Augen-Blicke

Kopf einer fast weißen Schneeeule: Glasaugen mit tieforangefarbener Iiris und schwarzer Pupille.
Schneeeule mit „lebendigen“ Glasaugen

Zum Naumann-Museum von Köthen in Sachsen-Anhalt treibt es vor allem Menschen, für die Johann Friedrich Naumann¹ als Begründer der Ornithologie Mitteleuropas kein Unbekannter ist. Aber ein Besuch der Ausstellung lohnt https://www.schlosskoethen.de/museen/museum/Naumann-Museumsich für jeden und jede – zu jeder Jahreszeit. Denn außer den Büchern und dem graphischen Werk von Naumann, gibt es hier seine Sammlung von über 1.300 Vogelpräparaten zu bestaunen. Alle Exemplare über 150 Jahre alt und von ihm selbst angefertigt!

Eine Vitrine im Naumann-Museum mit sieben Eulen, unten ein fast weißes Schneeeulenpaar.
Eulen-Vitrine im Naumann-Museum mit Bleiverglasung und im zierlichen Biedermeier-Stil

Darunter sind Arten wie die Schneeeule (Bubo scandiacus), die man mit viel Glück in Skandinavien, Island oder der russischen Tundra zu Gesicht bekommen kann, und darunter sind Arten wie der Riesenalk, der bereits seit 1844 ausgerottet ist. Das hat Naumann, der 1857 starb, also noch erlebt.

Was mich allerdings bei meinem letzten Besuch in Köthen, das man über Halle oder Dessau erreicht, ganz besonders fasziniert hat, waren die Augen der Vögel, die dort in einzigartigen Vitrinen mit mundgeblasenem Glas ausgestellt sind.

Diese Augen sind kleine Kunsthandwerke und von unerwarteter Vielfalt, wie ich von Bernhard Just, dem Leiter des Naumann-Museums, gelernt habe. Der in Halle ausgebildete Biologe erklärt mir

Manche bestehen aus getrockneten und lackierten Wachholderbeeren. Da leuchtet das Auge dann oft tiefblau oder schwarz.

Man findet diese Beeren-Augen am ehesten in Vitrinen mit kleinen Vögeln. Bei den größeren haben Johann Friedrich Naumann und seine Zeitgenossen vielfach Holzperlen als Augenersatz verwendet.

Die wurden glatt geschliffen und angemalt. Ein von Naumann präparierter Seeadler hat solche etwas matten Augen. Es gibt übrigens in derselben Vitrine ein Exemplar mit einem Holz- und einem Glasauge zu entdecken.

Kopf eines ausgestopften Seeadlers mit mächtigem Schnabel und einer Augenprothese aus bemaltem Holz.
Seeadler-Präparat mit bemaltem Holzauge

Erste Glasaugen

Später begann man, Glas einzuschmelzen, zu formen und von hinten passend zu bemalen. Aber solche Augen sind nicht wirklich transparent und sie leuchten weniger als jene Glasaugen, die schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem in Thüringen für Tierpräparatoren und für die Puppenherstellung produziert wurden.

Links eine Reihe von Glasaugen, rechts zugeordnet sind die dazu passenden Eulenarten
Der vergilbten Artenliste in „Makroskopische Präparationstechnik“ von R. Piechocki (Leipzig 1966) wurden passende Glasaugen zugeordnet.

Diese neuen Glasaugen glänzen und leben. Bei den Eulen bestehen sie meist aus schwarzem Glas für die Pupille und einem Ring aus Kristallglas, das von hinten bemalt ist.

Ein markantes Datum ist übrigens das Jahr 1835. Damals wurde das erste Glasauge als Prothese für Menschen, die etwa im Krieg ein Auge verloren hatten, erfunden – und zwar von Ludwig Müller-Uri im südthüringischen Lauscha.

Er blieb nicht der einzige Glasaugenhersteller und nicht alle blieben vor Ort.

Bis heute beziehen sich traditionsreiche Betriebe auf ihren Ursprung in Lauscha. Das Städtchen hatte sich bereits zuvor einen Namen mit seiner Glasaugenproduktion gemacht und natürlich kamen die Glasaugen, die Johann Friedrich Naumann für seine Vogel-Präparate verwendete, auch von dort.

In einer Vitrine zur Präpariertechnik sind im Köthener Museum verschiedene Glasaugen aus Lauscha ausgestellt. Um sie im ausgestopften Vogelkörper zu verankern, sind sie bereits mit einem Draht versehen. All diese Ersatzaugen stammen aus dem Museum für Glaskunst, das heute sehr elegant renoviert ist und zur Zeit der DDR auch die Produkte diverser Glasbläser aus der Region vermarktete.

Rund 50 Glasaugen mit Draht zum Verankern, die aus dunkler Pupille oder aus dunkler Pupille und heller Iris bestehen.
Glausaugen aus Lauscha

Hohe Spezialisierung

In Lauscha gibt es auch heute noch Manufakturen, die Puppen-, Teddybären- und sonstige Glasaugen herstellen und vertreiben. Was allerdings die Vogelaugen angeht, so ist die Spezialisierung ständig vorangeschritten und weltweit diversifiziert. Bernhard Just weiß

Da gibt es den Anbieter, der nur Greifvogelaugen produziert, während ein anderer sich auf Limikolen spezialisiert hat.

Vielleicht noch das: Das Naumann-Museum im Schloss von Köthen ist in vielfacher Weise einmalig. Damit meine ich nicht nur die Ausstellungsräume und Vitrinen im Stil des Biedermeier, die Naumann 1835 – so wie sie sind – persönlich eingerichtet hat, sondern auch den Eintrittspreis von 3,50 € für Erwachsene. Kinder bis 14 Jahre haben freien Eintritt.

Altes vierstöckiges Schloss mit dunklem Turm und Ziegeldach hinter Bäumen und Brombeerranken
Köthener Schloss, in dem seit 1835 die Vogelsammlung von Johann F. Naumann untergebracht ist.

Es erwartet alle, die nun hoffentlich neugierig geworden sind, ein etwas verwunschenes, durchaus renovierungsbedürftiges Schloss – und 75 Stufen bis in den Vogelhimmel. Wer dort oben ankommt, erlebt höchst ungewöhnliche Augenblicke.

Schwarzer Schriftzug "Naumann Museum" mit rotem Pfeil an der bröckelnden Schlosswand


¹Johann Friedrich Naumann hat im 19. Jahrhundert unsere Vogelarten in ihrem Äußeren, ihrem Verhalten und ihrem Lebensraum anschaulich beschrieben und graphisch festgehalten. Sein Werk „Naturgeschichte der Vögel Deutschlands“ (erschienen ab 1820) baut auf der Arbeit seines Vaters auf und wurde vor allem als „Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas“ in der überarbeiteten Neuauflage (erschienen 1897 – 1905) berühmt.



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2 Kommentare zu “Augen-Blicke

  1. Schönes Museum. Das mit den Glasaugen aus Lauscha ist kein Zufall: Lauscha ist bekannt für seine Glasmanufakturen und gilt (laut Wikipedia) als Ort wo der Weihnachtsbaumschmuck aus Glas (Kugeln) erfunden wurde. Es gibt auch einen Kinofilm, in dem das thematisiert wird, und tatsächlich stellt der Lover der Heldin Glaskugeln für die Charite in Berlin her. http://www.badische-zeitung.de/computer-medien-1/die-glasblaeserin-im-zdf-emanzipation-in-lauscha–130992489.html

    https://de.wikipedia.org/wiki/Lauscha#Kultur_und_Sehensw.C3.BCrdigkeiten

    1. Das ist ein toller Tipp, Marcus. Ich hoffe, der Film „Die Glasbläserin“ wird in der Vorweihnachtszeit wieder im tv gezeigt. Und eine Fahrt zu den Glasmanufakturen und dem Museum in Lauscha habe ich natürlich schon geplant. So bringen einen die Vögel auf ganz neue Ideen … und im Winter nach Süd-Thüringen.

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