Pfuhlschnepfen im Transit

Etwa 20 langschnäblige Vögel segeln über dem Meer, im Hintergrund eine Hallig und weiße Windkraftanlagen
Pfuhlschnepfen vor einer Hallig an der Nordsee

Wenn eine Formation Kraniche über Berlin hinweg zieht, dann ist Zugvogelzeit. Wer Ohren dafür hat, hört als erstes ihre Rufe. Auch Gänse fliegen manchmal über das Häusermeer – Richtung Südwesten, wenn die Tage kürzer werden, und nach Nordosten, wenn der Frühling naht. Aber die Watvögel, für die Deutschland ein Transitland ist, lassen sich am Himmel über der Millionenstadt nicht blicken. Wer ihnen begegnen möchte, begibt sich am besten an die norddeutsche Meeresküste.

Ein großer Schwarm Pfuhlschnepfen am Himmel, und auf dem Meer ein einsames weißes Segelboot.
Pfuhlschnepfen im Landeanflug über einer Buhne, auf der sie rasten können.

Erschöpfte Durchzügler

Im Wattenmeer der Nordsee kann man zur Zugzeit Vögel und Vogelschwärme beobachten, die als Durchzügler kommen. Sie erscheinen im Frühjahr auf ihrem Weg nach Norden, wo sie vor allem in den Heide- und Tundragebieten nahe am Polarkreis für Nachwuchs sorgen, und sie passieren ab September erneut Deutschland – auf dem Weg nach Süden.

Diese Durchzügler sind im Transit. Sie machen nach einem kräftezehrenden Flug im Wattenmeer nur Zwischenstopps: Sie tanken auf, wie Vogelkundige sagen.

Auf einer Buhne aus Stein stehen eine helle weibliche Pfuhlschnepfe und eine männliche mit rötlicher Unterseite.
Eine weibliche und eine männliche (rötlich) Pfuhlschnepfe auf einer Buhne im nordfriesischen Wattenmeer.

Zu diesen Zugvögeln gehört die wunderbare Pfuhlschnepfe, deren Brutgebiet hoch im Norden zwischen Nordnorwegen und Sibirien liegt. Bei milden Wintertemperaturen bleiben die Vögel teilweise im Wattbereich der Niederlande und Norddeutschlands. Wird es kälter, ziehen immer mehr längs der Atlantikküste nach Westafrika, um dort zu überwintern. Das ergibt dann eine Flugstrecke von 4.000 km pro Richtung!

Acht Pfuhlschnepfen auf dem Wattboden, vier davon rotbäuchige Männchen. Sie suchen im Spülsaum nach Futter.
Im Wattboden wird nach Würmen, Krebschen und Weichtieren gestochert.

Pfuhlschnepfen, die wie der Große Brachvogel mit langem Schnabel stochern, konnte ich mehrfach bei der Nahrungsaufnahme und in verschiedenen Schwarmformationen an der Nordseeküste beobachten.

Rund 250 Pfuhlschnepfen fliegen im dichten Schwarm am Himmel.
Pfuhlschnepfen im dichten Schwarmflug

Das ist zur Zugzeit definitiv keine Kunst. Denn während Vögel, die nachts ziehen, eher als Einzelreisende unterwegs sind, fliegen tagsüber ziehende Vogelarten in der Regel  im Schwarm.

Sie gehen damit „auf Nummer sicher“: Mehr Augen sehen mehr Gefahren, entdecken zuverlässiger potenzielle Nahrungsquellen und können den Attacken von Greifvögeln leichter entkommen.

Wie sie das bewerkstelligen und den attackierenden Greif in die Flucht schlagen, hat der Biologe und Vogelflugforscher Georg Rüppell einmal ganz wunderbar beschrieben (Vogelflug, rororo, Reinbek 1980, S. 145)

Ein großer dunkler Vogel erscheint: ein Greif. Der Schwarm strömt auf ihn zu, seine Spitze ballt sich zusammen. Die Vögel stoßen auf den Raubvogel und umfließen ihn. Heftig rudert der eingeschlossene Räuber mit den Flügeln, läßt sich fallen und wird in der dunklen Landschaft unsichtbar.

Unterschiedliche Formationen

Betrachtet man Vogelschwärme öfter, dann fasziniert anfangs vor allem die Menge der Vögel, die sich wie ein einziger Körper bewegen und mal ihre helle oder farbige Unterseite zeigen, mal im Blau des Himmels verschwinden, bevor schließlich eine meist bräunlich gescheckte Oberseite erkennbar wird. Mit der Zeit fielen mir aber noch andere Unterschiede auf:

Rund 200 Vögel fliegen am blauen Himmel in langgestreckter Formation.
Ziehende Goldregenpfeifer in langgestreckter Formation
Ein Schwarm Pfuhlschnepfen über dem Meer und vor den Häusern einer Hallig.
Aufgeschreckte Pfuhlschnepfen in einer „Wolke“

Oft fliegen Zugvögel in gestreckter Formation und eindeutig in eine Richtung. Sie wollen „Strecke machen“, vorankommen.
Viele Schwärme fliegen tief und parallel zur Küste, praktisch über dem Spülsaum, wo die Wellen am Strand auslaufen. Hier können sie sich jederzeit niederlassen und auftanken, also im Boden nach Nahrung stochern.
Außerdem entstehen wolkenähnliche Schwärme, wenn Watvögel kurz auffliegen und in einem Bogen zurückkehren, um sich am selben Ort – wieder niederzulassen.

Ein große Gruppe Pfuhlschnepfen schläft mit Schnabel unter den Flügeln auf einer Buhne
Schlafen auf einer Buhne

Kräftezehrendes Auffliegen

Solche kurz aufliegenden Gruppen wurden aufgeschreckt, zum Beispiel durch einen Greif, einen Fuchs oder einen Menschen, der ihnen – vielleicht mit Hund – zu nahe kam. Für die Durchzügler sind solche ungebetenen Gäste ein Problem, denn jedes Auffliegen kostet sie Energie …. und die brauchen sie eigentlich für ihre Langstreckenflüge. Mit anderen Worten: Bitte behutsam annähern, oder einfach ins Gras setzen und abwarten. (Wieder lassen sich am PC alle Fotos durch Anklicken vergrößern.)

Das kurzzeitige Auffliegen habe ich oft beobachtet und nicht immer war mir der Anlass klar. Meist ist es aber so, dass die Vögel auf einer Buhne „dösten“ beziehungsweise am Spülsaum nach Nahrung suchten. Und dann hat sie irgendetwas beunruhigt, genauer gesagt: Einige waren beunruhigt, flogen auf und zogen andere mit.

Manchmal bleiben einige Individuen allerdings sitzen, wie das Paar, das weiter oben abgebildet ist. Sicher haben auch Vögel unterschiedliche Gemüter und Erfahrungen, oder die Gefahr ist schon vorbei, bevor die knappe Info bei den letzten einer Gruppe angekommen ist.

Abstimmung in der Gruppe

Darüber, wie sich Vögel beim Auffliegen und im Schwarm abstimmen, ist schon viel geforscht worden, aber zahlreiche Fragen sind weiterhin offen.

Am hell und dunkel bewölkten Himmel fliegen rund 30 Pfuhlschnepfen.

Gut untermauert ist, dass die jeweiligen Nachbarn maßgebend sind: Fliegen sie auf oder machen sie einen Schwenk, dann springt die Information binnen weniger Millisekunden über. (Bild der Wissenschaft, Die unbekannten Flugobjekte) Da wird also nicht groß nachgedacht. Wir können es uns vielleicht wie einen kommunikativen Reflex vorstellen.

Bis zu sieben Nachbarn soll ein einzelner Vogel im Auge haben können und von deren Manövern sein Verhalten blitzschnell triggern lassen. Und: Generell ist bei Vogelschwärmen die Tendenz stark, ins Zentrum zu fliegen. Das wundert nicht, denn es verhindert ein Auseinanderdriften der Vögel, sorgt also für den Zusammenhalt der Gruppe.

Grßer wegfliegender Vogelschwarm am Himmel.
Abflug in die Ferne

Pfuhlschnepfe | Barge rousse | Bar-tailed Godwit | Limosa Lapponica



Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

4 Kommentare zu “Pfuhlschnepfen im Transit

  1. Hallo Frau Brüser,
    sehr beeindruckend und mit viel Liebe berichtet.
    Wo an der Nordsee hat man wann gute Chancen eine Pfuhlschnepfe im Prachtkleid zu sehen?
    Liebe Grüße
    Wolfgang

    1. Guten Morgen Herr Stürzbecher,
      mit den konkreten Tipps ist das immer schwierig. Generell dort, wo das Land in Meer übergeht, und zwar am Watt. Gerade am Rand von Prielen sah ich sie öfter stehen. Mehrfach beobachtete ich sie in Hafeneinfahrten, wo sie im Schlick stocherten. Damit meine ich kleine Hafeneinfahrten, wo Segler oder Krabbenkutter anlegen.
      Viel Erfolg, wünsche ich Ihnen!

  2. Eine sehr interessante Darstellung und Information über diese Watvögel und ihr Schwarmverhalten. Hat mir gefallen !!! Ich komme leider nicht an die Küste, aber dafür zum Gülper See, wo sich jetzt auch vieles anbahnt. Noch kann
    man die Rohrweihen dort gut beobachten !

    1. Danke Gabriele für deine Rückmeldung, vielleicht treffen wir uns am Gülper See. Kürzlich war ich übrigens im Zoologischen Garten, um mir endlich die Kolonie der Graureiher anzusehen, von der du mehrfach erzählt hast. Faszinierend, und es gab kleine Konflikte mit einem Pelikan, der sich gerne auf der Insel ausruhen wollte, wo schon ein Graureiher stand. Ich war vor allem erfreut die Gaukler in einem größeren Freifluggehege zu sehen. Da hat sich in den letzten Jahren doch einiges sehr positiv entwickelt.

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