Die gelbe Stelze

28. Juni 2017 | Kleine Vögel | 4 Kommentare

Männliche Schafstelze mit Futter im Schnabelfürdie Jungen.

Vater Schafstelze kommt mit Futter für die Jungen

Wer kennt nicht die schwarz-weiße Bachstelze mit ihrem auf und ab wippenden langen Schwanz. Weniger bekannt ist vielen die gelbe Stelze, um die es hier geht. Es ist die sogenannte Schafstelze. Ein agiles Pärchen kümmerte sich auf einer feuchten Wiese mit allerlei kleinem Getier um seinen Nachwuchs, als ich am Rand der Wesermündung nach fliegenden Überraschungen Ausschau hielt. Im letzten Herbst hatte ich zwischen Bremerhaven und Cuxhaven – in einem Abschnitt des Nationalpark Wattenmeer – übrigens den Großen Brachvogel entdeckt. Es war ein wunderbarer Trupp von über 30 Vögeln.

Männliche Schafstelze steht auf einem Holzzaun und singt

Rastplatz und Singwarte der Schafstelze

Auf dem schmalen Pfad zur Beobachtungshütte fiel mir die leuchtend gelbe Stelze mit bräunlichem Rücken und bräunlichen Flügeln sofort ins Auge. Sie erinnerte mich an die Zitronenstelze, die ich kürzlich in Weißrussland gesehen hatte.

Große Verwandtschaft

Von der heimischen Schafstelze gibt es zwischen den Britischen Inseln und Sibirien mindestens 10 Unterarten, von denen jede etwas anders gefärbt ist und die so schöne Namen haben wie Maskenschafstelze (auf dem Balkan) oder Aschkopf-Schafstelze (in Italien). All das verrät mir der Kosmos – Vogelführer von Lars Svensson (2017).

In der Regel sind die weiblichen Tiere sanfter gefärbt als ihre Partner und daher beim Brüten, was ihr Job ist, auch unauffälliger.

Ich hatte jedenfalls ein intensiv gefärbtes Männchen vor der Linse, das langbeinig und äußerst elegant auf einem Zaunpfahl stand. Als Schafstelze, Kuh-, Wiesen- oder Viehstelze wird die Art deshalb bezeichnet, weil sie gerne in der Nähe von Schafen oder Kühen lebt, denen sie manchmal sogar Insekten vom Rücken pickt.

Scharz-weiße Kühe auf einer Wiese, vor dem blauen Horizont.

Die Schwarz-Weißen sind bei der Schafstelze als Nachbarn beliebt.

Auch an der Wesermündung war das Vieh ganz in der Nähe, wurde aber von den Stelzen nicht direkt angeflogen. Offenbar fanden sie auch so genug Futter für ihre Jungen, die verborgen in der Wiese auf Nachschub warteten.

Die Verbindung von Vieh und Schafstelze hat Alfred E. Brehm (Brehms Tierleben, 1900, Leipzig und Wien, Bd. 4, Die Vögel) sehr schön beschrieben, Seite 242

Im ganzen Norden sind die Schafstelzen Sommervögel, welche viel später als die Bachstelzen, frühesten im Anfange, meist erst gegen Ende des April und selbst in den ersten Tagen des Mai einwandern und im August, spätestens im September, ihre Winterreise antreten. Während des Zuges gewahrt man sie auch in Gegenden, in denen sie nicht brüten, da jede größere Viehherde sie anzieht und oft während des ganzen Tages festhält.

Auf Futtersuche

Schafstelzen leben von Insekten, Spinnen, kleinen Würmern und Schnecken. Schmetterlinge und Libellen werden vor dem Verzehr bearbeitet, zum Beispiel die Flügel abgetrennt. Das schreiben Hartmut und Winfried Dittberner zur Futtersuche der kleinen Vögel (Die Schafstelze, Neue Brehm-Bücherei, 1984, S. 77)

Die Stelzen laufen an Uferrändern, auf Schlickflächen oder auf trockenem Boden zwischen Gräsern, Saaten oder anderen Pflanzen. Sie picken dabei ständig in die verschiedenen Richtungen und nehmen animalische Kost vom Boden auf, lesen sie von Halmen, Blättern und anderem mehr ab.

Grafik mit den Insekten, Würmern und Weichtieren, die vonSchafstelzen gefressen werden.

Grafik aus Die Schafstelze, 1984, Neue Brehm-Bücherei (S. 95)

Zwar ist die Schafstelzen“frau“ für das Brüten alleine zuständig, aber wenn die Jungen geschlüpft sind, gehen beide Eltern auf Futtersuche für ihre Jungen – meist fünf oder sechs an der Zahl.

Die eher blasse Schafstelzen-Mutter kommt mit einem Schnabel voll Futter und sitzt im hohen Gras.

Die eher blasse Schafstelzen-Mutter kommt mit einem Schnabel voll Futter.

Stelzenfreundschaft

Was mich besonders faszinierte war die Nähe zu einer anderen Stelzen-Verwandtschaft: den Wiesenpiepern. Beide Arten saßen immer wieder in unmittelbarer Nähe beisammen – schienen sich gut zu kennen und zu akzeptieren. Wenn sie nicht gerade den Nachwuchs versorgten, hockten sie auf den Zaunpfählen, um sich zu putzen, zu singen oder erneut in die Umgebung zu starten.

eine männliche Schafstelze und drei Wiesenpieper sitzen auf eien alten Holzzaun.

Schafstelze und in geringem Abstand dahinter drei Wiesenpieper

Auch Hartmut und Winfried Dittberner, die an der Oder die Schafstelzen und ihr Habitat ausgiebig erforscht haben, beschreiben das erstaunlich einträchtige Nebeneinander, Seite 78

Wir sahen Schafstelzenmännchen und Wiesenpieper unmittelbar nebeneinander auf einer verzweigten Singwarte.

Nah beieinander auf einem alten Zaun sitzen eine Schafstelze und ein Wiesenpieper.

Schafstelze und Wiesenpieper einträchtig wie alte Freunde

Außerdem fanden die beiden Forscher, dass Wiesenpieper wie auch Kiebitz und Rohrammer oft nur wenige Meter entfernt von Schafstelzen brüten. Bei solchen Brutnachbarschaften kommt es allerdings manchmal zu Kabbeleien, weil ein Vogel bei der Futtersuche dem Nest eines anderen zu nahe kommt. Das geschieht jedoch vorallem, wenn im Frühjahr die Territorien neu besetzt werden.

Von solchen Konflikten bemerkte ich nichts, obwohl ich eine ganze Weile dem Treiben der kleinen Wiesenbrüter zuschaute. Dank Nationalpark-Schutz haben sie hier gute Überlebenschancen und finden am Boden sichere Brutplätze.

Und warum der Name?

„Schafstelze“ ist ein von C.L. Brehm – dem Vater von Alfred E. Brehm – erfundener Kunstname. Der wissenschaftliche lateinische Name stammt von Linné und lautet Motacilla flava. Übersetzt ist das die gelbe (flava) Schwanz (cilla) wipperin (mota von movere = bewegen).

Das Schreiten der gelben Schwanzwipperin und anderer Stelzen – also der Motacilla-Verwandtschaft – hat Alfred E. Brehm so treffend beschrieben, dass ich es unbedingt ergänzend zitieren möchte, Seite 236

Ihre Bewegungen sind zierlich und anmutig. Sie gehen gewöhnlich schrittweise, bedachtsam, nicken bei jedem Schritte mit dem Kopfe und halten dabei den langen Schwanz wagerecht oder ein wenig erhoben, bewegen ihn aber, ihren wissenschaftlichen Namen bethätigend, beständig auf und nieder.

Übrigens greift der englische Name „wagtail“ den wippenden Schwanz auf und der französische Name „bergeronette“ stellt – so wie der deutsche – einen Bezug zu den Schafen her: le berger ist der Schäfer.

Schafstelze fliegt vom Zaun ausRichtugn Wiese. Man sieht sie flügelschlagend von hinten.

Und tschüss.


Schafstelze | Bergeronette printanière | Western Yellow Wagtail | Motacilla flava

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

4 Kommentare

  1. Bei uns sind die gelben Stelzen schon da. Im Januar! Sie picken auf der Wiese und auf unserem Parkplatz herum. Es gibt doch jetzt keine Insekten. Wie ernähren sie sich denn?

    Antworten
    • Es gibt eine ganze Menge Insekten, die wir nicht bemerken. Sie sind bodennah unterwegs (wie die nicht zu den Insekten gehörenden Spinnen), oder haften als Ei oder Puppe an der Vegetation. Dazu gibt es in der Erde oberflächlich Würmer, wenn der Boden nicht gefroren ist. Und bei wärmeren Temperatur schlüpfen die Insekten ja auch früher.
      Also, ich drücke diesen Schaftstelzen die Daumen, dass das Futter reicht und es keinen massiven Wintereinbruch gibt.

  2. Hallo !
    Wir haben heute den 8.12.20. Seit mehreren Tagen höre ich Geräusche von 2 Viehstelzen auf unserem Mühlendach an der Jeetze bei Kuhfelde im Kreis Salzwedel. Diese Vögel waren auch die letzten Jahre im zeitigen Frühjahr hier zu sehen. Es hat sich ja durch Klimaerwärmung vieles geändert.
    MfG Jörg Harthun

    Antworten
    • @ Jörg Vielen Dank für Deinen Hinweis darauf, dass die Viehstelze – auch Schafstelze genannt (Motacilla flava) – möglicherweise den Winter immer öfter bei uns verbringt. Eigentlich ziehen diese Stelzen nach Afrika. Es könnte allerdings durchaus sein, dass die Stelzen auf deinem Mühlendach aus dem hohen Norden kommen – und entweder Durchzügler sind oder ihre Reise bei uns schon endet. Das ist vor allem eine Frage der Insekten, die die Vögel finden. Es wäre schön, wenn Du uns auf dem Laufenden hälst. Meine Frage: Bleiben die Stelzen den ganzen Winter – oder sind Sie irgendwann weg?
      Ich beobachte bei mir zur Zeit einen Schwarm Stare, der schon lange hier durch die Gärten und über die Häuser fliegt. Die Stare sättigen sich immer um die Mittagszeit an den Mehlwürmern an meiner Futterstelle auf dem Balkon. Wie lange sie noch hier bleiben, ist ebenfalls eine spannende Frage.

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Abo-Werbung für den Blog "Flügelschlag und Leisetreter" mit einem Specht, ein Kunstwerk von M. Garff

Vogelthema gesucht?

Gut sortiert

5 von 796 Kommentaren

Alle sind vollständig unter dem zugehörigen Blogbeitrag zu lesen.

  • Claudia Lochmann zu Die bodenständige AmmerSchöne Fotos und nun weiß ich, wer heute meine Futterstelle besucht hat. Fallen auf, nicht nur durch die Färbung, sondern auch, weil sie am liebsten am Boden herum picken. Nun kann ich 8 Exemplare mei…
  • Marie zu Die Schnee-AmselHallo, auf der Suche nach einer Biberburg zu den Biberbissspuren haben wir auch eine gesehen, und dachten aus der Ferne zunächst an einen entflogen Ziervogel. Mit Fernglas und Geduld haben wir ihn dan…
  • Elke Brüser zu Rostrot geschmücktDanke für Ihren netten Kommentar, und gerne dürfen Sie den Sperber als Vorlage benutzen. Wenn Sie mögen, können Sie mir auch später das Ergebnis senden. Und vielleicht gefällt es Ihnen sogar, wenn ich…
  • Dr. Elisabeth Schnell-Rath zu Rostrot geschmücktWie wundervoll dieser Bericht wieder ist!!! Toll und herzlichen Dank dafür! Ja Bernd Pöppelmann malt sehr gelungene Bilder - übrigends auch sein Freund Claus Rabba… Darf ich bitte das wunderschöne Fot…
  • Elke Brüser zu Segler der AndenLiebe unbekannte Katja, da hast du mir mit deinem Kommentar heute Morgen aber große Freude geschenkt. Danke!

Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

Cookie Consent mit Real Cookie Banner