Viele Menschen mögen Krähenvögel nicht besonders, und zwar weder die angeblich so diebischen Elstern, noch eine laute Kolonie von Saatkrähen oder die Nebelkrähen, die sich – wie ihre nähere Verwandtschaft auch – durchaus als Nesträuber von Spatz & Co. betätigen. Allerdings sind alle Vertreter der Krähenfamilie, auch Corvidae oder Corviden genannt, kluge und sehr unterhaltsame Vögel.¹ Das lässt sich etwa in dem Buch Krähen von Cord Riechelmann wunderbar nachlesen.
Von einer speziellen Begegnung möchte ich kurz berichten, zumal es sich dabei um das Treiben einer Krähe handelt, die eindeutig ein „Mischling“ ist. Ein Nachkomme von Eltern zweier verschiedener Vogelarten, die sich gepaart haben und Junge aufziehen, heißen heute meist Hybrid oder Hybride.
Krähenmischling im Überlappungsgebiet zweier Arten
Unter den Corviden sind die schwarz-graue Nebelkrähe, die im Osten Deutschlands vorkommt, und die pechschwarze Rabenkrähe, die im Westen Deutschlands lebt, genetisch sehr nah verwandt und einander in vielen Verhaltensweisen ähnlich. Darum klappt es hin und wieder mit der artübergreifenden Familiengründung, und zwar in den Gegenden, wo sich die Verbreitungsgebiete beider Arten überlappen.
Als Grenze zwischen Nebelkrähe und Rabenkrähe, auch Aaskrähe genannt, gilt die Elbe. Aber daran halten sich die Individuen natürlich nicht, und das erklärt, weshalb zum Beispiel in Berlin – also etwa 100 km Luftlinie östlich der Elbe – solchen Krähenhybriden vorkommen.
Die Vermehrungschancen der gemischtfarbigen Nachkommen sind gering, denn offenbar ist gerade die genetisch fixierte Gefiederfarbe bei der Partnerwahl wichtig. Und da bevorzugen die grau-schwarz gekleideten Nebelkrähen ihre ebenso gefärbten Artgenossen, während die pechschwarzen Rabenkrähen ihre schwarzen Artgenossen am attraktivsten finden. Folglich schneiden Krähenhybriden, die sehr unterschiedlich aussehen können – wie auf dem Portal ornitho.de zu sehen –, bei der Partnerwahl schlecht ab.²
Was schmeckt, das schmeckt
Eigentlich war ich in Berlin Reinickendorf unterwegs, um dort Rothalstaucher zu beobachten. Denn die sind Anfang März gerade dabei, ihre Reviere abzustecken. Während ich noch darauf wartete, dass sie in Ufernähe schwammen, spazierte dieser auffällige Krähenmischling vorbei und tauchte am flachen Ufer irgendetwas ins Wasser. Das Verhalten kannte ich bereits von den Nebelkrähen in unserem Garten, die vor allem Gebäck einweichen. Was also gab es hier zu futtern?
Tatsächlich: Im Schnabel trug die Krähe zwei Brekkies! Doch sie hatte offenbar nicht die Absicht, die Brekkies sofort zu fressen – womöglich war sie satt –, stattdessen transportierte sie die rötlichen, angefeuchteten Ringe auf die Wiese und stopfte sie zwischen die Wurzeln der Grashalme.
Aber nicht nur das: Die Krähe rupfte sich gezielt Grashalme zusammen und bedeckte damit ihren „Schatz“. Mehrfach konnte ich das beobachten. Hier nun ein Video dazu, das in zwei Teile geschnitten ist: verbuddeln und verbergen. Und das Ganze mit dem Sound der Großstadt!
Erstmal verbuddeln
Hinterher verbergen
Nicht ungewöhnlich
Dieses Verhalten ist im Prinzip nicht ungewöhnlich, denn Rabenvögel legen Futterdepots an, um bei Bedarf darauf zurückzugreifen. Außerdem achten sie darauf, dass Artgenossen – als potenzielle Nahrungskonkurrenten – ihnen dabei nicht zuschauen.
Als Konkurrenz oder Störenfried zählte ich offenbar nicht, da ich weit entfernt mit starkem Kamerazoom stand und Spaziergänger, spielende Kinder und chillende Jugendliche an diesem See häufig sind. Jedenfalls war die Krähe mit ihrem Job sehr zufrieden – so mein Eindruck –, und das tat sie auch lauthals kund.
Ich weiß leider nicht, wer diese Brekkies mittlerweile gefressen hat. Der Krähenmischling oder einer der Hunde, die hier ausgeführt werden? Oder kommt nachts manchmal ein hungriger Hauptstadt-Fuchs vorbei?
¹Rabenvögel ist eine andere Bezeichnung für die Krähenverwandtschaft
²Krähen: Auf die Farbe kommt es an (www.wissenschaft.de, 27. März 2019 )
Krähenhybride = Krähenhybrid: Nebelkrähe (Corvus cornix) x Rabenkrähe (Corvus corone)
Das Verhalten dieser schönen Hybrid-Krähe hast Du wirklich gut festgehaltn. Habe mich gefreut, sie hier so eindrucksvoll in Aktion zu sehen. Well done :)))
Köstlich, danke für den Beitrag! Das ist der Grund, warum ich im Sommer an meiner stets offenstehenden Küchenbalkontür zum Hinterhof einen Plastikstreifenvorhang aufhänge: regelmäßig kamen hier in der Früh die Krähen frech in die Küche spaziert, um den Katzen das Futter zu klauen. Da waren auch Leckereien wie gekochte Hühnerherzen oder Feuchtfutter zu haben. Der Klauversuch blieb katzenseitig natürlich nicht unbemerkt, so dass ich hin und wieder zu unangenehm früher Stunde von Gekeife in der Küche geweckt wurde. Auch aus Angst, dass die Katzen den fliehenden Vögeln im Eifer des Gefechts nachsetzen und vom Balkon plumpsen oder dem Schnabel beim Gefecht ums Futter nicht schnell genug ausweichen könnten, war der Vorhang für mich das Mittel der Wahl. Bei diesem Krähenmischling war dann wohl die zum Futter gehörige Katze auch nicht schnell genug. ;D
@ Elke K.: Tolle Geschichte! Da passt dann die eine Geschichte zur anderen.
Liebe Elke,
ein amüsanter Beitrag, den ich gerne gelesen habe. Vielen Dank.
Ich habe eine große Futterstelle auf einer Freifläche zu einem Bach hinter unserem Garten. Dort taucht hin und wieder ein Pärchen Rabenkrähen auf, um zu fressen. Ich schaue ihnen gerne dabei zu, wie sie den Boden abschreiten, Blätter umdrehen und ab und zu etwas aufnehmen. Besonders bewundere ich das glänzende, tief schwarze Gefieder und sie sehen recht groß aus. Sie sind jedoch sehr scheu. Sobald sie eine Bewegung am Fenster bemerken, fliegen sie weg.
Ich habe gelesen, dass Rabenkrähen sich abends auf einem „Schlafbaum“ sammeln, um in Gemeinschaft zu übernachten. Das scheint dort der Fall zu sein. Wir leben am Rand unserer kleinen Stadt. Es schließt sich ein größeres Waldgebiet an. In dem einen Hang halten sich seit Jahren morgens und abends einige Rabenkrähen auf und das ist ein lautes Spektakel.
Mittlerweile erkenne ich ein paar markante Stimmen. Sie sind tatsächlich aus den anderen herauszuhören. Sie sind höher oder tiefer als die anderen. Und eine Stimme hört man besonders oft und laut. Ich habe mich gefragt, ob diese Krähe auch eine besondere Stellung hat.
Ich mag diese imposanten Vögel.
Liebe Cornelia, das freut mich, dass du auch viel Spaß an den klugen Krähenvögeln hast. Sie sind allerdings immer sehr vorsichtig, und auch mich lassen die Nebelkrähen, die ganz in der Nähe brüten und aus meinem Vogelhaus das Futter für kleinere Singvögel stiebitzen, nicht nah heran. Dass sie mich kennen, ist andererseits keine Frage, denn sie erkennen Gesichter und beobachten immer, wenn ich Mehlwürmer für Amseln und Stare auslege. Übrigens bin ich bin mir ziemlich sicher, dass du zurecht meinst, individuelle Stimmen bei Rabenkrähen zu erkennen. Ich werde mal einen Krähenexperten fragen, ob das durch Studien belegt ist.
@ Cornelia: Nun habe ich die Antwort von einem Krähenspezialisten erhalten, der in Berlin zum Thema Krähen eine Dissertation geschrieben hat: Ja, sagt Fern P. Duvall, es ist möglich, individuelle Stimmen herauszuhören. Insbesondere Jung und Alt unterscheiden sich.