Winterfreuden der Kernbeißer

27. Dezember 2019 | Kleine Vögel | 0 Kommentare

Kernbeißer sind dafür bekannt, dass sie gerne baden – zum Beispiel in einer Pfütze. Welch ein Schauspiel! Dieses kurze Video (stark gezoomt) musste an den Anfang des Blogposts über den grau–braunen Finkenvogel mit weißem Flügelfeld. Dass ich ihn auf einem Friedhof in Berlin Steglitz entdeckte, war übrigens Zufall. Genaugenommen war ich auf der Suche nach Schwanzmeisen.

Doch da sah ich in einem Baumwipfel über mir diese verräterische Silhouette: kräftiger Körperbau, flacher Schädel und ein mächtiger, kegelförmigen Schnabel. Keine Frage, das war ein Kernbeißer – auch Kirschkernbeißer genannt.

Ein Vogel mit dickem Schnabel sitzt auf einem kahlen Ast.

Auch oben im Baumwipfel ist der Kernbeißer am kegelförmigen Schnabel identifizierbar.

Sein Anblick ließ mich die Schwanzmeisen vergessen. Kernbeißer halten sich meist hoch oben in den Baumwipfeln auf und sind dort gut verborgen, solange die Bäume belaubt sind. An diesem Dezembertag war das natürlich anders.

Kernbeisser zwischen den Früchtchen der Hainbuche im Geäst.

Schlaraffenland: Kernbeißer zwischen den Fruchtständen der Hainbuche

Auch der Gesang verrät die unauffälligen Vögel nicht, denn die einzelnen Laute sind sehr kurz – klingen wie ein Zik, Pit oder Zicks – und sind zum Teil hoch und schrill. Die verschiedenen Lautelemente werden in lockerer Folge mit tieferen Elementen gemischt. Manchmal lassen sich mehrere Individuen aus einem Baumwipfel hören, aber es entsteht kein Gesang wie wir ihn von anderen Singvögeln kennen. Kurz und eher spitz sind auch die Rufe der Kernbeißer, mit denen sie beispielsweise warnen.¹

Der Kernbeißer, der mehrfach in der Pfütze badete, kam aus einer Hainbuche, wo er die Früchtchen „geerntet” hatte. Das ist kein Wunder, denn diese kleinen, recht harten Samen sind in der Winterzeit eine wichtige Nahrungsressource.

Kleiner Exkurs: Bei der Hainbuche, einem Birkengewächs, bilden mehrere Blüten einen Blütenstand. Aus jeder Blüte entwickelt sich eine Frucht und diese Nuss „klebt” an einem dreiflügeligen Blättchen. Darum wird sie auch Flügelnuss genannt. Im Winter lösen sich die Elemente des rosettenartigen Fruchtstands nach und nach voneinander und segeln auf den Boden.

Was schmeckt?

Schwarz-weiß Zeichnung aus Naumann, Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, mit einem Kernbeißernest mit 4 Jungen und den Altvögeln. Dass Männchen verfüttert einen Käfer.Wie der Beiname Kirschkernbeißer schon verrät, kommen die Vögel mit ganz anderen Früchten als denen der Hainbuche gut zurecht: Sie knacken mit ihrem scharfkantigem Schnabel und der massiven „Backen“muskulatur nicht nur Kirschkerne, sondern auch Oliven- und sogar Pflaumenkerne.

Immerhin ist der Schnabel 20mm lang, und an der Schnabelwurzel – das ist die Ansatzstelle am Kopf – ist er 15mm hoch und 16mm breit.

Im Sommer sättigen Kernbeißer sich mit Samen von Gehölzen wie Sauer- und Wildkirsche, während Buchen und auch Feldahorn ab dem Herbst zur  Nahrungssuche angeflogen werden.

Vor allem im Winter gehen Kernbeißer auch am Boden auf Nahrungssuche – und in dieser Zeit kommen manche an die Futterhäuser.

Im Frühjahr knabbern sie auch an frischen Trieben und Knospen, aber vor allem suchen sie nach Insekten, die in dieser Jahreszeit ihre hauptsächliche Nahrung bilden.

Auch die Jungen werden mit Käfern und anderen Insekten gefüttert – wie es bei Finken ja sowieso üblich ist. Das zeigt auch die Abbildung aus dem Werk von Johann F. Naumann (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. III, S. 271.)

Komfortverhalten: Badespaß

Farbige Grafik aus Nauman mit dem Federkleid von Männchen, Weibchen und Jungvogel.

Von oben nach unten: Weibchen, Männchen, Jungvogel

Zurück zu dem Badespaß der Kernbeißer. Solche feuchten Bäder zählen wie das Putzen und das Sonnenbaden zum Komfortverhalten der Vögel.

Es dient dazu, Parasiten wie Milben und Federlinge aus dem Gefieder zu vertreiben oder zurzeit der Mauser lästige Federchen loszuwerden. Und offenbar war die flache Pfütze eine geniale Badeanstalt. Denn sie lockte verschiedene Vogelarten an.

Die Geschlechter sind bei den Kernbeißern zwar nicht an der Größe, aber gerade im Winter am Gefieder recht gut zu unterscheiden.

Herr Kernbeißer hat einen schönen braunen Kopf, Frau Kernbeißer ist insgesamt blasser, unauffälliger gefärbt.

Ich sah nicht nur dem Männchen beim Planschen zu, auch das Weibchen benetzte, stark flügelschlagend, das Gefieder.

Männlicher Kernbeißer steht in ein Pfütze

Männlicher Kernbeißer bei Baden

Blasses Kernbeißerweibchen steht in Pfütze und blickt uns an.

Weiblicher Kernbeißer beim Baden

Der weibliche Kernbeißer badete sogar nahe einer Kohlmeise, obwohl weder die eine noch die andere Vogelart für entspanntes Miteinander berühmt ist. Kohlmeisen sind kämpferische Draufgänger, und Kernbeißer gelten als nicht sonderlich soziale Vögel. Aber diese Pfütze hatte es ihnen offenbar angetan.

Neben dem Kernbeißerweibchen stand zunächst das Männchen, auch eine Kohlmeise kam in die Pfütze.

Immer auf der Hut sein

Kernbeißer auf einem Ast sitzend streckt sich , um an die Samen zu kommen.

Recken und Strecken, um die Früchtchen zu erreichen

Es ist spannend einem Kernbeißer mit dem Fernglas beim „Futtern“ zuzuschauen: vom Ast aus versuchen sie, einen Fruchtstand zu erreichen, knabbern ein Früchtchen ab und enthülsen es dann im Schnabel.

Noch lässt es sich in Ruhe fressen und nach Samen der Hainbuche „angeln“ …

Als ich diesen Vogel noch beobachtete, kam plötzlich Unruhe in das Vogelleben um mich herum und die Tonlage der vielen Kohlmeisen änderte sich², bevor es plötzlich total still wurde. In dem Videoauschnitt gut zu sehen ist, wie der Kernbeißer in seiner Position verharrt und sich dann plötzlich vom Ast fallen lässt.

… aber dann warnten die Kohlmeisen und es drohte Gefahr. Abflug!

Der Grund war mir klar, als ich ahnungsvoll zum Himmel schaute: ein Greif. Im letzten Moment erwischte ich den Sperber mit der Kamera, bevor er abzog.

Sperber von unten gegen den blauen Himmel fotografiert.

Ein Sperber segelt über den Friedhof

Und natürlich waren dann die Kernbeißer, Kohl-, Hauben- und Blaumeisen, die Amseln, der Kleiber und der Buntspecht, Eichelhäher und Gartenbaumläufer, die ich alle zuvor auf dem Friedhof beobachtet hatte, wie vom Erdboden verschwunden.

Soweit meine und der Kernbeißer Winterfreuden auf einem der vielen vogelreichen Friedhofsgelände in Berlin.

¹ Wer sich für Vogelgesang interessiert, dem empfehle ich, die App Die Stimmen der Vögel Europas zu kaufen. Diese Datensammlung von dem renommierten Ornithologen Hans-Heiner Bergmann und seinem Team beschreibt für rund 500 Arten die knapp 2.000 Rufe und Gesänge.
² Zu hören war dieses hohe gedehnte „siii”, mit dem die Kohlmeisen warnen, wenn ein Greifvogel am Himmel fliegt.

Kernbeißer | Grosbec casse-noyaux | Hawfinch | Coccothraustes coccothraustes

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

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Birding

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Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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