Schwanzmeisen. Zarte Früchtchen?

Schwanzmeise mit vorwiegend weißem Gefieder sitzt auf einem Ast.
Wie ein Wattbällchen sitzen sie auf dem Zweig, wenn sie mal kurz still sitzen.

Schwanzmeisen erinnern mich immer an hellrosa Wattebällchen oder an kleine Früchte, wenn sie für einen kurzen Moment schwankend an dünnen Zweigen hängen. Meistens relativ hoch über mir. Und von diesen sogenannten Meisen – die genaugenommen keine sind –, muss man durchaus im Plural sprechen; denn auf eine einzelne Vertreterin trifft man fast nie.

Gerade in den Wintermonaten sind sie immer als Grüppchen oder größerer Schwarm unterwegs: Ein Dutzend oder deutlich mehr Vögel fliegen ganz unvermittelt heran, lassen sich hier oder da auf den Zweigen nieder – und schon sind sie wieder auf und davon.

Zwei Schwanzmeisen im Gewirr von Zweigen und Ästen
Auch wenn sie im Pulk unterwegs sind, erwischt man auf akzeptablen Fotos meist nur wenige.

Wer Schwanzmeisen mehrfach begegnet ist und ihre Stimme kennt, hört sie meist schon beim Näherkommen. Denn die Individuen des kleinen Schwarms halten mit ihren Lauten untereinander Kontakt. Was man dann wahrnimmt ist eine Art Zwitschern mit zischenden Vokalisationen, die als ‹sit›, ‹sri›, ‹ziiht› oder ‹tsr› beschrieben werden.¹

Den Schwanzmeisen nahe kommen

Sobald die kleinen Meisen ganz in der Nähe sind, gelingt es meist gerade noch, sie mit dem Fernglas im Fokus zu haben. Viel schwieriger ist es, sie zu fotografieren. Immer sind Zweige dazwischen oder sie sind schon wieder auf dem nächsten Ast. Und fotografiert man in die Baumwipfel, dann stört meist der helle Himmel. Es sei denn, man freut sich über Gegenlichtaufnahmen wie diese. Welch ein formschönes Früchtchen!

Wie ein runde Frucht mit langem Stiel hängt eine Meise an einem Zweig im Gegenlicht.

Das Foto illustriert ziemlich gut, warum die acht Gramm leichte Schwanzmeise ihren Namen verdient hat: Rund 14 cm ist das Vögelchen lang, sein Schwanz macht davon aber über die Hälfte aus. Der Schnabel ist übrigens eine Winzigkeit, noch dazu von Federchen etwas verdeckt. Darum sieht man ihn häufig nicht.

Ich habe zugegebenermaßen ein Faible für die Artbeschreibungen des großartigen Naturkundlers Johann Friedrich Naumann aus dem 19. Jahrhundert, über den jeder und jede im wunderbaren Köthener Naumann Museum mehr erfahren kann. Darum hier nun die Vorstellung der Schwanzmeise mit seinen Worten (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. II, S. 247)

Dieses kleine Vögelchen hat einen dicken, runden Kopf, kurzen Hals und Rumpf, welche mit so ausserordentlich großen, lockeren Federn… bekleidet sind, dass sie die unbedeutende Körpergröße verbergen… der lange, schmale, keilförmige Schwanz … sieht an dem kugelförmigen Körper wie ein dünner Stiel aus; das kurze Schnäbelchen steckt zur Hälfte unter Federn und hilft das Auffallende an der Gestalt des Vögelchen vollenden.

Schwanzmeise auf einem Ast von der Sonne angestrahlt und vor blauem Himmel.
Mehr verborgen als sichtbar: der Schnabel.

Schwanzmeisen sind wirklich hübsch, und wenn sie etwas häufiger still sitzen würden, ließe sich das auch genießen. Aber sie sind eben permanent unterwegs, immer auf Nahrungssuche. Dabei picken sie kleine Insekten – deren Eier oder Raupen – von der Baumrinde ab und gehen dabei ganz anders vor als etwa Kohlmeisen, die mit ihrem kräftigen Schnabel schon mal die Rinde hochhebeln und darunter nach Insekten suchen.

Zur Geschäftigkeit der Schwanzmeise nochmals Naumann (S. 249)

Unablässig ist sie mit dem Aufsuchen ihrer Nahrungsmittel beschäftigt, durchhüpft und erklettert deshalb alle Zweige der hohen Bäume wie des niedrigsten Gesträuchs bis in die dünnsten Spitzen, wo sie sich oft in verkehrter Stellung anhängt, das Köpfchen nach allen Seiten dreht und überall, bald an den Knospen oder zwischen den Blättern, bald in den Rissen der Rinde oder an den Ästen etwas Genießbares findet.

Berliner Schwanzmeisen

In Berlin sind mir schon oft Schwanzmeisen begegnet. Sie zu hören oder kurz (!) zu sehen, ist wirklich keine Kunst.

Schwanzmeise im Geäst vor blauem Himmel mit auffälig langem Schwanz.
Der verräterische lange Schwanz ist unübersehbar.

Dieses Foto – und bis auf das erste auch alle bisherigen – entstand an der winterlichen Havel, direkt am Wannseeufer. Die kleine Schwanzmeise sitzt nur scheinbar still, eigentlich ist sie schon wieder weg.

In einer Steglitzer Parkanlage zwischen Teltowkanal und Bäke traf ich ebenfalls wiederholt auf Schwanzmeisen. Sie scheinen dort auch zu nisten, denn im zeitigen Frühjahr waren sie mit dem Sammeln von zartem Nistmaterial beschäftigt.

Schwanzmeise auf einem Ast der Kornelkirsche.

Schwanzmeise auf Grasboden mit Feder im Schnabel

In diesem Winter nun hatte ich einige Male auf dem Steglitzer Friedhof Bergstraße das Vergnügen! Beim ersten Mal stand die Sonne schon tief, und ich war nach der Beobachtung badender Kernbeißer bereits auf dem Heimweg, als mich ein Grüppchen überraschte. Das matte Sonnenlicht kreierte den Hauch von einem Vogel.

Weißliche Schwanzmeise auf einem Ast und wie ein Watteball
Wie ein Wattebällchen

Bei einem anderen Rundgang auf dem Friedhof war das Umfeld einer der Schwanzmeisen sogar von etwas Mittagssonne erleuchtet – und der Federball fast auf Augenhöhe. Dadurch tritt nun die typische Farbpalette des Rückengefieders besser hervor: weiß, rosa und schwarz.

Schwanzmeise festgeklammert an aufrechtem Zweig Schwanzmeise an aufrechtem Zwei mit leicht gesträbten Gefieder vor dem Abflug.

Der Winzling hatte offensichtlich ein Insekt entdeckt, bevor er sich rasch davon machte. Kein Wunder, denn im Winter wenden Schwanzmeisen zeitweise über 90 Prozent des Tages für die Nahrungssuche auf. Dabei bleibt das Grüppchen locker zusammen. Die Vögel fliegen zwischen Bäumen und Büschen schwirrend herum, und für vogelbegeisterte Birder ist die Richtung, in die es weitergeht, kaum vorherzusehen. Nur wenn die Vögel flaches Gelände – ohne Deckungsmöglichkeiten – überfliegen, schließen sie sich als Gruppe eng zusammen.¹

Schwanzmeisen sind keine Meisen?

Ich muss natürlich noch ein Wort dazu sagen, warum Schwanzmeisen keine Meisen sind wie etwa die Kohl- und die Blaumeise, die Hauben- oder Sumpfmeise. Bereits vor 120 Jahren grenzten Ornithologen wie Johann F. Naumann die langschwänzigen Meisen als eigene Gattung von den „Waldmeisen“ ab. In seinem Hauptwerk sind sie auf einer Tafel gemeinsam mit der Blaumeise und uns eher unbekannten Meisen untergebracht.

Grafik mit 8 Meisen auf einem Zweig
Grafik aus Naumann (s. Text, Tafel 18)

Heute lassen sich die Verwandtschaftsverhältnisse von Arten durch genetische Analysen immer besser aufschlüsseln.

Und längst ist bestätigt, dass die Schwanzmeisen keine „richtigen Meisen“ sind, sondern eine eigene Familie mit weltweit 13 Arten bilden:¹ Als Aegithalidae werden sie den anderen Meisen, also der Familie Paridae, gegenübergestellt.

Links auf der Abbildung sind die nordische Schwanzmeise, darunter ein Jungvogel und die mitteleuropäische Schwanzmeise zu sehen.

Rechts oben ist ein Blaumeisenpaar abgebildet, darunter sitzen die blau-weiße Lasurmeise und schließlich eine russische Blaumeise.

Nah verwandt sind die unermüdlichen Insektenfresser mit Laubsängern wie dem Fitis, mit Lerchen und auch mit Grasmücken wie der Mönchgrasmücke. Auffällig ist, dass manche Schwanzmeisen einen fast weißen Kopf haben, andere eine dunkle Streifung an den Kopfseiten.

Das hat mit regionalen Unterschieden der Unterarten zu tun: Weißköpfige Vögel (Aegithalos caudatus caudatus) leben im hohen Norden und ziehen im Winter von dort nach Süden – also etwa nach Brandenburg und in andere Bundesländer.

Hiesige Schwanzmeisen haben feine dunkle Federn am Kopf (Aegithalos caudatus europaeus). Die Vögel bleiben auch im Winter hier, denn Kälte können sie recht gut vertragen. Das liegt unter anderem daran, dass sie eng aneinandergeschmiegt schlafen. Aber das ist nun wirklich ein anderes Thema.

Silhouette einer Schwanzmeise vor blauem Himmel und bräunlichem Laub. Der Hintergrund ist verwischt.
Früchtchen oder Schwanzmeise?

¹Ich empfehle sich per Vogelstimmen-App oder im Internet anzuhören, wie sie klingen.
²Handbook of the Birds of the World (Hrsg: Josep del Hoyo et al., Barcelona, 2008, Bd. 13, S. 84)

Schwanzmeise | Mésange à longue queu | Long-tailed Tit | Aegithalos caudatus



Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

5 Kommentare zu “Schwanzmeisen. Zarte Früchtchen?

  1. Hallo!
    Bei einem Freund im Garten sind seid monaten 2 schwanzmeisen zu besuch. Seit ein paar Wochen zeigen sie ein ungewöhnliches Verhalten:
    Sie setzen sich an den fensterrand und picken 4 oder 5 mal ( immer an der gleichen Stelle) an die fensterscheibe, fliegen weg und wiederholen das ganze mehrmals hintereinander. Kann jemand erklären warum sie das machen?

    1. Danke für die interessante Anfage. Ich habe keine plausible Antwort parat. Aber ich habe einen männlichen Haussperling gehabt, der das auch gemacht hat. Da war aber klar, dass er das Spiegelbild als Rivalen betrachtet und attackiert hat.

    2. Hallo Hilla,
      bei uns in Luckenwalde ist es auch genauso, mehrmals am Tag, mehrere Tage lang. Wir haben gelesen, es könnte Revierverteidigung durch wahrnehmung des eigenen Spiegelbildes sein. Es wirkt echt neurotisch : )

  2. Schwanzmeisen sind für mich die Entdeckung des Winters – diese winzigen Federbälle finden sich regelmäßig am Futterplatz vor meinem Küchenfenster am Stadtrand ein. Sie kommen immer in Gruppen und nehmen oft zu viert oder fünft einen Meisenknödel in Beschlag. Blau- und Kohlmeisen müssen dann warten.

    1. Gleich vor dem Küchenfenster hin und wieder Schwanzmeisen, das hätte ich auch gerne! Bei mir – allerdings nicht am Stadtrand – kommen vor allem die Haussperlinge, die hier auch brüten. Und auf dem Balkon zur Gartenseite lassen sich immerhin Amseln, Blau- und Kohlmeisen am Futterhaus blicken.

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