Bei diesem kleinen Insektenfresser, der wie der Trauerschnäpper und die besser bekannte Nachtigall zur Schnäpperverwandtschaft zählt, ist die schwarze Kehle namensgebend.
Sie ist in der Tat sein prominentestes Kennzeichen – sofern wir den flinken Vogel erst einmal entdeckt haben.
Das ist oft jedoch gar nicht so leicht. Denn wenn wir ein Schwarzkehlchen auf einem Zweig im Gebüsch, auf Totholz oder auf einem Steinbrocken vermuten oder mit dem Fernglas gesichtet haben, ist es meist sehr weit entfernt.
Nähern wir uns dann, ist es oft plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Meist verschwindet es im Kraut oder im Gebüsch, etwa in Brombeersträuchern.
Der kleine rund 12 cm große Kerl trägt den Gattungsnamen Saxicola (saxum lat. = der Stein, incola lat. = der Bewohner) – eine Anspielung an das bevorzugte Habitat dieser Vogelgruppe, zu der auch das zarte Braunkehlchen gehört. Seinen Artnamen verdankt das Schwarzkehlchen dem dornigen, unzugänglichen Brombeergebüsch, in das es sich gegebenenfalls flüchtet: Saxicola rubicola (rubus lat. = der Brombeerstrauch, incola lat. = der Bewohner).¹
Schwarzkehlchen beobachten
Wer mehr von dem Versteckspieler sehen möchte, setzt sich am besten nahe der ersten Sichtung² auf den Boden und wartet: Insbesondere das Männchen wird sich vermutlich irgendwann wieder blicken lassen, um sein Territorium optisch und akustisch zu markieren.
Mit einem guten Fernglas ist das Schwarzkehlchen nicht nur am schwarzen Kopfbereich und der orangen Brust, sondern auch an seinem weißen, nicht vollständig geschlossenen Halsband und den weißen Partien auf dem dunklen Rückengefieder gut zu identifizieren.
Johann Friedrich Naumann hat in dem Klassiker der deutschsprachigen Ornithologie Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas³ vor rund 150 Jahren den Vogel so beschrieben, Seite 116
In seinem Frühlungskleide hat das alte Männchen folgende Farben: Kopf, Kehle, bis auf die halbe Gurgel herab, Wangen, Hinterhals, Rücken- und Schultergefieder sind schwarz. Am tiefsten in den ersten Teilen…
Lässt uns der Vogel nicht näher kommen, hilft ein Verhaltensmerkmal, um ihn zu identifizieren: das sogenannte Schwanzzucken, das oft von einem Flügelzucken begleitet ist.
Schützenswerter Lebensraum
Das Habitat der Schwarzkehlchen sind Wiesen an eher sonnigen, trockenen Standorten. In einem solchen Gelände südlich von Berlin habe ich ein Paar mit seinem Nachwuchs entdeckt.
Und ich bin froh, dass ein Neubaugebiet mit Einfamlienhäusern und neuangelegten „Schottergärten“ vor diesem Refugium für viele Vogelarten endet und sich nicht noch weiter ausgedehnt hat. Bislang jedenfalls.
Solche Schottergärten sind mehr als Bausünden, die aber das Land Brandenburg – im Gegensatz zu Baden-Württemberg und anderen Bundesländern – leider nicht konsequent verhindert.
Möglich wäre das, und notwendig. Denn hier reiht sich eine Steinwüste an die andere, während zugleich das Habitat von Wiesenvögeln permanent weiter eingeschränkt wird.
Nicht weit von der Neubausiedlung entfernt, habe ich mehrfach die Schwarz- und Braunkehlchen, den Rotrückenwürger und die Goldammer besucht – ein Gelände, das durch eine alte Obstbaumwiese, diverse Gehölze und einen markanten Totholzwall bestimmt ist. Dort steigen über ausgedehnten Wiesenflächen Feldlerchen zum Gesang in den Himmel, Turmfalken rütteln, Habicht und Rotmilan ziehen ihre Kreise.
Schwarzkehlchen brüten vielerorts in Europa – aber nur vereinzelt in Skandinavien. Ihr Brutgebiet erstreckt sich über Osteuropa bis in den Kaukasus und in die Türkei, auch rund um das Mittelmeer sind sie zu finden. Im Süden und Südwesten sind Schwarzkehlchen Jahresvögel, auch Standvögel genannt. Sie bleiben also ganzjährig vor Ort.
Dort, wo es kalt und „unwirtlich” wird – ich liebe dieses etwas antiquierte Wort – ziehen sie jedoch im Herbst ab, sind also Sommervögel. Ihr Abzug aus dem Norden ist klimatisch begründet, denn wo es frostig ist, ist für Insektenfresser die Ernährungslage miserabel.
Das junge Schwarzkehlchen
Im Juli hatte ich die Gelegenheit einen hungrigen Jungvogel zu beobachten, der unablässig Futter einforderte. Der Vater des „plärrenden“ Nachkömmlings wollte sich aber nicht auf die Fütterung einlassen, zu exponiert hatte sich der Nachwuchs platziert.
Die Jungvögel sind äußerlich den weiblichen Vögeln ähnlich. Das Gefieder ist vor allem braun getönt und rundum gestrichelt. Die schwarzen Federchen am Kopf und die orangfarbene Brust des Prachtkleids zeigen sich erst im kommenden Frühjahr – und nur bei den Männchen.
Mir hat es großes Vergnügen bereitet, dabei zuzusehen, wie das adulte Schwarzkehlchen bemüht war, den Nachwuchs davon zu überzeugt, dass es in Anbetracht der Beobachterin sicherer ist, eine Etage tiefer zu gehen – und dort Insektennahrung in Empfang zu nehmen. Was ich dann aber leider nicht mehr beobachten konnte; denn Vater und Kind verschwanden letztlich hinter dem Stapel Totholz.
Ich hatte durchaus den Eindruck, dass der hungrige Jungvogel frustriert war und zunächst nicht verstand, warum der Vater nicht mit Futter angerauscht kam. Denn oben auf dem Totholz war offenbar der gewohnte Platz für die Übergabe. Schließlich ergab sich für die Schwarzkehlchen ein gutes Ende – aber nicht für mich als Fotografin: Beide Vögel verschwanden hinter dem Holzhaufen. Und dort wurde gefüttert!
Bei Johann Friedrich Naumann fand ich eine Passage, die meiner Beobachtung des bereits flüggen Jungvogel und seines Vaters entsprach. Als Freundin dieser präzisen und zugleich etwas verschnörkelten Sprache, möchte ich sie abschließend zitieren, Seite 122
Die Jungen wissen sich, bevor sie sich noch recht auf ihre Flugwerkzeuge verlassen können, sehr gut zu verstecken, und man findet sie dann nicht so leicht als nachher, wenn sie sich schon auf die Spitzen der Büsche zu setzen wagen. Sie werden reichlich mit allerlei Raupen, kleinen Käfern, Bremen, Bremsen und anderen Insekten gefüttert, und man sieht die Alten in jenem Bezirk, wo sich die Jungen versteckt halten oder im Neste sitzen, oft mit einem Schnabel voll Futter ängstlich … sich herumtreiben, aber, solange sie sich beobachtet glauben, den Jungen das für sie bestimmte Futter, um sie ihrem vermeintlichen Feinde nicht zu verraten, gewiss nicht darreichen.
¹ Diese Informationen habe ich wieder dem Buch von Viktor Wember Die Namen der Vögel Europas entnommen. Eine Fundgrube!
² Von Sichtung sprechen wir in der Ornithologie, wenn eine Vogelart gesehen und identifiziert worden ist.
³ Johann F. Naumann: Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. I, S. 115 ff. Dort firmiert das Schwarzkehlchen noch als Schwarzkehliger Wiesenschmätzer.
Schwarzkehlchen | Tarier pâtre | Stonechat | Saxicola rubicola
Danke für diesen auch wieder so schönen Bericht. Zur Beobachtung beim Füttern: Wir beobachten ständig, dass Vögel mit Futter im Schnabel nicht zu ihren Jungen fliegen, wenn sie sich beobachtet fühlen. Das gilt sogar für Spatzen, die nicht in die Nistkästen fliegen, wenn wir – wie gewohnt – darunter sitzen. („Sogar“ bezieht sich nicht auf die „Allerweltsvögel“ Spatzen, sondern auf unsere dort häufige Anwesenheit.)