Der auf den ersten Blick so unauffällige grau-braune Heckensänger hält eine Überraschung bereit: Er kann sein attraktives Schwanzgefieder plötzlich auffächern und fast senkrecht aufrichten. Der Schwanz, gebildet von den Steuerfedern, hebt sich dann mit seinem auffälligen Rostbraun von dem insgesamt eher matten Federkleid deutlich ab. Zusätzlich springt am Ende der Schwanzfedern ein schwarz-weißes Fleckenmuster ins Auge. Eine natürliche Leuchtreklame.
Ganz anders wirken die mittleren Schwanzfedern. Sie sind nämlich schlicht.
Wenn der Vogel ruhig sitzt, liegen unter ihnen die auffälligen Schmuckfedern mit ihrer schwarz-weißen Zeichnung verborgen.
Das ist kein Zufall, sondern hat System. Es schützt den etwa Nachtigall-großen Vogel.
Mal verborgen, mal exponiert
Der Heckensänger sitzt zwar – wie sein Name verrät – meistens zwischen den Zweigen von Hecken und sucht auf dem Boden nach Nahrung. Doch zum Singen kommt er hin und wieder aus dem Dickicht heraus und nimmt oben auf einem Busch oder einer Hecke Platz.
Auf einer erhöhten Singwarte ist der kleine Sänger natürlich sehr exponiert und präsentiert sein hübsches Schwanzgefieder eher selten. Es geht immer darum, eine Partnerin anzulocken oder Rivalen auf Distanz zu halten und zugleich vor Greifvögeln sicher zu sein.
Wenn der Vogel sein Revier gesanglich markiert, sitzt er möglichst weit oben. Auf Abbildungen sieht man den Heckensänger manchmal auf einem Feigenkaktus (Opuntie) sitzen. Dort ist er zwischen den Stacheln ebenfalls sicher.
Vor allem am Boden, wo der Heckensänger meist hüpfend nach Nahrung sucht, überrascht sein ruckartig aufgestelltes Schwanzgefieder, das sich anschließend langsam absenkt. Das kennen wir von „unseren“ Amseln, wenn sie im Garten auf dem Rasen unterwegs sind: ganz plötzlich bleiben sie mit steil aufgerichtetem Schwanzgefieder stehen, bevor es sich wieder senkt.
Komplizierte Verwandtschaftsverhältnisse
Der Heckensänger macht es den Systematikern in der Biologie nicht leicht. Lange war die Frage, ob es eine osteuropäische und eine westeuropäische Art gibt – nein, man spricht jetzt von Unterarten –, und lange wurde der Heckensänger bei den Grasmücken, zu denen etwa unsere Mönchsgrasmücke zählt – einsortiert.
Aber mittlerweile ist unumstritten: Der Heckensänger gehört in die Gruppe der Schnäpperverwandten (Muscicapidae). Dazu zählen außer dem Rotkehlchen auch Sprosser und Nachtigall, Haus- und Gartenrotschwanz, schließlich die verschiedenen Steinschmätzer.
Kein heimischer Vogel
In Deutschland kommt der Heckensänger praktisch nicht vor. Hin und wieder wird allerdings von Irrgästen berichtet, zum Beispiel von der Vogelwarte Helgoland. Der Grund: An der Nordsee werden durch starken Wind oder Unwetter immer wieder Vögel verdriftet, wenn sie auf dem Zug nach Süden sind und möglicherweise eine falsche Route gewählt haben.
Zum Beispiel tauchte auf Helgoland schon im 19. Jahrhundert, aber auch 1997 ein Heckensänger auf.¹ Zuletzt wurde 2011 einer bei Mellum gesichtet, erfahre ich von Jochen Dierschke, einem Experten für die Vogelwelt auf Helgoland und drumherum.
Auch die Schweizer Vogelwarte berichtet hin und wieder von solchen Irrgästen. Auf der Webseite könnnen wir dem Sänger auch zuhören, weil eine Gesangsaufnahme eingebunden ist.
Das Brutgebiet der Heckensänger liegt in westlichen Mittelmeerländern wie Südspanien und in nordafrikanischen Staaten wie Marokko und Algerien. Außerdem ist Südosteuropa ein bekanntes Brutgebiet der Heckensänger: Von Kroatien und Griechenland erstreckt es sich über die Türkei bis nach Pakistan. Auch in warmen Regionen des Kaukasus lebt der rotgeschwänzte Vogel.²
Und dort im Kaukasus, genauer gesagt in Armenien, an das ich wegen der angeheizten Auseinandersetzungen mit Aserbaidschan derzeit oft denke, sah ich meinen ersten Heckensänger. Er hielt sich in einem Biotop auf, das charakteristisch für ihn ist.
Im Hinblick auf das Habitat des Singvogels zitiere den großartigen Ornithologen Johann F. Naumann, der anschaulich beschrieben hat, welchen „Wohnort“ der Heckensänger im Gegensatz zur bei uns heimischen Nachtigall, die ja ebenfalls das dichte Gebüsch liebt, bevorzugt (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. II, S. 189):
Die Wohnorte … ähneln zwar sehr denen der Nachtigall, doch scheinen sie lieber als diese ein weniger feuchtes Gebiet zu bewohnen; denn sie halten sich … oft in wirklich dürren Gegenden mit nur dürftigem Buschwerk auf…
Das kann ich nur bestätigen. Allerdings gibt es in der Gegend viel Obst- und Weinanbau. Und bekannt ist, dass Heckensänger etwa in Mittelmeerstaaten gerne Olivenhaine, Mandelbaumplantagen und Weinanbaugebiete aufsuchen.
All das sah ich auch hier. Zwischen dem ariden Gebiet nahe Vedi und dem schneebedeckten Ararat auf türkischem Boden zieht sich links und rechts des Grenzflusses Araks ein fruchtbares Agrarland mit kleinflächiger Felderwirtschaft hin. Dort dürfte es genügend Nahrung für den Heckensänger und seine Nachkommen in Spe geben.
¹ Jochen Dierschke u.a.: Die Vogelwelt der Insel Helgoland, 2011, OAG Helgoland
² M.S. Adamian und D. Klem: A Field Guide to Birds of Armenia, 1997, American Univ. of Armenia
Heckensänger | Agrobate roux | Rufous-tailed scrub-robin oder Bush robin| Cercotrichas galactotes
0 Kommentare