Fototermin mit Schafstelze

07. Mai 2025 | Kleine Vögel, Rund ums Birding | 2 Kommentare

Schafstelze singt auf ihrer Sitzwarte

Singende Schafstelze

Kürzlich konnte ich an der Mündung der Weser zwischen Bremerhaven und Cuxhaven wieder allerlei Vögel auf dem Zug nach Norden und auch mehrere Brutvogelarten beobachten.

Dort, im Vordeichgebiet am naturgeschützten Wattenmeer, stehen die Chancen gut, auf den saftigen Wiesen die eine oder andere Schafstelze zu entdecken.

Und häufig brüten in der Nachbarschaft auch die Wiesenpieper. Diese zwei Arten sind sozusagen gute Nachbarn.

Generell rate ich beim Vogelgucken, zu Fuß unterwegs sein. Denn vom Auto aus sehen wir bis auf ein paar Greife so gut wie keine Vögel, und auch auf dem Rad fahren wir an den meisten Gefiederten vorbei. Und noch ein paar Beobachtungstipps unter vielen anderen: langsam gehen, mal länger stehen bleiben oder eventuell hinsetzen. Dann lassen sich auch Vögel blicken, die in Deckung gegangen waren, als wir uns annäherten.

Gelber Vogel auf einem Holzpfosten vor eine rgrünen Wiese und dem blauen Himmel.

Schafstelze im Naturschutzgebiet an der Wesermündung

Auf dem wunderschönen Pfad zum Vogelbeobachtungsturm bei Cappel-Neufeld hatte ich dieses Mal einen Fototermin mit Motacilla flava, also der Schafstelze, eingeplant. Sie kommt in Norddeutschland als Unterart Motacilla flava flava vor und wird mittlerweile auch als eigene Art betrachtet und als Wiesenschafstelze bezeichnet.

Ich war wie gesagt mit der Schafstelze – präziser der Wiesenschafstelze – zu einem Fototermin verabredet.* Wunschgemäß – und wie schon in anderen Jahren – stand sie auf einer Sitzwarte mit gutem Rundumblick.** Der Platz war kein Zufall: Von einem erhöhten Platz aus lassen sich Luftfeinde wie Wanderfalke oder Seeadler und Bodenfeinde früh entdecken, was zur Brutzeit besonders relevant ist.

Dazu lese ich in der schönen Monographie Die Schafstelze von Hartmut und Winfried Dittberner¹ auf Seite 74

Die Schafstelzen benutzen zur Brutzeit Sitzwarten, die den Nistbereich umgebende Vegetation möglichst überragen (…) Sofern Büsche und Bäume vorhanden sind, setzen sie sich häufig auf die Zweige. Auch außerhalb der Brutzeit sind sie nicht selten auf erhöhten Plätzen anzutreffen.

Das Foto mit einer einbeinigen Schafstelze mag irritieren, aber das ist nicht nötig. Dem Vogel fehlt kein Bein, gar nichts. Aber wo ist das andere?

Es ist angezogen und im gelben Gefieder der Unterseite verborgen. Wie auch andere Vogelarten ruht der Vogel auf einem Bein – und entlastet das andere.

Kleienr gelber Vogel steht auf einem Holzzaun

Einbeinig auf der Sitzwarte

Bei Johann F. Naumann, diesem grandiosen Vogelkenner und wissenchaftlich arbeitendem Ornithologen des 19. Jahrhunderts, heißt die Schafstelze übrigens noch „Gelbe Bachstelze“, denn damals wurden die Arten und Unterarten anders sortiert bzw. klassifiziert.

Auf jeden Fall hat Naumann das Gefieder der Schafstelze wunderbar beschrieben, darum möchte ich ihn wieder einmal zitieren. Er formuliert hinsichtlich der Farbnuancen so detailreich, dass ich immer wieder fasziniert bin.

Kein Wunder: Bücher waren im 19. Jahrhundert oft nicht illustriert oder das nur sparsam. Da kam es auf die Wortwahl an. Und für die vielen Menschen, die damals heimische Vögel in Volieren oder einem Vogelbauer hielten, war es wichtig, schön gefärbte Arten zu besitzen.

Vom kleinen Unterschied

Über das Erscheinungsbild der Schafstelze, der männlichen, lese ich im Hauptwerk von Johann F. Naumann Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas (kurz: im „Naumann“)², Seite 131

Das alte Männchen in seinem Frühlings- oder Hochzeitskleide ist ein gar schönes Vögelchen. An ihm sind die Stirn, der Scheitel und das Hinterhaupt bis in den Nacken schön bläulichaschgrau; ein weißer Streif fängt hinter dem Nasenloch an und zieht sich über das Auge weg …

Was die Oberseite samt den Flügeln angeht, beschreibt Naumann die einzelnen Partien des Gefieders so akribisch, dass ich mich lieber an die Charakterisierung im Der Kosmos Vogelführer von Lars Svensson (kurz: im „Svensson“)³ halte.

Oberseite grau-grünlich oder graubraun mit im Freiland kaum erkennbarem Olivton; Beine schwarz, mittellang …

Fototermin: Bitte zunächst von der Seite, im Profil.

Kleiner Vogel auf einem hözernen Pfosten

Typisch: olivfarbener Rücken

Kleiner, unterseits gelber Vogel steht auf einem Holzposten.

Typisch: weißer Streifen über dem Auge

Weniger begeistert ist Naumann übrigens vom Federkleid der weiblichen Vögel. Und leider merkt er hier nicht an, dass die mattere Farbgebung das brütende Weibchen und den Nachwuchs schützt. Tarnung eben.
Es heißt im Naumann also: Oberkopf, Genick und Wangen sind „bräunlich aschgrau“, der weiße Augenstreif ist „rostgelb überlaufen, überhaupt schmutziger“, und der Rücken ist „sehr schmutzig olivengrün oder olivengrau“, der Unterleib ist „bleichgelb“, auch ist der „Schnabel bleicher“.***

Recht trocken heißt es hingegen im Svensson über die weibliche Schafstelze, die in einem früheren Beitrag dieses Vogelblog als fütterndes Elternteil erscheint

Etwas matter gefärbt, vor allem auf der Brust.

Fototermin: Und nun bitte von vorne. Die Front und die Unterseite.

Kleiner Vogel mit gelbem Bauch auf einem hölzernen Pfosten.

Typisch: gelbe Unterseite

Kleiner Vogel mit gelbem Bauch auf einem hölzernen Pfosten.

Typisch: grauer Kopf und schwarze Beine

Über die Färbung der Unterseite schreibt der angesehene Ornithologe aus der Nähe von Köthen, Mitbegründer der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft, äußerst passend, Seite 131

Von der Kehle an bis an den Schwanz sind alle unteren Teile von einem prächtigen Hochgelb, das … ein wenig ins Grünliche zieht, wie in manchen Blumen; eine ungemein schöne Farbe.

Wandelbare Schafstelze

Manchmal sieht die elegante Schafstelze, die mit der schwarz-weißen Bachstelze, der Gebirgsstelze und der Zitronenstelze nah verwandt ist, etwas zottelig aus. Dann hat sie sich, wie im nächsten Foto, gerade geschüttelt. Daher ist das Gefieder noch nicht richtig sortiert beziehungsweise noch nicht angelegt.

Kleiner gelb-brauner Vogelauf einem Hlzpfosten

Zottelig, wenn das Gefieder noch nicht angelegt ist.

Als Ausguck und Sitzwarte nutzen Schafstelzen nicht nur kompakte Geländer und Pfosten, sondern mit ihren feingliedrigen Zehen und langen Krallen finden sie auch auf zarten, schwankenden Halmen und Blüten Halt.

Kleiner gelb-brauner Vogel steht auf einem Halm mit vertrockenten Blüten.

Aufgeplustert auf trockenen Blütenständen

Fototermin: Damit sind wir durch. Danke!

Aber damit das klar ist: Schafstelzen posieren nicht nur auf erhöhten Sitzwarten für Birder und Fotografinnen. Sie sind auf den feuchten Wiesen – ihrem bevorzugten Lebensraum – vor allem am Boden fleißig unterwegs. Hier befindet sich das Nest, und hier suchen sie nach krabbelnden, hüpfenden und fliegenden Kerbtieren, nach Schnecken und Spinnen. Viele Wege werden von ihnen laufend zurückgelegt, und das sieht bei der Nahrungssuche dann so aus.

Das kleine Video illustriert nicht nur das Verhalten bei der Nahrungssuche am Boden, sondern untermauert zudem den Vergleich, den Johann F. Naumann zwischen gelben Blüten und dem gelben Vögelchen macht – obwohl auf der Wiese an der Wesermündung weder Raps noch Sumpf-Wolfsmilch (Sumpfeuphorbie im Naumann) wächst, sondern Ende April gelber Löwenzahn blüht, Seite 136

Wenn im Frühlinge einer dieser Vögel, besonders das Männchen, auf einem blühenden Rapsstengel oder Sumpfeuphorbienbusche sitzt, so hat die dem Beschauer entgegen gesetzt prächtig gelbe Brust oft eine schönere Farbe als die Blumen jener Pflanzen und nimmt sich, zumal im Sonnenschein, vortrefflich aus.

 

* Ursprünglich wollte ich statt Fototermin mit Schafstelze etwas fetziger Fotoshooting mit Schafstelze titeln, aber braucht es diesen Scheinanglizismus überhaupt? Eher nicht. Und nach der Lektüre von Wikipedia habe ich mich umentschieden.
** Die Begrifflichkeit ist ein Dilemma, darauf hat bereits Hans-Heiner Bergmann in einem unterhaltsamen Text hingewiesen. Oft steht der Vogel – wie auch hier – auf dem Boden oder seiner Sitzwarte. Es ist üblich, bei Vögeln generell vom Sitzen zu sprechen, auch wenn es sich manchmal sogar um ein Liegen handelt …. Dazu Hans-Heiner Bergmann: Vogelbeine. Stehen, sitzen, hocken, Vögel, 2023, Nr. 3, S. 70-73, und kurz zusammengefasst im März 2023 in diesem Vogelblog.
*** Mit Begriffen wie schmutzig oder bleich charakterisiert Naumann allerdings bei anderen Vogelarten durchaus auch das Gefieder männlicher Vertreter.

¹ Hartmut Dittberner, Winfried Dittberner: Die Schafstelze, Die Neue Brehm-Bücherei, Nr. 559, 1984, Wittenberg/Lutherstadt und Magedburg.
² Lars Svensson: Der Kosmos Vogelführer, 2017, Stuttgart
³ Johann F. Naumann: Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. III

(Wiesen)Schafstelze | Bergeronnette printanière type flava | Blue-headed Wagtail | Motacilla flava

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

2 Kommentare

  1. Tolle Fotos, vielen Dank!
    Gruß, Susanne

    Antworten
    • Schön, dass sie dir auch gefallen.

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5 von 824 Kommentaren

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  • Elke Brüser zu Sensibler StocherschnabelDanke Renate für deine Hinweise, und ich werde den Fehler sofort korrgieren. Eigentlich sollte ich die zwei Städte unterscheiden können ...
  • Renate zu Sensibler StocherschnabelVielen Dank für den Blog, den ich seit Jahren mit Freude lese. Und wirklich traurig, dass es die Uferschnepfe in Deutschland so schwer hat. In Brandenburg gilt sie mittlerweile als ausgestorben, die l…
  • Elke Brüser zu Fototermin mit SchafstelzeSchön, dass sie dir auch gefallen.

Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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