„Vögel beobachten ausgerechnet im Winter? Ist das nicht langweilig?“ Mit diesen etwas provokanten Fragen beginnt der ausgezeichnete Vogelkenner Uwe Westphal sein Buch Das große Buch der Wintervögel. Und was dann auf über 200 Seiten folgt, ist eine reich bebilderte, gut strukturierte und sehr empfehlenswerte Antwort.
Also, klar: Es lohnt sich, und zwar gerade im Winter und eben auch für die, die sich noch nicht besonders gut in der Vogelwelt auskennen. Der November, der Dezember und der Januar bis in den Februar hinein sind gewissermaßen die besten Monate für erste und weiterführende Übungen in der Vogelbeobachtung, auch Birding genannt.
Denn die Gefiederten sind zu dieser Zeit selbst in Büschen und Bäumen gut sichtbar, das Artenspektrum ist überschaubarer als im Frühjahr, und ein Vogel, der wie das Rotkehlchen sogar im Winter singt, ist nun viel leichter zu identifizieren.
Vorstellungsrunde: 180 Arten
Umrahmt von einem wunderbaren Eingangskapitel zum Thema Überleben im Winter und von konkreten Tipps zum Schützen und Beobachten von Wintervögeln am Schluss des Buches, stellt uns Uwe Westphal 180 Vogelarten vor. In jeweils eigenen Abschnitten erläutert er, wie diese oder jene Art im Winter aussieht, wie sie sich ernährt und verhält, mit welchen Lautäußerungen zu rechnen ist und was es sonst noch an Besonderheiten gibt.
All das ist für die Vogelbeobachtung wichtig, denn
das Gefieder kann bekanntlich je nach Jahreszeit sehr unterschiedlich aussehen, ich erinnere an den Schwarzhalstaucher,
nur wenige Arten singen, aber dennoch kann man viele von ihnen akustisch unterscheiden – beispielsweise die verschiedenen Spechte,
und wer einmal gelesen hat, dass Zaunkönige am Boden nach Nahrung suchen, der vermutet diese Winzlinge nicht mehr in den höchsten Baumwipfeln. Dort treiben sich allerdings die Kernbeißer herum und knabbern die Samen der Hainbuchen ab.
Zwar sind im November die Zugvögel in den Süden oder Südwesten abgewandert, aber es finden sich bei uns zahlreiche Wintergäste aus dem Norden oder Nordosten ein. Manche mischen sich fast unbemerkt unter die heimischen Populationen, etwa Sperber und Schwanzmeisen aus Skandinavien, andere bereichern in der kalten Jahreszeit die hiesige Vogelwelt um ungewöhnliche Arten.
Zum Beispiel kommen in manchen Wintern die Seidenschwänze zu uns, und zwar in Massen, wenn es in ihrer nordischen Brutheimat zu frostig ist. Dafür hat sich in der Ornithologie der Begriff Invasion durchgesetzt – abgeleitet vom Lateinischen invadere = hineingehen, eindringen. (Das Wort ist jedoch keinesfalls kämpferisch oder kriegerisch gemeint, denn diese Wintervögel vertreiben niemanden, und die hiesigen Zugvögel sind in dieser Zeit längst sonstwo.)
Spannende Details
Das ist übrigens das Faszinierende an Das große Buch der Wintervögel: Der Diplom-Biologe Uwe Westphal – auch als genialer Vogelstimmenimitator bekannt – vermittelt en passant eine unglaubliche Menge an ornithologischem Wissen. Ganz locker, verständlich, sehr angewandt.
Da geht es im Anfangskapitel zum Beispiel um die Fernzieher und die Teilzieher, um Jahresvögel und Wintergäste; doch mit der artgemäßen Klassifikation ist das so eine Sache: Wir lesen etwa, dass bei Amseln und Buchfinken die Damen meist das Weite suchen, während vor allem die älteren (erfahrenen) Herren bei uns überwintern und eben nicht wegziehen. Das hat für sie gewisse Vorteile: Wer bleibt, kann gleich zu Beginn der Brutsaison ein (gutes) Revier besetzen und spart sich den Energieverlust durch den „Umzug“ in ein milderes Klima. Er oder sie muss jedoch wissen, wo hierzulande im Winter Nahrung zu holen ist und was vor Auskühlung schützt.
Die 180 Artenporträts, die Lebensräumen wie Wald und Forst, Meer und Strand oder Stadt und Dorf zugeordnet sind, unterhalten mit allerlei Detailinformationen. Mal geht es um die Herkunft des Namens „Eisvogel“, mal um rastende Gänse als Problem in der Landwirtschaft, mal um das Verhalten der Vögel am gut bestückten Futterhaus oder Anpassungen an Frost und Schnee.
Und wussten Sie, dass unter den kleinen Vogelarten manche Schlafgemeinschaften bilden und andere sich gewissermaßen im Schnee einbuddeln? Aber ich möchte nicht zu viel verraten …
Vogelbeobachtung zwischen Ehrenamt und Wissenschaft
Bei all den biologischen Beobachtungstipps, die Uwe Westphal bietet, wächst das Buch am Ende noch über sich hinaus: Da geht es zum Beispiel um Möglichkeiten, die Vogelwelt besser zu schützen, um vogelfreundliche Gärten und die nicht-störende Vogelbeobachtung sowie um wissenschaftliche Zwecke. Systematische Zählungen und die Kartierung ermöglichen eine regelmäßige Bestandsaufnahme, etwa unserer Wasservögel. Viele Ehrenamtliche aus Organisationen wie NABU, LBV, DDA und auch Webseiten wie das Portal ornitho.de sind daran beteiligt.
Am Ende des Buches vermittelt eine orientierende Tabelle, in welchem Lebensraum welcher Vogel im Winter zu erwarten ist. Außerdem finden sich dort Literaturangaben, ein Register der im Buch erwähnten Vogelarten und ein Sachregister samt der Abbildungsnachweise. Mehr geht nicht. Danke!
Das große Buch der Wintervögel
Autor: Uwe Westphal
Jahr: 2021
Verlag: Aula, Wiebelsheim
Hallo liebe Elke,
danke für den wundervollen Buchtipp.
Habe das Buch gleich bestellt und wollte es verschenken, aber es gefällt mir so gut, dass ich es erst einmal behalte.
Es ist genau das Richtige zum Schmökern und um danach auf Beobachtungstour zu gehen.
Ich wünsche frohe und friedliche Festtage und hoffentlich noch viele schöne Vogelbeobachtungen.
LG Angela
Was für eine schöne Rückmeldung. Nun hoffen wir wohl alle auf ein glückliches und friedvolleres 2024.