfalz gelockt, und da ich die Gegend von Neunburg vorm Wald – ja so heißt die hübsch gelegene Stadt – noch nicht kannte, war die eine oder andere kleine Vogeltour eingeplant. Die erste führte mich rund um meine Unterkunft in ländlicher Umgebung, wo ich bei der Ankunft bereits Rotschwänze gesichtet hatte. Aber wo trieben sie sich herum? Und waren es Gartenrotschwänze oder Hausrotschwänze?

Grüne, hügelige Landschaft bei Gewitterstimmung

Die hügelige Landschaft bei Neunburg v.W.

Meine Fragen ließen sich rasch beantworten: Vor allem Hausrotschwänze mögen es ein wenig unübersichtlich, unaufgeräumt. Ihr ursprünglicher Lebensraum ist schroffes Felsgestein. Doch sie haben längst die menschlichen Siedlungen für sich entdeckt. Sie sind sogenannte Kulturfolger. Allerdings bevorzugt die Art nicht etwa unsere Gärten und Grünanlagen, sondern industrielles Gelände.

Heinz Menzel schreibt in Der Hausrotschwanz¹ über die Habitatvorlieben beziehungsweise Habitatansprüche der Art, Seite 32

Neben Fabrikanlagen siedelt sich diese Vogelart in Dörfern und Städten an, wobei es ihm einerlei ist, ob es ein- oder vielstöckige Häuser, Ställe oder auch nur Schuppen sind. In den Nachkriegsjahren benutzte der Hausrotschwanz auch oft die zerbombten Gebäude als Brutplatz. Es wird also auch völlig vegetationsfreies Gelände besiedelt. Weiter bewohnt diese Art Plätze auf denen Steine, Bretter, Baumstämme oder Stapel von meterlangem Holz lagern. In Steinbrüchen, Kiesgruben, Braunkohletagebauen usw. können wir diese Art ebenfalls als Brutvogel antreffen.

Einen solchen Ort fand ich ganz in der Nähe meiner Unterkunft nahe Neunburg a.W.. Und es zeigte sich dort – nach einem leichten Gewitterschauer – bald ein junger Hausrotschwanz. Das Gefieder dieser Vogelart ist aschgrau getönt, bei den älteren männlichen Vögeln ist es manchmal sehr dunkel. Und die Kopfgegend ist bis zur Brust hin schwarz. Auf Französisch heißt der Hausrotschwanz konsequenterweise: Rougequeu noir, also schwarzer Rotschwanz.

Wie der mehr bräunlich getönte Gartenrotschwanz hat auch der Hausrotschwanz diesen leuchtend roten Schwanz, der die Vögel im Flug wie im Sitzen verrät. Er wird von den Steuerfedern gebildet und schmückt bereits das Federkleid der Jungvögel.

Baufahrzeuge, Kies und eine gepflaserte Fläche vor grünem Hintergund

Ein Tummelplatz für Hausrotschwänze & Co.

Hörbar, aber auf Distanz

Immer wieder hörte ich nun die typischen „zrt-zrt…“-Laute eines bettelnden Jungvogels und die Stimmen von Altvögeln.² Aber wo steckten sie? Mit dem Fernglas suchte ich das Gelände ab, und entdeckte schließlich einen kugeliges, aufgeplustertes Etwas.

Gut verborgen unter Buschwerk konnte ich mich hinsetzen und den kleinen dunkelgrauen Hausrotschwanz längere Zeit beobachten. Wie er da ruhig wartete – auf einen futterbringenden Altvogel –, wie er scheinbar neugierig herumschaute, wie er eine Bachstelze und Fitisse beobachtete und diese offenbar als interessante, aber nicht bedrohliche Nachbarn erlebte.

Ein alter, grauer Bauwagen, umgenem von Gebüsch und davor hockt ein kleiner Vogel auf einem Blech.

Suchbild: Blick auf den jungen Hausrotschwanz

Kleiner grauer Vogel hockt auf einem Blech vor grauen Holzlatten

Mit der Kamera herangezoomt

Bei jungen Vögeln, die noch nicht lange das Nest verlassen haben, fällt immer wieder auf, wie gut sie sich von uns beobachten lassen. Zum Beispiel warten sie manchmal auf einem kahlen Zweig, einem Zaunpfahl oder einem anderen Ansitz lange darauf, von einem Altvogel gefüttert zu werden, der ganz in der Nähe – aber für unsere Augen verborgen – hockt.

Meist ist es aber so: Der Jungvogel wird nicht gefüttert, solange wir in der Nähe sind und stören. Manchmal wird das Junge von den Eltern mit dem Insektenfutter im Schnabel auch weggelockt, wie ich das einmal beim Schwarzkehlchen beobachten konnte.

Auf dem Tummelplatz

Der junge Hausrotschwanz saß – wie auf den vorausgehenden Fotos zu sehen – zunächst etwas geschützt zwischen abgestellten Bauwagen und Gerätschaften, flog dann aber auf ein Metallgitter.

Junger Hausrotschwanz hockst auf einem Metallgitter

Es war ein typischer Ansitz für kleine, insektenjagende Singvögel und ebenso für Vogelkinder, die auf Futter warten: Solch ein aufrecht stehendes Gitter bietet einen guten Überblick, und Vogeleltern können den hungrigen Nachwuchs dort gut anfliegen und Schnäbel stopfen.

Drei flatternde Vögel vor grünem Bebüsch

Herumjagende Fitisse

Die Altvögel ließen auch in diesem Fall auf sich warten. Sie hielten sich also verborgen.

Stattdessen flatterten aus den nahen Bäumen gelb-grüne Fitisse herbei, die zu den Laubsängern gehören. Im Vergleich zum Hausrotschwanz wirkten sie wie unruhige Geister.

Was sie da trieben, blieb mir verborgen. Es sah nach einem gegenseitigen Jagen aus.

Möglicherweise waren es Jung und Alt. Denn während der eine Vogel schön ausgefärbt war, wirkte das Gefieder eines anderen eher blass – wie für einen Jungvogel typisch. Der Unterschied zeigte sich allerdings erst, als zwei der Vögel sich niedergelassen hatten.

Zwei gelb-grüne Vögel sitzen auf Holzbrettern, umgeben von Baumaterial

Suchbild: Links der junge, rechts der adulte Fitis.

Nachdem die Fitisse erneut für eine Weile davongeflogen waren, ließen sie sich bald ganz nah bei dem jungen Hausrotschwanz nieder, der mittlerweile wieder auf „seinem” Metallgitter Platz genommen hatte. Er zeigte sich zunächst davon unberührt.

Auf einem Metallgitter sitzt oben ein Hausrotschwanz, eiter unten ein Fitis.

Wem gehört das Gitter?

Hausrotschwanz sitzt oben auf einem Gitter und schaut runter zum Fitis

Hallo, was treibst du da?

Hausrotschwanz und Fitis sitzen einander gegenüber und schauen sich an.

Und wer bist du überhaupt?

Hausrotschwanz und Fitis sitzen auf einem Gitter nebeneinander

Hausrotschwanz und Fitis haben sich zunächst mal arrangiert.

Möglicherweise wurde es dem jungen Hausrotschwanz irgendwann zu bunt, denn die Fitisse flatterten weiter hin und her, mal huschten sie hinter das Gitter und mal hindurch.

Zwei Fitisse sitzen in einem Metallgitter

Kurzer Zwischenstopp bevor es wieder weitergeht.

Und der Vater

Als die Fitisse endlich abgedüst waren, ließ sich Herr Hausrotschwanz blicken. Plötzlich saß er neben dem Jungvogel, der mittlerweile einen anderen Ansitz gewählt hatte. Abgelenkt von einer jungen Bachstelze, hatte ich diesen Platzwechsel zunächst gar nicht bemerkt.

Auf einem Holzbrett hockt hinter dem jungen Hausrotschwanz ein dunkler Hausrotschwanz.

Direkt hinter dem jungen Hausrotschwanz steht ein männlicher Altvogel – sicher der Vater. (Foto per Anklicken oder Wischen vergrößen.)

Kurz darauf verschwand der Altvogel, aber ich entdeckte ihn vor einem der Bauwagen. Und danach flog er genau dorthin, wo der Jungvogel lange gesessen – und gewartet – hatte.

Dunkler, männlicher Hausrotschwanz steht vor einem Bauwagen zwischen blühenden Pflanzen

Der Vater des jungen Hausrotschwanzes hockt etwas verborgen vor einem der Bauwagen.

Es handelte sich eindeutig um ein älteres Männchen. Denn obwohl dieser Vogel gerade sein Federkleid wechselte, sind nicht nur das sehr dunkle Grau seines Äußeren und der namensgebende rostrote Schwanz gut erkennbar, sondern auch der weiße Spiegel***. Der wird von den weißen Federsäumen – also den Rändern – der Hand- und Armschwingen gebildet wird und markiert seine Geschlechtzugehörigkeit. Diesen Spiegel, das auch als weißes Flügelfeld bezeichnet wird, haben weibliche Hausrotschwänze nicht.

Männlicher, dunkler Hausrotschwanz hockt auf einem Gitter.

Unübersehbar: der weiße Spiegel des adulten Hausrotschwanzes im dunklen Gefieder.

Ich gehe davon aus, dass beide Eltern in der Nähe waren. Es ist nämlich üblich, dass die Familie noch drei bis vier Wochen zusammenbleibt, wenn die Jungen einer späten Brut ausgeflogen sind. (Bei früheren Bruten einer Saison bleibt die Familie nur etwa zwei Wochen zusammen.)

Hausrotschwanz-Kinder kehren nach dem Ausfliegen nicht zum Nest zurück. Sie werden zunächst weiterhin gefüttert und vor Katzen und anderen Feinden von den Eltern mit Alarmrufen gewarnt. Diese Rufe beschreibt die App Die Stimmen der Vögel Europas² als eine Folge von tonlosen „fid-tk-tk …“-Lauten. Je größer die Gefahr, desto schneller die Abfolge.

Leider habe ich nicht gesehen, ob der Jungvogel noch gefüttert wurde. Der nächste Gewitterschauer hätte mich sonst erwischt.

Dunkle Regenwolken hängen tief am HImmel über einer grünen Wiese

 

* Zwei Bruten nacheinander sind nicht ungewöhnlich.
**Das ist ein etwas antiquierter Begriff, aber er passt gut. Denn im „Wahrig“, Deutsches Wörterbuch, wird „possierlich“ als eine Ableitung von „Posse” dargestellt und als „lustig, drollig” übersetzt. Und genau so nehme ich junge Singvögel oft wahr.
*** Der Spiegel oder Flügelspiegel ist ein Bereich im Flügel, der durch Federn auffällt, die sich kontrastreich von den anderen Federn des Flügels absetzen.

¹ Heinz Menzel, Der Hausrotschwanz, Magdeburg 1995, Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 475
² Hans-Heiner Bergmann, Wiltraud Engländer, Sabine Baumann, Hans-Wolfgang Helb, Die Stimmen der Vögel Europas, Aula-Verlag, Wiebelsheim 2018

Hausrotschwanz | Rougequeu noir|  Black Redstart | Phoenicurus ochruros

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

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Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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