Rotes Langbein

Langschnäbliger Vogel mit roten Beinen auf einem Pfahl

Rotschenkel tragen ihren Namen zu Recht. Wirklich wundervoll leuchten ihre langen roten Beine, wenn sie im Frühjahr an der deutschen Nordsee- oder Ostseeküste eintreffen. Die meisten Rotschenkel verbringen den Winter süd-westlich von uns: im Wattenmeer der Niederlande oder an der französischen Atlantikküste, auch am Mittelmeer – etwa in der Camargue. Viele andere ziehen nach Westafrika. Diese Weitstreckenzieher fliegen aus Nordeuropa bis an die Küste von Marokko und Mauretanien.

Dabei ist der Rotschenkel ein eher zartes Geschöpf. Nur drosselgroß. Aber auf seinen langen Stelzenbeinen und mit seinem schmalen Stocherschnabel wirkt er gößer. Männliche und weibliche Rotschenkel unterscheiden sich äußerlich kaum – aber durchaus im Gewicht: die Damen sind schwerer als die Herren, wobei ein Vogel zwischen 100 und 200 Gramm wiegen kann.

Neben einer schwarzhalsigen großen Ringelgans steht im Gras ein eleganter Vogel mit langen, roten Beinen
Rotschenkel neben einer Ringelgans auf Hallig Hooge

Ein Zugvogel sein

Wie bei anderen Zugvögeln auch, schwankt das Gewicht im Jahreslauf erheblich. Denn vor dem kräftezehrenden Flug ins Winterquartier haben sie sich möglichst viel Fett angefuttert und sind schwer. Wenn sie dort ankommen, sind sie in der Regel besonders leichtgewichtig.

Vogel mit spitzzulaufenden Schwingen vor blauem Himmel
Kein Weitstreckenflug: entspanntes Segeln an der Nordseeküste

Ziehende Rotschenkel, die an Rastplätzen nicht genug Futter finden, sind bei ihrer Landung an der westafrikanischen Küste total erschöpft. Wer kräftig genug ist, fängt sofort an zu fressen, ruht dann und frisst in den nächsten Tagen unermüdlich weiter. Manche fallen nach der Ankunft am Strand jedoch sofort in den Schlaf, werden leicht die Beute von Greifvögeln oder Schakalen, sterben womöglich an Erschöpfung oder erholen sich soweit, dass sie sich nach dem Aufwachen den Magen füllen können.

Bei erschöpften Zugvögeln sind nicht nur sämtliche Fettreserven aufgebraucht, auch die Muskulatur ist stark abgebaut – also das Protein als Energielieferant ist „verbrannt“ worden. Das haben Arnd Stiefel und Horst Scheufler in ihrer ausführlichen Monographie Der Rotschenkel (Die Neue Brehm-Bücherei, 1984, A. Ziemsen/VerlagsKG Wolf) ausführlich beschrieben und zudem darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig Rastplätze zum Auftanken sind.

Während des Zuges vollbringen Rotschenkel immense Flugleistungen und verbrauchen das meiste Fett. Sie sind darauf angewiesen, in geeigneter Entfernung günstige Nahrungs- und Rastplätze zu finden, um zu überleben. Durch Eingriff in die Landschaft können diese Rastplätze völlig unbrauchbar werden… Wenn ein traditionelles Rastgebiet durch Umwelteinflüsse plötzlich verschwunden und in erreichbarer Entfernung kein anderes vorhanden ist, kann das zur Katastrophe für die durchziehende Brutpopulation führen.

Was die Hallenser Ornithologen hier beschrieben haben, gilt nicht nur für die Rastplätze von Durchzüglern auf dem Weg in ihre Winterquartiere und von dort zurück. Generell wurde durch Moorentwässerung und eine Intensivierung der Landwirtschaft vielen Rotschenkeln der angestammte Lebensraum im norddeutschen Tiefland „geklaut“. Der Bestand brütender Rotschenkel brach ein. Nur in Küstenregionen konnten sich die Bestände durch gezielte Schutzmaßnahmen erholen. (Atlas Deutscher Brutvogelarten, ADEBAR 2014, S. 260)

Vogel mit langen roten Beinen beim Landen über einer Wiese
Rotbeiniges Kurvenfliegen über dem Deichvorland im Nationalpark Wattenmeer

Beobachtungen an der Nordsee

Rotschenkel sind Watvögel – auch Limikolen genannt – wie der Große Brachvogel, die Pfuhlschnepfe und der kurzbeinige Steinwälzer. An der Nordsee, genauer an der Wesermündung, wo ich als gebürtige Bremerhavenerin Jahr für Jahr die gefiederten Sommergäste im Wattenmeer besuche, begrüßen uns die Rotschenkel mit ihrem Flöten, bevor wir sie überhaupt sehen.

Für das Brutgeschäft suchen sie sich versteckte Orte zwischen Deich und Meer, aber auch im Marschland hinter dem Deich. Auf den saftigen Wiesen finden sie Insekten und deren Larven, Schnecken und Regenwürmer. Auch Wasserpflanzen und Krebse wurden in ihren Mägen gefunden.

Vogel von hinten mit ausgebreiteten Schwingen über einer grünen Wiesen
Landeanflug über Wiesen: unübersehbar sind die roten Beine.

Im Wattenmeer der Nordsee lässt sich wunderbar beobachten, wie sie im Schlick emsig nach Ringelwürmern, Muscheln und Krebstieren suchen, sobald sich bei Ebbe das Wasser zurückzieht. Auf langen Beinen und mit langem Schnabel stochern Rotschenkel dann im Wasser und im Modder. Schwimmen können sie übrigens ebenfalls. Auch die Jungen!

Bräunlicher Vogel landet mit ausgebreiteten flügel auf bräunlichem Wattboden
Landung im Watt: charakteristisch die weißen Flügelränder und das weiße Feld über dem aufgefächerte Schwanz

Ringelwürmer der Art Arenicola marina fressen sich durch den Wattboden und hinterlassen viele Häufchen als Ausscheidung. Solche Wattwürmer beleben das Watt und sind eine wichtige Nahrung der Rotschenkel an der Nordseeküste.

An der Nordsee stürmt es natürlich fast immer. Der Wind sorgt hier für die „echte” Athmosphäre.

Rotschenkel mit Standorttreue

Schon früher habe ich erwähnt, dass es sich für Vogelbegeisterte lohnt, wieder dorthin zu gehen, wo wir eine bestimmte Vogelart bereits entdeckt haben. Wahrscheinlich trifft man sie wieder an, denn Vögel sind standorttreu. Das ist für die Gefiederten kräftesparend, ökonomisch: Sie wissen so, was das Habitat an Nahrung und Schutz zu bieten hat.

Hölzerne Hütte steht erhöht auf einer Art Deich.

Alljährlich sehe ich Rotschenkel von dieser Beobachtungshütte aus und höre sie schon auf dem Weg dorthin flöten.

Gepunktete Stare, gelbe Schafstelzen, schwarzköpfige Rohrammern und Wiesenpieper sitzen hier regelmäßig auf den Zaunpfählen. Turmfalken  kreisen über ihnen, auch Rohrweihen suchen Beute.

Vom Beobachtungsstand blickt man auf eine Wasserstelle mit flachen Ufern und einer Sandbank. Rotschenkel und andere Watvögel brüten hier, lassen sich bei der Gefiederpflege, beim Baden und Ruhen beobachten.

Dazu habe ich hier vier Fotos – aufgenommen aus großer Entfernung – als Galerie eingestellt. Auch diese Fotos lassen sich durch Anklicken vergrößern. Außerdem gibt es einen Videoausschnitt.

Nun derselbe Vogel im Aktion, und am Ufer ruhen drei Artgenossen:

 

Sonderbares Territorialverhalten

Bereits 2019 haben mich zwei Rotschenkel amüsiert, die offensichtlich dabei waren, die Grenze ihres Territoriums auszufechten. Dieses Verhalten, nämlich nebeneinander her laufen, sich gegenseitig überfliegen und also eine Art Wettrennen zu veranstalten, ist nicht nur für Rotschenkel beschrieben, sondern unter anderem auch für Bruchwasserläufer. Es wird als Drohlaufen bezeichnet, lese ich in der Monographie Der Rotschenkel (S. 72).

Wie auf einer Rennbahn liegt einmal der eine, dann der andere vorn. Dieses Laufen endet meist mit dem Ausweichen oder der Flucht des Unterlegenen.

 

Ein rotschenkel flattert an dem anderen vorbei
Landen nach dem Überfliegen
Zwei Vögel laufen nahbeieinander mit großen Schritten
Nach dem Überfliegen wird gemeinsam weitergelaufen.

Den Vögeln beim Drohlaufen zuzuschauen, ist wirklich unterhaltsam. Es zeigt darüberhinaus: Obwohl Rotschenkel einander durchaus attackieren können, werden in der Regel territoriale Konflikte so ausgetragen, dass der Artgenosse ohne Schaden davon kommt. Er soll ja nur vertrieben werden, also abhauen.

 

Kopfnicken und mehr

Kürzlich war ich offenbar zufällig in die Nähe eines Nestes geraten. Denn aus dem Uferbewuchs eines Wassergrabens flog ein Rotschenkel auf und landete auf einem Zaunpfahl am Wegrand. Da hatte er gewissermaßen einen Kontrollposten bezogen; von einer „Warte” sprechen wir in der Verhaltensbiologie.

Rotbeiniger Vogel auf einem Pfahl vor grüner Wiese
Solche Zaunpfähle am Weg sind ideale Warten

Kritische beäugte mich der Vogel und machte dann das, was Rotschenkel so machen, wenn sie sich gestört fühlen: Nicken. Dieses auffällige Verhalten wird auch als Kopfnicken oder als Nickkoppen bezeichnet, schreiben Arnd Stiefel und Horst Scheufler in ihrer Rotschenkel-Monographie (S. 64):

Wenn ein Rotschenkel sich über etwas aufregt, auch wenn er abfliegen will, vollführt er nickende Bewegungen. Dieses Nicken wird … als Nickkoppen bezeichnet und findet sich auch bei verwandten Arten.

Was sollte ich tun? Der Rotschenkel saß auf einem Pfahl, der den Weg zur Beobachtungshütte markiert. Dort wollte ich hin… Also ging ich langsam ein Stück weiter. Das brachte den Vogel noch mehr auf. Er warnte mit dem arttypischen „tjik tjik tjik “ und flog schließlich davon.

Mein Aufenthalt in der Beobachtungshütte war jedenfalls lohnend: Austernfischer, brütende Säbelschnäbler und eine kleine Gruppe von Rotschenkeln, zu der sich überraschend ein Dunkler Wasserläufer gesellte. Aber über diesen speziellen Gast berichte ich ein anderes Mal.

Rotschenkel fliegt vor blauem Himmel weg
Abflug eines Rotschenkels mit den arttypischen drei weißen Feldern im Gefieder

Rotschenkel | Chevalier gambette | Common Redshank | Tringa totanus



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