Naturschätze bewahren

Buchcover mit dem Titel und einer Zeichnung des Nachtfalters "Brauner Bär"Welch ein Buch! Mit diesem Ausruf hatte ich bereits meine Rezension von Federnlesen, dem ersten Buch von Johanna Romberg, begonnen. Ich möchte mich nicht wiederholen. Darum nun, und vielleicht sogar passender: Welch eine Idee!

Den Montag bitte für die Tier- und Pflanzenwelt reservieren, dafür plädiert in ihrem Schlusskapitel die engagierte Autorin – im Sinne eines Mondays for Future. Aber dies meint sie nicht als Konkurrenz zu Fridays for Future, sondern ergänzend, als neue Bürgerbewegung für mehr natürliche Vielfalt, also für mehr Biodiversität.

Das ist dringend nötig, und zwar nicht nur deshalb, weil wir Menschen saubere Flüsse, unverpestete Luft, heimische Wälder und feuchte Wiesen brauchen, sondern auch weil die Natur so überwältigend schön ist, so vielfältig und auch so erholsam.

Blicken wir mit Johanna Romberg auf den Säbelschnäbler und andere Limikolen, auch Watvögel genannt, denen sie an der Nordsee begegnet ist – und denen sie verfällt, Seite 160

Es sind diese grazilen, oft lebhaft gefärbten Wesen, die meist auf langen, dünnen Beinen durch Sümpfe, feuchte Wiesen, Schlickflächen und anderes unwegsames Gelände trippeln. Und die, wenn sie nicht mit ihren filigranen Schnäbeln den Boden bearbeiten, ebenso durchdringend wie klangvoll flöten und trillern.

Von der Schönheit der Natur

Weil die langjährige Vogelbeobachterin und GEO-Redakteurin weiß, dass in den Ökosystemen der Natur so vieles ineinandergreift, geht es ihr in den neun Kapiteln auf fast 300 Seiten nicht nur um Vögel, sondern unter anderem um Weichtiere wie Flussmuscheln, um Kerbtiere wie Nachtschmetterlinge und um die heimische Pflanzenwelt.

Von der Schönheit – und der Bedrohung – der Natur berichtet Johanna Romberg auf eine ihr eigene Art und Weise. Sie nimmt uns dabei förmlich an die Hand und führt uns dann nicht etwa in die Ferne, sondern durch ihre norddeutsche Heimat und überall dorthin, wo Natur zu spüren und zu entdecken ist.

Das liebevoll gestaltete Buch bringt uns dabei einerseits die Lebenswelt von Uhu, Rotbauchunke & Co nahe, andererseits erzählt es von Menschen, die sich mit Leidenschaft für die Natur einsetzen. Vorbildmäßig. Ehrenamtlich. Unterbezahlt. Und weil Johanna Romberg diese engagierten Männer und Frauen so einfühlsam beschreibt, sehen wir sie lebendig vor uns, etwa Stefan Brücher beim Beringen – an der Abbruchkante des Steinbruchs schwebend – oder Birgitt Piepgras – umgeben von Nachtfaltern – in der mitternächtlichen Finsternis des Moores.

Ganz nebenbei werden aus den oft belächelten Umweltschützern peu à peu Personen mit einer sehr klugen Passion und vor allem mit einer ungeahnten Effektivität: weil sie über Jahre wichtige Daten liefern und Einsichten haben, die Behörden und Politik zum Handeln herausfordern. Oder weil sie in der Lage sind, Gelder für ihre Projekte zu rekrutieren.

Wie zum Beispiel Werner Altmüller, der nicht nur über Jahrzehnte für das Überleben der Flussperlmuschel in einem Heidebach namens Lutter sorgt, sondern im Team von Gleichgesinnten ein ganzes Flusssystem wieder zum Leben erweckt hat. Und damit den Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten. Ein schönes Beispiel für die „Bewahrer” ist auch der konventionell wirtschaftende Landwirt Jochen Hartmann, der irgendwann seine Naturliebe entdeckt hat und längst Blühstreifen, Vogelinseln und Insektenwälle anlegt.

Der Braune Bär

Zu den einprägsamsten Abschnitten des Buches zählt die Begegnung mit Birgitt Piepgras, die in tiefster Dunkelheit regelmäßig Nachtfalter zählt und bestimmt, und zwar alle, die einen mit Gaze behangenen „Leuchtturm“ anfliegen. Darunter sind besonders aparte Arten, Seite 191

Der Perlglanzspanner etwa: leicht mattgrün schimmernde Flügel, quer darüber eine feine, fast schnurgerade weiße Linie, wie von geübter Hand mit einer Tuschfeder gezogen.

Eine seltene Schönheiten ist der Braune Bär, der sich aber meist erst nach Mitternacht zeigt. Ob Johanna Romberg ihn gesehen hat, wird hier jedoch nicht verraten.

Wem gehört die Welt?

Die Autorin überrascht bei ihrem aktuellen Buch nicht nur mit diesem wunderbar poetischen Titel Der Braune Bär fliegt erst nach Mitternacht, sondern auch mit einer Art Handlungsanweisung im Schlusskapitel. Da gibt es neun grüne Anleitungen zu dem, was getan werden muss, damit wir die Natur zumindest so erhalten, wie sie ist, und ihr womöglich sogar wieder mehr Raum geben. Darum also Mondays for Nature.

Denn es ist eine Tatsache: Wir haben uns zunehmend im Habitat vieler Tier- und Pflanzenarten breit gemacht – und sie vertrieben, vernichtet. Zahlreiche Menschen haben zudem den Kontakt zur belebten Natur verloren. Darum ruft uns Johanna Romberg zu, Seite 264

Bienenweiden sähen. Falter zählen. Zugvögel beringen. Nester bewachen, Krötenzäune aufstellen, Wildkameras installieren, wie meine Freundin Birgitt neben „Leuchttürmen“ ausharren. Wildblumenwiesen von Buschwerk befreien, Wegrandstreifen gegen Giftspritzen verteidigen, uneinsichtige Herrchen und Frauchen frei laufender Hunde zur Ordnung rufen, …

Wer Zahlen möchte, die die Bedrohungslage für die heimische Natur widerspiegeln, der findet sie auch. Die Autorin, von Beginn an im Team der vogelkundigen Flugbegleiter aktiv, hat sie geschickt in ihren Text hineingewoben. Das ist hilfreich für alle Naturliebenden, die Argumente brauchen etwa für die Agrarwende oder gegen die Versteinerung von Gärten.

Es gibt viel zu tun. Nicht nur montags.

 

Der Braune Bär fliegt erst nach Mitternacht
Autorin: Johanna Romberg
Verlag: Quadriga/Bastei Lübbe, Köln
Jahr: 2021



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