Manchmal, wenn ich vom Balkon herabschaue, bietet sich mir dieses Bild: ein ruhender Fuchs in der Stadt. Mehr als ruhend: schlafend auf dem Schuppen im Nachbargarten. In vielen Städten haben sich Füchse „eingenistet“. Diese Stadtfüchse wissen, wo sie welche Nahrung finden, suchen im Winter nach einem Partner oder einer Partnerin und ziehen im Frühjahr ihren Nachwuchs groß. In Berlin leben Füchse in allen Bezirken. Unklar ist, wie viele durch die Hauptstadt streifen.
Der Fuchs in der Stadt
Stadtfüchse haben andere Überlebensstrategien als Landfüchse, die zwischen Wald und Feld umherstreifen und sich tagsüber meist ins Dickicht oder ins Gebüsch am Feldrand zurückziehen. Unser Gartenbesucher bevorzugt nach kühlen Nächten zum Ruhen ein warmes Dach – belegt mit Teerpappe – und fühlt sich in zirka 2 m Höhe sicher.
Warum auch nicht, denn hier schießt keiner mit der Flinte – Jäger und Jägerinnen sind in der Großstadt nicht aktiv, nicht geduldet.² Wenn jemand schießt, dann vielleicht die Biologin ein Foto aus der Vogelperspektive. Also vom Balkon.
Was den Schlafplatz angeht, ist der rotbraune Großstadtfuchs anpassungsfähig: Falls ihn das Tageslicht stört, bedeckt er seine Augen mit den Pfoten. Das kennen wir von Vögeln, die den Kopf ins Gefieder stecken, und von müden Menschen, die ihren Kopf in die Armbeuge legen oder sich eine Augenmaske aufsetzen, um zu schlafen.
Wird es unserem Gartenbesucher zu warm, dann begibt er sich in den Schatten des Holunders. Aber in der Regel scheint er im Frühjahr die Wärme zu genießen und entscheidet meist erst am späteren Nachmittag aufzustehen.
Als ich bei Alfred E. Brehm (Brehms Tierleben, 1893, Leipzig und Wien, Säugetiere, Bd. II) in dem unterhaltsamen Fuchsabschnitt lese, finde ich zuerst Hinweise darauf, dass der dämmerungs- und nachtaktive Rotfuchs tagsüber im Verborgenen ruht. Und dann stoße ich auf das (S. 176):
Wie der Hund hält er die Wärme sehr hoch.¹ Bei schönem Wetter legt er sich auf einen alten Baumstamm oder Stein und verträumt in behaglicher Gemütsruhe so manches Stündchen. Da, wo er sich sicher fühlt, überläßt er sich auch an wenig oder nicht gedeckten Stellen ziemlich sorglos dem Schlafe, schnarcht laut wie ein Hund und schläft so tief, daß es bisweilen selbst dem durch einen klugen Hund aufmerksam gemachten Jäger gelingt, ihn in solcher Lage zu überraschen und zu beobachten.
Was der Stadtfuchs kann, kann der Landfuchs also auch. Aber ein Schnarchen ist mir noch nicht aufgefallen.
Munter werden
Hektik oder ein eiliges Aufstehen kam bei „unserem“ Fuchs bisher nicht vor. Normalerweise putzt und kratzt er sich zunächst ausgiebig.
Irgendwann ist es dann mal gut. Der Gartenfuchs erhebt sich, läuft auf einer Mauer entlang, springt direkt in den Garten und trödelt Richtung Tor hinaus auf die Straße. Und wenn ich im Garten ein Buch lese, bemerke ich all das gar nicht: ein echter Leisetreter.
Was bietet der Stadtgarten?
Dass ein Rotfuchs – so heißt er im Unterschied zu anderen Arten wie dem Polarfuchs oder dem Wüstenfuchs – durch unseren Garten spaziert, ist nichts Neues. Schon seit über 20 Jahren taucht hin und wieder ein Fuchs oder eine Füchsin auf – meist am späten Nachmittag oder in der Dämmerung, wenn der Magen knurrt. Die Tiere kommen von nahegelegenen Grünflächen, wo schon lange Füchse leben, streifen durch die Straßen und die Gärten der Nachbarschaft.
Attraktiv sind üblicherweise die Mülltonnen, bei denen sich die Stadtfüchse gerne herumtreiben – es könnte ja etwas daneben gefallen sein. Im Garten vergessene Picknickreste oder Weggeworfenes an der nächsten Pommesbude sind ebenfalls Fuchs-Leckerbissen.
Füchse sind bei der Nahrung generell nicht wählerisch. Außer kleinen Nagetieren, fressen sie Schnecken und Insekten, Würmer und Engerlinge, selbst Früchte und Beeren. Und neben Abfälle und auch Aas.
Einen der Gartenvögel zu erhaschen, nach dem Motto „Fuchs, du hast die Amsel gestohlen“, damit geben sich Stadtfüchse eher nicht ab. Zu aufwendig!
Auch in dieser Berliner Grünanlage interessierte sich der Fuchs nicht für die jungen Schwäne oder die Stockenten am Ufer des Sees, sondern für Abfälle und Reste, die menschliche Großstadtlümmel hinterlassen hatten.
Der Fuchs fühlte sich beobachtet und trabt mit gestrecktem Schwanz, der Lunte, davon.
Was ihre Besuche in unserem Garten angeht, spielt sicher eine Rolle, dass es hier recht viele Mäuse gibt: Haus- beziehungsweise Feldmaus, Brandmaus und Spitzmaus sind mir schon begegnet – oder vom Hauskater angeschleppt worden.
Feldmäuse und auch die Rötelmaus nagen an Pflanzenwurzeln und Blumenzwiebeln. In unserem Vordergarten hat Reineke Fuchs kürzlich kräftig gebuddelt, genau dort, wo es ein Mauseloch gibt. Vermutlich hat er hier Beute gerochen oder mit seinen guten Ohren gehört. Allerdings ist das Loch relativ groß, wollte er vielleicht einen Bau anlegen?
Warum markieren?
Sehr lustig ist zu sehen, was unser Gartenfuchs so treibt: Oft schnüffelt er im Efeu am Boden, weil darunter die Mäuse hin und her huschen. Manchmal wühlt er, weil er im Boden Beute aufgespürt hat. Und dann wieder markiert er, denn unser Garten gehört zu seinem Revier.
Der Fuchs kommt aus der Deckung (Video: Geza B. Brüser)
Der Fuchs markiert durch Kot absetzen (Video: Geza B. Brüser)
Der als Wolfs- und Hundeforscher bekannte Erik Zimen hat sehr schön beschrieben, warum Füchse mit duftendem Kot markieren. Der Biologe hat die Unterschiede von Wolf und Fuchs nicht nur erlebt, weil er sie bei sich zu Hause gemeinsam aufzog, sondern in vielen Texten fein herausgearbeitet.
In Grzimeks Enzyklopädie berichtet er in dem Kapitel „Echte Füchse“ (Kindler, 1987, Bd. IV, S. 178 ff.), dass Rotfüchse – anders als Wölfe – unerträglich stinken. Der Grund: Während Wölfe eine ausgeklügelte optische Körpersprache entwickelt haben, die das Leben im Rudel regelt, sind für Füchse olfaktorische Signale zentral – also Duftspuren und der Geruch. Denn Füchse sind tendenziell Einzelgänger, aber so Erik Zimen
Dennoch leben sie nicht getrennt von anderen Füchsen. Für Mitteilungen an Freund und Feind bedienen sie sich daher dauerhafter „Informationsträger“: Geruchsmarken geben Nachrichten weiter, auch wenn der Sender gar nicht mehr zur Stelle ist.
Und auf dem Land
Landfüchse sind mir natürlich auch mehrfach begegnet. Sie sind ja keine Seltenheit, obwohl sie in den meisten Bundesländern nur eine kurze Schonzeit haben, und zwar im Frühjahr, wenn sie ihre Jungen großziehen. Ansonsten werden sie intensiv bejagt.² Wichtig zu wissen: Dank eines guten Impfprogramms sind Füchse in Europa heutzutage frei von Tollwut.
Stärker noch als die Stadtfüchse sind Landfüchse auf ihre gute Nase und ihr feines Gehör angewiesen, denn auf dem Land sind sie mehr Jäger als Restevertilger. Sobald Füchse etwa eine Maus geortet haben, erstarren sie förmlich und lauschen, bevor sie zum Sprung ansetzen. Dann folgt ein mächtiger Satz. Unterwegs zum Vogelbeobachten konnte ich zufällig einen solchen Fuchssprung fotografieren. Leider war Reineke etwas weit entfernt. Aber wer mag, kann unter „Fuchssprung” eindrucksvolle Filmausschnitte auf YouTube finden.³
In der verschneiten Oderlandschaft, wo ich im Februar die Singschwäne besuchte, führte ein Fuchspaar vor, dass ihr Pelz wirklich dicht ist. Im trockenen Schnee wird ihnen vermutlich richtig warm.
Obwohl Füchse Einzelgänger sind, zeigen Fuchspaare – also die weibliche Fähe und der männliche Rüde – in der Paarungszeit ihre soziale Seite. Während der Rüde nach Beute sucht, liegt die Fähe eingegraben im Schnee. Vermutlich war das die Rollenaufteilung. Ganz sicher kann man sich beim Rotfuchs nicht sein, denn die Geschlechter unterscheiden sich äußerlich kaum.
Deutlich wurde am Ufer der Oder noch etwas: Füchse orten Mäuse im Schnee. Die kleinen Nager haben unter der Schneedecke Wege, die sie im Winter regelmäßig ablaufen. Das wiederum weiß der Fuchs zu nutzen.
¹ Wir würden heute sagen: Sie ist ihm wichtig.
² Ich bin keine Freundin der Fuchsjagd, aber für bodenbrütende Vögel sind Füchse neben anderen Prädatoren natürlich eine Gefahr.
³ Aus Datenschutzgründen mache ich keine Verlinkung mit YouTube.
Rotfuchs | Renard rouge | Red fox | Vulpes vulpes
Da so viele Menschen von den Stadtfüchsen begeistert sind, wollte ich noch eine kleine Nachricht aus „Der Tagesspiegel“ nachreichen. Darin wurde am 9. Juli berichtet, dass ein Fuchs in Berlin Steglitz es sich regelmäßig auf einer Gartenliege gemütlich macht. (Vielleicht ist es ja mein Gartenbesucher…) Tipps, wie sich das verhindern lässt, gibt es in dem Artikel auch: Polster abnehmen, Gartenmöbel ankippen und den Fuchs entschlossen verjagen. – Ich ergänze mal: Oder alles lassen, wie es ist. Nur nicht füttern!
Dein Bericht und die Fotos dazu: herrlich !! Wir sind nicht nur die Stadt der Wildschweine – nein, auch der Füchse
und das finde ich klasse !! Konnte sie schon so oft beobachten – inzwischen gehören sie ja zu unserem Stadtbild.
An der Oder konnte ich im Winter auf dem Polder ähnliches beobachten: ein einsamer Singschwan saß dort, während ein Fuchs an ihm vorbeilief Richtung polnische Seite. Es war, als hätten sie sich gegrüßt, freundlich, aber mit Abstand bitte 🙂
Oh wie interessant. Ich liebe die Berliner Füchse. 17 000 sollen es sein, hat mir mal Derk Ehlert erzählt, Wildtierbeauftragter der Stadt: Pro Quadratkilometer eine Fuchsfamilie, und das dann hochgerechnet.
Was die Anzahl der Füchse angeht, gibt es wirklich nur Schätzungen. Ich hatte mich beim NABU in Berlin erkundigt. Dort möchte sich die Wildtierberaterin Katrin Koch nicht festlegen müssen. Mit 5.000 bis 10.000 Tieren wird derzeit gerechnet.