Grüne Überraschung

07. März 2021 | Große Vögel | 3 Kommentare

Blick vom Balkon auf den Garten mit Grünspecht

Blick vom Balkon auf den noch winterlichen Garten im Februar: Ein Grünspecht frisst.

Am Morgen gehe ich gerne kurz auf den Balkon, befülle das Futterhaus für die Meisen, Stare und Sperlinge, schaue nebenbei, was sich gerade ringsum am Boden, in den Bäumen und in der Luft tut. Kürzlich gab es eine besondere Überraschung: Tief unter mir suchte ein Grünspecht nach Futter – dort, wo normalerweise die Amseln nach Insektenlarven und Würmern im Boden stochern.

Der etwa Turteltauben-große Vogel mit seiner leuchtend roten Kappe fiel mir sofort auf, obwohl ich drei Altbau-Stockwerke über ihm stand und obwohl es noch ziemlich schummerig war. – Kein gutes Timing zum Fotografieren. Trotzdem habe ich hier ein paar Fotos zusammengestellt. Denn genau so sehen wir die scheuen Grünspechte meistens, oder gar nicht.

Der Erdspecht

Es ist Anfang Februar, und die ersten Schneeglöckchen blühen schon im Garten. Der Boden ist nicht gefroren, und der Specht sitzt weit entfernt unter mir und bohrt immer wieder seinen Schnabel in die Erde. Er ist auf Nahrungssuche.

Grünspecht von oben, der Kopf ist abgesenkt zum Erdboden

Die rote Kopfbedeckung leuchtet verräterisch.

Wie ich in einem früheren Blogbeitrag schon berichtet habe, ist es für Grünspechte typisch, am Boden unterwegs zu sein. Denn dort finden sie Würmer, Engerlinge und andere Larven von Käfern. Als „Erdspechte“ werden Grünspechte und ebenso die Grauspechte bezeichnet. Sie werden in der Biologie „Hackspechten” wie dem Buntspecht gegenüber gestellt.

Was der Grünspecht frisst

Auf Bäumen findet der Grünspecht ebenfalls Nahrung. Aber anders als der Buntspecht und auch der Mittelspecht klopft er nicht ans Holz und bohrt keine tiefen Löcher hinein, um Insektenlarven aufzuspüren, sondern sucht speziell unter der Rinde nach Fressbarem. Vor allem: Viel häufiger als die Hackspechte erschließt er sich bodennahe Nahrungsquellen, wie etwa von Johann F. Naumann beschrieben (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. IV, S. 269)

Aus dem Moose unter den Bäumen sucht er Schmetterlingspuppen hervor und frisst auch die Raupen verschiedener Arten. Der Larven wegen stört er auch zuweilen in den Nestern von Hummeln und Wespen herum.¹

Seine Leibspeise sind übrigens Ameisen und deren Larven, die er mit seiner bis zu 17cm langen, klebrigen Zunge angelt. Um an sie heranzukommen, stochert er in Ameisenhaufen – gerade auch im Winter, wenn die Tiere kältestarr sind und das Nahrungsangebot insgesamt gering ist. All das lese ich in dem wunderbaren Buch Spechte & Co.

Manchmal sieht der Schnabel des Grünspechts recht schmuddelig aus. Das hat einen trifftigen Grund: Wenn er mit seinem kräftigen Schnabel den Boden förmlich aufhackt oder sogar Gänge gräbt, um an verborgene Nahrung zu gelangen, bleibt Erde hängen. Dann wirkt der eigentlich bleigraue Schnabel verklebt und ist vor allem an der Spitze mattbraun gefärbt.

Grünspecht von der Seite, und man sieht den langen Schnabel

Tief senkt sich der Schnabel in den Boden.

Sichern ist wichtig

Während mein Überraschungsbesuch in der Erde stocherte, hob er zwischendurch immer wieder den Kopf und hielt ihn schräg, um so die Sicherheitslage zu kontrollieren. Vermutlich hatte er mich bemerkt.

Ein Grünspecht dessen Schnabelspitze dunkel ist.

War da was? Kontrolle ist wichtig. Von „Sichern“ sprechen wir in der Biologie.

Dass es sich bei dem morgendlichen Gartenbesucher um ein Männchen handelt, lässt sich dem kleinen roten Fleck unter dem Auge erkennen, der in dem sogenannten schwarzen Bartstreifen liegt.

Drei Grünspecht in einer Grafik von Naumann. sie sitzen auf einem Ast.

Links oben: Männchen, rechts: Weibchen, unten: Jungvogel.

Die weiblichen Grünspechte haben an dieser Stelle keine roten, sondern nur schwarze Federchen.

Nicht nur das illustriert die Grafik aus dem „Naumann“ (a.a.O. Bd. IV, Tafel 29) besonders gut, sondern auch die Vielfalt der Gefiederfarben.

Der Rücken der adulten Spechte ist weitgehend grün – und namensgebend für dies Vogelart.

Zusätzlich leuchten einzelne Federpartien am Bürzel und der Oberschwanzdecke „hoch gelb“ – wie Johann F. Naumann es so passend und für uns heute ungewöhnlich ausdrückt.

Der Jungvogel hingegen hat etwas von einem Streuselkuchen, um es profan auszudrücken.

Schmucker Abflug

Es dauerte übrigens nicht lange, da flog der Grünspecht auf und schwirrte in die knorrige Robinie am Rande des Gartens. Dort platzierte er sich so geschickt, dass ich ihn nie entdeckt hätte – wäre er mir nicht schon zuvor aufgefallen.

Ein Grünspecht sitzt kaum erkennbar auf einem grünlich bewachsenen Ast der Robinie.

Perfekt getarnt in der knorrigen Robinie

Leider hielt es ihn auch dort nicht lange, und er flog in seinem attraktiven gelb-grünen Federkleid und geschmückt mit der leuchtend roten Kappe davon. Mir hinterließ er ein zugleich rätselhaftes und doch eindeutiges Flugbild.

Ein fliegender Grünspecht mit seinem rot, grün und gelb gemusterten Federkleid.

Flüchtiger Farbenrausch

¹ So lautet der Text, aber vermutlich muss es „stöbert herum” heißen.

 

Grünspecht | Pic vert | Green Woodpecker | Picus viridis

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

3 Kommentare

  1. Sehr geehrte Frau Brüser,
    vielen Dank für diesen informativen Blog-Beitrag. Neulich haben meine Frau und ich auch ein Grünspecht-Weibchen im Boden pickend gesehen. Nun erklärt sich das Verhalten für uns viel besser.
    Liebe Grüße

    Antworten
  2. …gut getroffen! Charakteristisch für den Grünspecht ist auch sein „Gesang“, ein weithin schallendes Lachen…
    Liebe Grüsse
    Wolf

    Antworten
    • Danke, und völlig richtig! Der Sänger wartet noch auf seinen Auftritt…

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Abo-Werbung für den Blog "Flügelschlag und Leisetreter" mit einem Specht, ein Kunstwerk von M. Garff

Vogelthema gesucht?

Gut sortiert

5 von 796 Kommentaren

Alle sind vollständig unter dem zugehörigen Blogbeitrag zu lesen.

  • Marie zu Die Schnee-AmselHallo, auf der Suche nach einer Biberburg zu den Biberbissspuren haben wir auch eine gesehen, und dachten aus der Ferne zunächst an einen entflogen Ziervogel. Mit Fernglas und Geduld haben wir ihn dan…
  • Elke Brüser zu Rostrot geschmücktDanke für Ihren netten Kommentar, und gerne dürfen Sie den Sperber als Vorlage benutzen. Wenn Sie mögen, können Sie mir auch später das Ergebnis senden. Und vielleicht gefällt es Ihnen sogar, wenn ich…
  • Dr. Elisabeth Schnell-Rath zu Rostrot geschmücktWie wundervoll dieser Bericht wieder ist!!! Toll und herzlichen Dank dafür! Ja Bernd Pöppelmann malt sehr gelungene Bilder - übrigends auch sein Freund Claus Rabba… Darf ich bitte das wunderschöne Fot…
  • Elke Brüser zu Segler der AndenLiebe unbekannte Katja, da hast du mir mit deinem Kommentar heute Morgen aber große Freude geschenkt. Danke!
  • Katja Garni zu Segler der AndenHerzensDank für den so tiefgründigen Bericht ❣️ Ich liebe sie sehr die Könige der Lüfte … Und die Anden faszinieren mich schon geraume Zeit - WunderVolle Bilder und Erfahrungen teilst du mit uns teils…

Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

Cookie Consent mit Real Cookie Banner