Mit einem mächtigen, meist leicht gebogenen Schnabel sind zwei ganz unterschiedliche Vogelgruppen ausgestattet: Die Tukane in Mittel- und Südamerika und die Nashornvögel, deren Verbreitungsgebiet sich von der asiatischen Inselwelt bei Papua-Neuguinea bis an die Westküste von Afrika erstreckt. Von einigen afrikanischen Vertretern, den Tokos, will ich berichten. Denn diese auffälligen Vögel mit sonorer Stimme haben mich schwer beeindruckt. Und es gibt viel über sie zu erzählen.
Zum Beispiel, dass der imposante Schnabel mit seinem leisten-, helm- oder hornartigen Aufsatz gar nicht schwer und lästig ist. Auch nicht bei den großwüchsigen asiatischen Nashornvögeln, deren Schnabelschmuck besonders mächtig ist und die zusammen mit den afrikanischen Vögeln die Familie der Bucerotidae bilden. Denn dieses charakteristische Horngebilde ist praktisch hohl, enthält viel Luft und ist nur mit lockerem Knochengebälk gefüllt.
Jenseits der Sahara
Wenn ich jetzt, im August, von den afrikanischen Nashornvögeln berichte, hat mehrere Gründe:
♦ Es ist gerade ein Jahr her, dass ich gleich vier verschiedene Arten in Namibia bestaunen konnte.
♦ Im Kontext von Recherchen über illegalen Vogelhandel prangte ein afrikanischer Nashornvogel auf der Titelseite des Süddeutsche Zeitung Magazin.
♦ Und im August fliegen bekanntlich viele hiesige Brutvögel nach Süden, um unserem vegetations- und insektenarmen Winterhalbjahr zu entkommen.
Langstreckenzieher wie die Mehl- und Rauchschwalben, wie Nachtigall, Fitis und Kuckuck profitieren vom Insektenreichtum auf der Südhalbkugel. Dass diese Zugvögel am Ziel ihrer Reise auf afrikanische Nashornvögel treffen, ist generell möglich. Aber:
Bei jenen vier Arten, die mir in dem felsigen Gebiet des Brandbergmassivs und in der trockenen Savanne am Rande der Etoshapfanne begegneten, handelte es sich um solche Nashornvögel, die in semiariden – also sehr trockenen – Regionen gut leben können.
Und das ist kein guter Lebensraum für Nachtigall & Co.
Erste Begegnung
Die meisten afrikanischen Nashornvögel – auch Hornvögel genannt – gehören zur Gattung „Tockus“. Sie werden daher üblicherweise als „Tokos“ bezeichnet.
Die ersten Tokos sah ich auf einer Strecke, die zu den Felsgravuren und Felszeichnungen am Brandberg führte. Es waren zwei Monteirotokos. Und sie faszinierten nicht nur wegen ihrer eindrucksvollen Schnäbel, sondern auch wegen der sonoren Stimmen, mit denen sie ihr typisches Ausdrucksverhalten untermalten: den Hals recken.
Ein solch auffälliges Ausdrucksverhalten haben alle Tokos. Es dient dem Paarzusammenhalt und ist Teil der Balz. Es zeigt ein Territorium als besetzt an und kann bei den Arten, die in Gruppen leben, andere zu einer Futterquelle rufen. Generell stärkt es den sozialen Zusammenhalt. Zu dem vokal untermalten Verhalten habe ich einen sehr kurzen Videoausschnitt, der durch fremde Stimmen überlagert ist. Aber immerhin:
Tokos werden mehr als 20 Jahre alt, sind lernfähig und „verstehen sich“ auch mit anderen Arten. Das konnte ich bei diesen Monteirotokos auf sehr unterhaltsame Weise beobachten. Denn nachdem sie den Baum als Aussichtspunkt verlassen hatten, war ständig ein Rotschulterglanzstar in ihrer Nähe. Man schien sich gut zu kennen.
Monteirotokos leben in der trockenen Baumsavanne und dort sitzen oft auf Bäumen, um Ausschau zu halten. Aber das Futter – etwa Heuschrecken und kleine Echsen – suchen sie meist hüpfend am Boden. Trinken müssen sie, wie auch andere Tokoarten, so gut wie gar nicht.
Tokos: Kleine und große Vorlieben
Bei der Familie der Nashornvögel gilt es zu unterscheiden: Manche Arten ernähren sich primär von Früchten. Dazu zählen vor allem die großen Nashornvögel in Indien und dem südostasiatischen Raum. Andere Arten bevorzugen Insekten und anderes kleines „Getier“.
Zur zweiten Gruppe zählen die etwa 30 bis 50 cm großen afrikanischen Tokos, bei denen insbesondere die Arten der trockenen Regionen eine hohe Präferenz für Insekten und andere Gliedertiere, aber auch für kleine Nager und Reptilien wie handliche Echsen oder kleine Schlangen haben.
Welche Nahrung zur Verfügung steht, beeinflusst auch das territoriale Verhalten. Das ist im Handbook of the Birds of the World sehr schön nachzulesen (J. del Hoyo et al, Barcelona 2001, Bd,6, S. 464): Während ein Baum voller Früchte mehrere Vögeln lange satt macht, sind Insekten und andere Kleintiere in semiariden Zonen rar und in der Fläche stark verteilt. Hier lebende Tokos haben ein großes Territorium und sind meist als Paar anzutreffen. Ein vegetarisch lebender Nashornvogel in Indien oder Papua-Neuguinea lebt hingegen in einem quasi grenzenlosen Gebiet und ruft lauthals Artgenossen herbei, wenn er etwa einen fruchtenden Baum entdeckt hat.
Auf meiner Fahrt zum Etosha-Nationalpark war dieser Südliche Gelbschnabeltoko eine kleine Überraschung. Dass er sich hier ein schattiges Plätzchen gesucht hatte, verwundert nicht. Denn diese Tokoart bevorzugt die Baumsavanne als Lebensraum. Rundherum gab es jedoch kaum Bäume, wohl aber Ziegen und damit Insektenkost.
Statt Baumschatten hatte er einen menschengemachten schattigen Ausguck gewählt: Die Beleuchtungsanlage bei einer touristischen Attraktion, dem so genannten versteinerten Wald.
Insektenjagd zu Fuß und im Flug
Im Jahr 2019 hatte es in Nambia wenig geregnet. Zu wenig, wie schon im Jahr zuvor. Im Etosha-Nationalpark waren viele Bäume zwar grün, aber Gras und Buschwerk waren extrem trocken. In der Randzone begegnete mir ein Grautoko, der die Baumsavanne bevorzugt. Denn bei der Futtersuche ist er oft in den Bäumen unterwegs, wo er Käfer und Spinnen findet. Er jagt aber Insekten auch im Flug.
Bekannt sind Grautokos für eine pfiffige Strategie (Handbook of the Birds of the World, a.a.O. S. 493): Bei Buschbränden – die immer noch häufig von der Landbevölkerung gelegt werden – versammeln sie sich in Gruppen am Rand des Feuers und Schnappen sich dort die flüchtenden Insekten und andere Tiere.
Grautokos gehen auch von einem Ansitz aus auf Beutefang. Hat der Vogel etwas erspäht, segelt er zu Boden, um mit der Schnabelspitze zuzuergreifen. Die Beute wird oft etwas hochgeschleudert, um mundgerecht im Schnabel zu verschwinden.
Wie es möglich ist, mit einem mächtigen Schnabel auch kleine Insekten aufzunehmen, hat mir wenig später ein Rotschnabeltoko vorgeführt. Auf diese Nashornvogelart stieß ich im Etosha-Nationalpark gleich mehrmals.
Nicht wählerisch
Rotschnabeltokos suchen meist am Boden nach Nahrung, etwa nach Termiten und Heuschrecken. Mit ihrem Schnabel wühlen sie sogar im Boden nach kleinem „Getier“. Typisch für diese Tokos ist, dass sie im Dung von Ziegen und anderen Säugern nach Insektenlarven oder sonstiger Nahrung fahnden. Und manchmal räubern sie mit ihrem langen Schnabel die Nester von Vögeln wie dem Siedelweber aus.
Am Rande eines Restaurants im Nationalpark zeigte sich, wie anpassungsfähig und flexibel Tokos sind. Hier gab es nämlich Pommes zu stibitzen – und nicht nur die Glanzstare, die sich gerne auf den Tischen niederließen, hatten darauf Appetit.
Mit seiner Beute flüchtete sich der Toko auf einen Baum und ließ es sich, verfolgt von seinem Partner, schmecken. Nachdem er den fettigen Kartoffelschmaus verzehrt hatte, musste er sich übrigens kräftig putzen und wetzte dazu den Schnabel heftig an der Baumrinde.
Tokos & Co: Wenn sie brüten
Die sonderbarsten Geschichten ranken sich um das Brutgeschäft der in Höhlen brütenden Nashornvögel. Und obwohl ich nicht in der Brutsaison in Namibia war, fiel mir eine auf.
Ein Paar Rotschnabeltokos hatte sie offenbar inspiziert, und das Weibchen flog gerade aus der Höhle, als ich vorbeikam.
Inspektionen möglicher Nistplätze finden statt, lange bevor das eigentliche Brutgeschäft beginnt.
Mit intensiver Balz und der Paarung beginnen Tokos hingegen erst, wenn der erste Regen fällt, und zwar aus folgenden Gründen:
Durch den Regen steigt der Insektenreichtum an, was dem Männchen, der das brütende Weibchen und die geschlüpften Jungen füttert, die Arbeit erleichtert. Sind die Jungen groß genug, füttert auch das Weibchen.
Das Einsetzen der Regenzeit ist aber auch deshalb wichtig, weil die höhlenbrütenden Tokos den Eingang zur Bruthöhle auf ein Minimum verkleinern – und das geht besonders gut mit schlammiger Erde.
Von außen baut vor allem das Männchen an der Absperrung. Wenn dann das Weibchen in der Bruthöhle verschwindet, baut sie von innen weiter und nutzt dafür auch Nahrungsreste und Kot, der mit Speichel vermengt wird. Bis zur Eiablage vergeht eine Woche oder mehr. Und es dauerte mehrere Tage bis nach und nach alle drei bis fünf Eier gelegt sind. Danach wird im Minimum drei Wochen gebrütet.
Noch immer kann man lesen, dass das Männchen seine Partnerin einmauert, damit sie nicht verschwindet und „brav“ die Eier ausbrütet. Das ist Unsinn. Wer in einer Höhle brütet, bringt seine Jungen besser durch als ein Vogel, der ein offenes Nest hat. Und wer den Zugang weitgehend dicht macht, ist vor Schlangen und anderen Räubern sicherer.
Ein schmaler Spalt bleibt als Öffnung erhalten, und durch diesen wird zunächst das brütende Weibchen gefüttert, später holt sie dort die Happen ab, die für den Nachwuchs bestimmt sind, und schließlich werden die Jungen durch diese Öffnung versorgt – bis sie endlich ausfliegen.
Besonders erstaunlich ist, was vor dem Ausfliegen passiert: Etwa eine Woche zuvor durchbricht das Weibchen die Absperrung und fliegt hinaus.¹ Aber die Jungen folgen ihr nicht, sondern dichten das Loch mit dem Material, das sie in der Höhle finden, wieder ab. Sie werden nun von beiden Eltern gefüttert.
Mit anderen Worten: Das Brutgeschäft ist bei den Nashornvögeln – und erst recht bei den großen asiatischen Vertretern – eine langwierige und aufwendige Angelegenheit. Und fällt der Regen aus, fehlt es womöglich an Nachwuchs.
Noch sind die afrikanischen Tokos nicht konkret bedroht. Aber weil es durch Abholzungen an Baumhöhlen fehlt, werden ihnen zum Beispiel in Namibia vielerorts künstliche Nistgelegenheiten angeboten – und von den Vögeln angenommen.²
Die langlebigen Nashornvögel mit ihrer niedrigen Reproduktionsrate – also wenig Nachwuchs pro Brutsaison – zu schützen, ist wichtig, Denn sie werden nicht nur traditionell gejagt und gegessen, spielen zudem in vielen Ritualen und der heimischen Medizin eine Rolle, sondern noch immer werden in manchen Ländern Weibchen und Junge den Nestern entnommen und bis nach Europa gehandelt. Auf den ganz miserabel kontrollierten, verbrecherischen Vogelhandel hatte das Magazin der Süddeutschen Zeitung³ hingewiesen – mit dem Titelbild eines Rotschnabeltokos.
¹ Das Weibchen mausert übrigens während der Brutzeit. Der Federwechsel schließt Schwanz und Schwingen ein und macht den brütenden Vogel zwischenzeitlich flugunfähig.
² Der Monteirotoko ist nicht auf Baumhöhlen angewiesen. Er brütet auch in Felsspalten, die es in seinem zentralen Lebensraum, dem Daramaland, häufig gibt.
³ Süddeutsche Zeitung Magazin, Nr.22, 29. 5. 2020, S. 11-19
Familie Bucerotidae | Gattung Tockus
Monteirotoko | Monteiro’s Hornbill | Tockus monteiri
Südlicher Gelbschnabeltoko | Southern Yellow-billed Hornbill | Tockus leucomelas
Grautoko | African Grey Hornbill | Tockus nasutus
Rotschnabeltoko | Southern Red-billed Hornbill | Tockus erythrorhynchus
0 Kommentare