Die Ballerina

20. März 2024 | Kleine Vögel | 1 Kommentar

Ein kleiner schwarz-weißer Vogel steht auf einem Stein am Ufer.

Die langbeinige Ballerina mit schwarzem Latz

Als „Ballerina“ wird die Bachstelze im Italienischen bezeichnet. Welch schöne Idee! Denn mit ihren schlanken Beinen und dem langen Schwanz, mit ihrem flinken und doch grazilen Schreiten erinnert die Bachstelze durchaus an eine Tänzerin – beispielsweise wenn sie an sandigen Ufern auf Nahrungssuche ist.¹

Langbeinige Bachstelze steht in flachen Wasser am Sandstrand

Elegant auch im Wasser der Ostsee

Nicht nur an der Gestalt und der kontrastreichen, schwarz-weißen Gefiederzeichnung lassen sich Bachstelzen gut erkennen, sondern auch daran, wie sie laufen: Amseln, Haussperlinge und viele andere Singvogelarten bewegen sich am Boden hüpfend fort. Aber Bachstelzen schreiten – so wie ihre nahen Verwandten, also die Schafstelze, die Zitronen- und die Gebirgsstelze, es auch tun. Nicht umsonst zählen diese Arten zu den Stelzen, der biologischen Gattung Motacilla.

Zurück aus dem Winterquartier

Im Winter sind die Bachstelzen bei uns verschwunden. Die Ballerinas, die in Deutschland brüten, halten sich dann auf der Iberischen Halbinsel oder in Nord-West-Afrika auf. (F. Bairlein u.a.: Atlas deutscher Zugvogelarten, Wiebelsheim 2014).² Doch im März kommen sie aus ihrem Winterquartier zu uns zurück. Passend zu ihrem deutschen Namen, entdecken wir sie im Frühjahr – und auch danach – häufig in der Nähe von Wasser. Über den Lebensraum, den die Bachstelze bevorzugt, schreibt Helmut Ölschlegel in seiner lesenswerten Monographie Die Bachstelze (A. Ziemsen Verlag, 1985, Bd. 571) auf Seite 53

Wenn die Gewässer flache Ufer haben oder bei geringem Wasserstand ein steiniges Bett aufweisen, ist mit dem Vorkommen von Bachstelzen zu rechnen. Sie machen dann keinen Unterschied, ob es sich um ein fließendes oder stehendes Gewässer, um den Meeresstrand, das Ufer eines Binnensees, um einen Bachrand oder um das Ufer eines Stromes handelt. Hier wie da trippeln sie in Sand, Schlamm und Geröll am Ufer, oder sie fliegen inmitten der Gewässer von Stein zu Stein.

Felsküste überwachsen mit grünen Algen und dazwischen ein kleiner schwarz-weißer Vogel

Der Tisch ist gedeckt, denn im Algenbewuchs treiben sich viele Insekten herum

Aber Bachstelzen kommen auch an wasserarmen Orten vor, etwa in Kiesgruben und Steinbrüchen, an Bahndämmen und auf Bergbauhalden. Zumindest Regenpfützen sollten aber in der Gegend sein.

Kleiner schwarz-weißer Vogel auf steinigem Ufer, dahinter liegen Segelboote

Bemerkenswert ist, dass die Bachstelze wenig Scheu vor Tieren und Menschen hat. Sie besucht Segelhäfen und Strandpromenaden, sofern dort mit Insektennahrung zu rechnen ist. Traditionell kommt sie häufig in die Dörfer, wo sie in der Nähe von Tierställen, bei Enten und anderem Geflügel allerlei animalische Kost finden kann. Helmut Ölschlegel berichtet eine weitere Besonderheit, Seite 53

Auf Weiden suchen sie sich ihr Futter, ohne auf Rinder, Pferde und andere Weidetiere zu achten. Gern halten sie sich in der Nähe von Schafherden auf. Sie setzen sich sogar rittlings auf den Rücken der Tiere oder laufen auf dem Boden unter ihnen hindurch.

Übrigens nimmt der französische Name der Bachstelze auf ihre Vorliebe für Schafsherden und die Gefiederfarbe Bezug: Er lautet Bergeronnette grise. Sie ist also die graue (grise) Begleiterin des Schäfers (le berger). Für Deutschsprachige kann das leicht zu Verwirrung führen. Denn wir haben ja zusätzlich die gelbliche Schafstelze, auch Wiesenschafstelze genannt. Äußerlich sind beide allerdings gut zu unterscheiden.

Auf Futtersuche

Oft suchen Bachstelzen am Boden nach Futter. Doch sind sie weder auf hochgrasigen Wiesen unterwegs, noch im Wald zu finden. Auf Feldern sehen wir sie dann, wenn gerade geackert wurde oder später im Jahr nach der Ernte. Hohe Vegetation meiden die Bachstelzen, denn es kommt ihnen darauf an, Übersicht zu haben. Ihr Revier ist der vegetationsarme oder vegetationslose Boden.

Kleienr Vogel steht auf einem liegenden Ast am Strand.

Wer etwas erhöht steht, der oder die hat mehr Überblick.

Gut geeignet zur Futtersuche ist auch der Meeresstrand, wo die Vögel nach angeschwemmten Insekten Ausschau halten und auch kleine Wasserlebewesen mit dem Schnabel ergreifen, zum Beispiel winzige Schnecken und Krebschen. Eine Bachstelze sucht am Meeresstrand vorgebeugt nach Nahrung. Mit einigem Abstand konnte ich am Ostseestrand der Kurischen Nehrung in Litauen eine hungrige Bachstelze längere Zeit beobachten. Der kleine Videoausschnitt illustriert, wie der Vogel zwischen den Sandkörnern unermüdlich nach Nahrung sucht und mit dem Schnabel danach schnappt. Typisch für die Bachstelze sind ihre nickenden Kopfbewegungen, der lange, ständig wippende Schwanz und die schnellen trippelnden Schritte.

Nicht nur am Boden findet die Bachstelze ihr animalisches Futter. Oft lässt sie sich erhöht nieder und scannt die Umgebung. Ständig dreht sich dann der kleine Kopf: von oben nach unten, von rechts nach links und oft umschreibt er zugleich abenteuerliche Kreise.

Kleienr schwarz-weißer Vogel auf einem hölzernen Dach.

Hochoben auf einem Unterstand für Spaziergänger

Lässt sich ein Insekt blicken, fliegt die Bachstelze blitzschnell ab, oder sie stürzt sich auf einen Käfer oder eine Spinne am Boden. Nochmals lasse ich Helmut Ölschlegel zu Wort kommen, Seite 120

Ein Teil der Beute wird in der Luft ergriffen. Meist erfolgt die Jagd vom Boden aus, doch dienen auch Bäume, Holzstöße oder Gebäudeteile als Warte für die Jagd in den Lüften. Wenn eine Bachstelze ein vorüberfliegendes Insekt gewahrt, erhebt sie sich blitzschnell, versucht das Beutetier mit dem Schnabel zu fassen, und kehrt anschließend zum Ausgangspunkt zurück, um es zu verzehren.

Genau das konnte ich an Warthe in Polen beobachten: Die Bachstelze saß auf ihrem Ausguck und schaute ständig umher. Aber plötzlich war sie aus meinem Fokus verschwunden und kehrte kurz darauf mit einem Insekt im Schnabel an denselben Platz zurück.

Bachstelze in Beobachtungsstellung auf einem Zweig.

Konzentriertes Warten vom Ausguck, der sogenannten Warte, aus.

Bachstelze auf einem Zweig mit Insekt im Schnabel

Mit einem Insekt im Schnabel (bitte genau hinsehen) ist sie zurück.

Die Bachstelze und der Kuckuck

Ihr Nest baut die Bachstelze in Hohlräume hinein. Sie ist ein Halbhöhlenbrüter³, kein Höhlenbrüter wie etwa der Buntspecht. Neststandorte findet sie in Steinmauern und Steinhaufen, unter Brücken und selbst auf Booten, in Schuppen, Lauben und baufälligen Häusern. Auch in Förderbändern und Bretterstapeln versteckt sie ihre Nester. Was mich überrascht hat: Die Bachstelze hat oft Ärger mit dem Kuckuck, dessen Verhalten in Der Kuckuck. Gauner der Superlative ganz wunderbar beschrieben ist. Er legt sein Ei bekanntlich in das gemachte Nest von verschiedenen Singvögeln und überlässt diesen unfreiwilligen „Wirten“ die Brutfürsorge. In der Biologie sprechen wir von Wirtsparasitismus. Das bedeutet nicht nur, dass die kleinen Wirtsvögel das große Kuckuckskind sattfüttern müssen, es bedeutet auch, dass die Bachstelzen-Eier vom Kuckucksweibchen oder dem jungen Kuckuck aus dem Nest befördert werden. Das musste ich mir an der Wesermündung nicht ansehen, stattdessen freute ich mich über die Fütterung eines flüggen Jungvogels, der an seinem blassen Gefieder gut zu erkennen ist. Hier gab es also arterhaltende Brutfürsorge: von Bachstelze zu Bachstelze.

Junge Bachstelze steht auf einem hölzernen Geländer

Junge Bachstelze wartet auf Futter.

Junge und erwachsene Bachstelze auf einem Holzgeländer stehend

Ein Elternvogel hat gerade geliefert.

Dass die Bachstelze trotz des Kuckucks erfolgreich eigene Junge großzieht, hat unter anderem damit zu tun, dass sie früher als der lästige Wirtsparasit aus dem Winterquartier zurückkehrt. Sie kommt im März, der Kuckuck erst Anfang Mai. Je nach Witterung haben die Bachstelzen, dann schon das erste Gelege ausgebrütet und füttern ihre Nachkommen. Der Klimawandel könnte dazu führen, dass Bachstelzen früher als bisher aus dem Winterquartier zurückkommen und schneller das Brutgeschäft starten. Ob und wie sich das auf die Vermehrungschancen von Wirt und Wirtsparasit auswirkt, bleibt abzuwarten. Immerhin kann der Kuckuck damit rechnen, dass viele seiner Wirtsvögel pro Saison zwei- oder sogar dreimal brüten. Das ist seine Chance und zugleich die der Bachstelze.

¹Die Fotos stammen aus unterschiedlichen Begegnungen mit der Bachstelze: auf der Kurischen Nehrung (Haff und Strandseite) von Litauen, an der Warthe in Polen und an der Wesermündung. ² Bachstelzen sind Zugvögel mit einer Zugscheide. Das bedeutet, dass sie je nach Herkunft ein andere Zugroute wählen. Hiesige Bachstelzen ziehen nach Südwesten, skandinavische Bachstelzen wählen eine Zugroute in südöstlicher Richtung. ³ Halbhöhlen- oder Nischenbrüter legen ihr Nest üblicherweise in Nischen von Felswänden, Geröllhalden, Gebäuden, Bäumen, Böschungen usw. an. Nistkästen, die als Halbhöhle bezeichnet werden, eignen sich für Hausrotschwanz, Bachstelze, Grauschnäpper und Zaunkönig.

Bachstelze | Bergeronnette grise | Wagtail | Motacilla alba

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

1 Kommentar

  1. Hiho, ich habe dein Blog gleich in meinem eigenen verlinkt, damit ich es – auch ohne Postkarte – schnell wiederfinde. Wenn du mal zum Kraniche beobachten in meinen Garten kommen magst, bist du herzlich willkommen! Jetzt sind sie allerdings gerade wieder weitergezogen…

    LG
    poupou

    Antworten

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  • Cornelia Rowlin zu Segler der AndenEin beeindruckender, toller Bericht. Vielen Dank dafür. Majestätische Tiere.
  • Elke Brüser zu Der FlitzerVielen Dank für deine positive Rückmeldung! Und ja, auf dem letzten Foto sieht man im Original noch besser, dass da etwas im Schnabel steckt. Aber ich konnte es nicht identifizieren. Es ist wahrschein…
  • Thomas Griesohn-Pflieger zu Der FlitzerSchöner Bericht über einen außergewöhnlichen Vogel! Und die Fotos aus dem Weihrauchhafen sind Klasse, beim letzten sieht man sogar in der Spitze des aufgeworfenen Schnabels die winzige Beute, die er e…
  • Elke Brüser zu Nektarvögel im OmanDanke Andreas. Schön, dass er dir gefällt.
  • Andreas Malten zu Nektarvögel im OmanLiebe Elke, ein sehr schöner Beitrag! Grüße von Andreas

Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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