Mit spitzer Haube

Kleiner brauner vogel mit spitzer Haube auf einem Felsbrocken stehend, dahinter das blaue Meer

Es ist der pfiffige Kopfschmuck, der die eher schlichte Haubenlerche zu einem auffälligen und gut erkennbaren Vogel macht. Diese Haube ist manchmal angelegt, wird aber immer wieder entfaltet. Dabei richten sich die 12 bis 24 mm langen Federchen, die oberhalb des Schnabels aus der Haut sprießen, in Sekundenschnelle auf.

Das bräunliche Gefieder prädestiniert die Haubenlerche ansonsten nicht zu einem Hingucker – manch einer würde sie im Vorübergehen als „Spatz” abhaken, zumal sie nur wenig größer ist als ein Sperling. Auch laufen Haubenlerchen wie die Sperlinge oft am Boden herum und suchen dort nach Nahrung. Als Bodenvögel werden sie daher auch bezeichnet.

Kleiner brauner Vogel auf einer Piste mit teils rotem, teils sandfarbenem Schotter
Unterwegs auf der Schotterpiste (Alle Fotos per Klick oder Wischen vergrößerbar.)

Mehrfach habe ich Haubenlerchen in Brandenburg beobachtet, aber um sie zu fotografieren, hockte ich entweder nicht rasch genug auf dem Boden oder die Lichtverhältnisse stimmten nicht. Umso glücklicher war ich nun, dieser Lerchenart in Nordgriechenland gleich zweimal zu begegnen, und zwar in zwei sehr unterschiedlichen Regionen. Beide Biotope erfüllten jedoch exakt die Bedürfnisse von Haubenlerchen. Ich komme darauf zurück.

Die kleinen Braunen

Die Haubenlerche und viele andere Arten aus der Ordnung der Sperlingsvögel (Passeriformes) gehören zu den kleinen braunen „Gesellen“ oder „Gesellinnen”, die für ornithologische Anfänger schwer voneinander zu unterscheiden sind und die im Englischen in die Schublade „LBB“ (= Little Brown Bird) sortiert werden.

Zwei Haubenlerchen am Rand der Piste
Auf der Suche nach Sämereien…
Zwei Haubenlerchen aud rötlicher Piste vor trockenem Gebüsch
…oder nach Insekten.

Mit der Familie der Sperlinge (Passeridae) hat die Familie der Lerchen (Alaudidae) jedoch wenig gemein, obwohl beide der artenreichen biologischen Ordnung der Sperlingsvögel angehören.

Haubenlerche mit leicht geöffnetem Schnabel auf Felsbrocken
Auf einem Fels am Meer mit angelegter Haube

Unterschiede zeigen sich etwa im Verhalten:

Während Haubenlerchen eher alleine oder als Paar unterwegs sind, bevorzugen beispielsweise die Haussperlinge das Gruppenleben und brüten gerne gemeinsam. Das wiederum entspricht ihrer nahen Verwandtschaft mit den Webervögeln, von denen viele in großen Kolonien brüten.

Von anderen Lerchenarten, die in Deutschland vorkommen und brüten, also der Feldlerche – mit kleiner Haube – und der Heidelerche – ohne Haube –, unterscheidet sich die Haubenlerche durch ihre imposante spitze Federhaube. Auch wenn diese zusammengefaltet ist, fallen beim genauen Hinsehen durch das Fernglas artspezifische Merkmale auf: So wirkt ihr bräunliches Gefieder angestaubt. Es ist viel weniger kontrastreich als bei den beiden anderen hiesigen Lerchenarten.

Haubenlerche auf Fels
Haube zusammengefaltet
Haubenlerche auf Fels
Haube etwas entfaltet

Die eher matte Farbgebung ist kein Zufall, sondern der Evolution geschuldet. Denn die ursprüngliche Heimat der Haubenlerche sind die steppenartigen Regionen und Halbwüsten im östlichen Eurasien. Als Halbwüstenvogel wird sie im Handbuch der Vögel Mitteleuropas¹ folgerichtig bezeichnet. Mit anderen Worten: Ihr Federkleid ist diesen trockenen, bräunlich-sandfarbenen Regionen angepasst.

Da stellt sich die Frage: Und wie kamen sie zu uns?

Zugewandert – aber kein Neozoon

Hierzulande, also in Westeuropa, ist die Haubenlerche genaugenommen eine zugewanderte Art – als Einwanderin oder Zuwanderin könnte man sie bezeichnen. Ein Neozoon wie etwa die Nilgans oder die Glanzkrähe ist sie allerdings nicht, denn dass sie sich hier als Brutvogel etablieren konnte, ist lange her.

Offenbar breitete sich die Haubenlerche in mehreren Wellen von Osten nach Westen ziehend in Europa aus. Ziemlich sicher ist, dass sie in Abhängigkeit vom Klima aus den Steppen Asiens zu uns kam, und zwar auf verschiedenen Wegen – oft Flusstälern folgend – südlich und nördlich der Alpen.

In der Vergangenheit wurde ausführlich und teils sehr unterhaltsam diskutiert, wann und wie diese Ausbreitung erfolgte.² Kamen die Haubenlerchen etwa mit den „Russen“ und wurden daher regional auch als Kosakenlerchen bezeichnet? Oder kamen sie, weil mit den Feldzügen Napoleons vielfach Feldlager und Heerstraßen Richtung Osten gebaut wurden, was dann den Vögeln den Zug nach Westen erleichterte?³

Alfred E. Brehm, der zu seiner Zeit mit vielen Ornithologen in Kontakt stand, zitiert zu dieser Frage in Brehms Tierleben (Bd IV, S. 229) den in Weimar aufgewachsenen Zoologen William Marshall, der die Ausbreitung verschiedener Vogelarten untersucht hat und auch einen kritischen Blick auf die Volksmeinung wirft. In der Diktion des 19. Jahrhunderts klingt das so:

Es ist die Haubenlerche in höherem Grade ein Steppentier als die übrigen von Südosten her vorgedrungenen Vögel, und es ist eine sehr richtige Beobachtung, dass sie mit Vorliebe den großen Heerstraßen westwärts folgt und mit Vorliebe in deren Nähe brütet, denn diese haben den ganz ausgesprochenen Charakter so öder Steppen wie die chinesische und die mongolische sind. Aber gerade durch diese Gewohnheit hat der immerhin fremdartige, den Fahrwegen entlang trippelnde Vogel mit auffälliger Stimme und Kopfbefiederung die Aufmerksamkeit des Volkes auf sich gelenkt: so glaubt in Thüringen der gemeine Mann, die Haubenlerche sei 1813 während der Freiheitskriege im Gefolge der Russen eingezogen, wie ja das auch ähnlich von der Küchenschabe behauptet wird.

 


Stationen einer Einwanderin (nach Rudolf Pätzold²)

Möglicherweise lebten schon vor der letzten Eiszeit Haubenlerchen in Europa.
Gesichert ist, dass sowohl „der Grieche“ Aristoteles als auch „der Römer“ Plinius die Haubenlerche kannten. Nach Mitteleuropa kam sie allerdings erst einige Jahrhunderte später, denn bis zum 7. und 8. Jh. war Mitteleuropa weitgehend bewaldet – und ein Waldvogel ist die Haubenlerche nicht.
Erste Beschreibungen von Haubenlerchen aus der Region zwischen Böhmen und dem heutigen Süddeutschland erscheinen um 1300. Im 16. Jh. nehmen schriftliche Nachweise zu, vor allem in Sachsen und im Erzgebirge wird sie beobachtet und zum Beispiel als „Heubellerche“ oder „Gehäubte Lerche“ bezeichnet. Etwa zur gleichen Zeit wird diese Lerchenart im Rheinland immer häufiger gesichtet und Mitte des 16. Jh. als Brutvogel beschrieben, etwa für Köln und Straßburg.
Diese östliche und westliche Verbreitung im Gebiet des heutigen Deutschlands wachsen nach und nach zusammen, was unter anderem dem Ausbau des Straßen- und Schienennetzes im 18. und 19. Jh. zugeschrieben wird. Auch in Dänemark und Südschweden taucht die Haubenlerche nun auf.
Zu Beginn des 20. Jh. stagniert die Ausbreitung der Haubenlerche, und nach dem 1. Weltkrieg nimmt ihre Häufigkeit in vielen Regionen ab. Andererseits steigt die Zahl nach dem 2. Weltkrieg an, denn die Trümmerflächen in den zerstörten Städten bieten Haubenlerchen passenden Lebensraum.
Heute sind diese Biotope verschwunden, städtische Brachflächen werden weiter zugebaut und etwa sandige Feldwege befestigt. Kein Wunder, dass der Bestand in den letzten Jahrzehnten bei uns bedrohlich gesunken ist. Auffälliger noch als bei der Feldlerche ist der Rückgang der Haubenlerche, mahnt die letzte Bestandsaufnahme von B. Gerlach u.a. (2019): Vögel in Deutschland – Übersichten zur Bestandssituation. DDA, BfN, LAG VSW, Münster.


Habitat der Haubenlerche: am Meer

Statt Wald, Felder oder Wiesen besiedelt die Haubenlerche bevorzugt Flächen, deren Vegetationsdecke nicht völlig geschlossen ist. Trocken und warm darf es sein. Zum Lebensraum***, also dem Habitat, des Vogels schreibt Rudolf Pätzold in seiner schönen Monografie Die Haubenlerche² auf  Seite 118

Die optimalen und ursprünglichen Lebensbedingungen findet die Haubenlerche im Bereich der trockenwarmen Formationen spärlicher Vegetation, wie sie die Wüsten- bzw. Halbwüstenlandschaft bietet… Auch an Bodenfarbe und –art stellt sie bestimmte Ansprüche. Helle Böden sind ihr lieber als dunkle, und leichte bevorzugt sie vor schwereren.

Kein Wunder also, dass ich sie in Nordgriechenland am Rande einer staubigen Sandpiste entdeckte, die durch ein Feuchtgebiet mit Rosaflamingos, Rotschenkeln und Reihern nahe der Millionenstadt Thessaloniki führt.

Sandige Schotterstraße, die isch durch ein trockenes gelände zieht, das links und rechts von Wasser umgeben ist
Keine napoleonische Heerstraße, aber ein guter Platz für Haubenlerchen.

Das Gebiet entspricht nicht unbedingt dem natürlichen, eher steppenartigen Lebensraum dieser Lerche, denn das Meer, Hafen und Industrieanlagen sind hier in Sichtweite. Andererseits gilt gerade die Haubenlerche als ausgesprochener Zivilisationsfolger. Sie nutzt die menschengemachten Ruderal- und Verkehrsflächen, sofern sie ihren Bedürfnissen entsprechen.¹

Kleiner brauner Vogel mit spitzer Haube auf Felsen, in der Ferne Häuser und Schiffe vom Hafen einer Großstadt
Habitat am Meer – mit Blick auf den Hafen von Thessaloniki

Während die viele Kilometer lange Piste zum Meer hin mit Felsblöcke abgegrenzt ist, wechseln sich landeinwärts Wasserflächen und trocken gefallene Flächen mit spärlicher Vegetation ab. Dort verschmilzt die Haubenlerche mit ihrer Umgebung und kann zwischen den Pflanzen leicht in Deckung gehen. Zum Glück, denn Greifvögel, die zeitweise in einiger Entfernung kreisten, waren auf Beute aus.

Haubenlerche zwischen Pflanzen
Suchspiel mit Haubenlerche
Haubenlerche ziwschen Pflanzen auf Kuhdung stehend
Erstarrter Kuhdung sorgt für Überblick

Gleichzeitig findet die Lerche in diesem Biotop reichlich Nahrung: Vor allem in den Sommermonaten fressen Haubenlerchen animalische Kost in Form von Insekten und Spinnen, von Herbst bis Frühjahr bilden dann Pflanzensamen und auch grüne Pflanzenteile ihre Hauptnahrung.

Habitat der Haubenlerche: an Gebirgsausläufern

Als ich am Folgetag nahe Bulgarien in den Ausläufern des Orvilos (1888 m) unterwegs war, mochte ich kaum glauben, dass sich schon wieder eine Haubenlerche in meiner Nähe platziert hatte. Obwohl die Natur rundherum so gänzlich anders war als am Ägäischen Meer bei Thessaloniki, entsprach das Biotop exakt ihren Bedürfnissen: trocken und relativ warm war es in diesem Tal, steinig und vegetationsarm. Im Gegensatz zur Feldlerche toleriert die Art auch strukturiertes Gelände – bewohnt also nicht nur das freie Feld – und vermag deshalb auch, in Trockentälern, an Hängen und Terrassen, selbst in Wohngebieten zwischen Häusern und auf niedrigen Flachdächern zu brüten.

Geröll und wiese, auf einem Stein eine Haubenlerche, eine kaum sichtbare etwas entfernt
Zwei Haubenlerchen: gut getarnt!

Zunächst bemerkte ich nur einen bräunlichen Vogel, knapp über dem Boden flatternd. Aber statt wegzufliegen, setzte er sich auf einen Stein und erwies sich als Haubenlerche. Es dauerte nicht lange, da näherte sich Besuch – sehr wahrscheinlich ein männlicher Artgenossen. Zwar sind die Geschlechter einander äußerlich sehr ähnlich, aber die Herren sind ein wenig größer, wiegen etwas mehr und tragen eine imposantere Haube.

Ein zögerliches Männchen.
Das Männchen nähert sich.

Das Männchen näherte sich Stück für Stück und machte auf mich den Eindruck als würde es fragen: „Darf ich näher kommen?“ Schließlich hüpfte es auf denselben Steinbrocken wie das Weibchen, und zwar mit ausgefahrener Haube und also sichtlich erregt.

Eine ganze Weile saßen die beiden dort beieinander. Das Männchen beruhigte sich rasch, und seine Haube wurde kleiner. Manchmal schaute er direkt zu seiner Partnerin, und ich hatte den Eindruck, dass beide sich kannten. Dafür spricht, dass Haubenlerchenpaare auch außerhalb der Brutzeit – und es war Oktober – zusammen bleiben. Sie gelten zudem als monogam.

„Szenen einer Ehe“

Ich sah beide Vögel später bei der Futtersuche auf dem Gelände eines nahen Viehstalls. Da zeigte das Weibchen, dass Haubenlerchen nicht nur Laub und Steinchen wenden, sondern mit kräftigen Schnabelhieben nach links und rechts den Boden durchforsten, um so Insekten, deren Eier oder Würmer aufzustöbern.

Haubenlerche | Cochevis huppé | Crested Lark | Galerida cristata

 

*** Wer mehr über die Begriff Lebensraum, Habitat, Biotop und ökologische Nische erfahren möchte, kann sich in dem Podcast Sprachstunde anhören, was ich mit Ursula Ott, Chefredakteurin des Magazins Chrismon, dazu besprochen habe.

¹ Urs N. Glutz von Blotzheim, Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Aula-Verlag und als CD-ROM im Vogelzug Verlag
² Nachzulesen in Brehms Tierleben, 1900, Leipzig und Wien, Bd. IV, S. 228ff und Rudolf Pätzold Heidelerche und Haubenlerche, NB-B, 1986, Wittenberg/Magdeburg, S. 101ff
³ Dafür spricht Einiges: Haubenlerchen gelten als Kulturfolger, die sich also durchaus dort wohlfühlen, wo Menschen siedeln. Wo also Heerstraßen angelegt wurden und Soldaten campiert hatten, da fanden die Vögel Lebensmittelreste sowie Ausscheidungen von Mensch und Tier. Beides lockt zudem Insekten an und fördert deren Vermehrung.



Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

3 Kommentare zu “Mit spitzer Haube

  1. Danke für den schönen Artikel. Wir haben heute eine Haubenlärche in der Nähe vom Flughafen Berlin Schönefeld gesehen. Die große Haube war von weitem noch sehr deutlich zu erkennen.

  2. Ein ganz toller Blog .Habe diese Seite erst vor kurzem entdeckt.
    Bin noch ein Neuling unter den Vogelfreunden. Vor einigen Wochen habe ich auch diese Lerchenart auf Texel fotografiert.
    LG Maike

    1. Das kann ich mir gut vorstellen. Es könnte allerdings auch eine Feldlerche gewesen sein, denn besitzen auch eine allerdings kleinere Haube.Vielleicht lohnt es sich, das nochmals zu vergleichen. An der Nordsee sind eigentlich die Feldlerchen verbreitetere Art. Vielen Dank jedenfalls für deine Rückmeldung, Maike.

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