Der Plan: Einweichen

04. November 2019 | Mensch & Vogel | 4 Kommentare

Der November ist nicht gerade der Monat, der mich und viele andere Vogelfreunde begeistern könnte: Viele Gefiederte sind längst gen Süden abgeflogen, im Wald ist es ungewöhnlich ruhig und die Wintergäste aus dem hohen Norden sind bei uns noch nicht eingetroffen.

Allerdings lohnt es sich, selbst an trüben Regentagen, genauer hinzuschauen, was die ortstreuen Vertreter unter den geflügelten Mitbewohner so treiben.

In Berlin sind das zum Beispiel die Nebelkrähen.

Rabenvögel: weitverbreitete Sippschaft

Nebelkrähen gehören neben den nahverwandten Rabenkrähen zur Familie der Rabenvögel (Corvidae). Während die schwarz-grau gezeichnete Nebelkrähe östlich der Elbe verbreitet ist, kennen „Westdeutsche“ vor allem die schwarze Rabenkrähe.

Eine schwarz-graue Nebelkrähe sitzt auf eine Gestänge am Dachfirst.

Die Gefiedermusterung ist an einem Sommertag gut zu erkennen.

Auch die Saatkrähen, Dohlen, Kolkraben, Eichelhäher und – als etwas entferntere Verwandte – die Elstern zählen zu den Rabenvögeln. Weltweit gehören der Familie rund 120 Arten an. Man bezeichnet die gesamte systematische Gruppe auch als Corviden oder Krähenverwandte.

Fast überall auf der Welt lebt die eine oder andere Rabenart, etwa schwarz-weiße Schildraben in der afrikanischen Savanne oder die rotfüßige Alpenkrähe im Hochgebirge.

Bei den meisten Vertretern ist das Federkleid schwarz-weiß oder hellgrau gemustert. Es gibt allerdings auch farbenprächtige Arten. Dazu gehört unser Eichelhäher.

Für die starke Ausbreitung der Corviden gibt es Gründe. Einer davon ist sicher ihre beeindruckende Lern- und Anpassungsfähigkeit. Bezogen auf das Nahrungsspektrum lese ich im Urania Tierreich (Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1974, Bd. 6) auf Seite 360

Da sie in der Nahrung nicht gerade wählerisch sind, konnten manche weit nach Norden und in Bergeshöhen vordringen, und brauchen in der ungünstigen Jahreszeit auch kaum in wärmere und beutereichere Gebiete auszuweichen.

Auf der Dachrinne

Von meinem Büro im Dachgeschoss aus kann ich die schwarz-grauen Gefährten das ganze Jahr über beobachten, denn in Berlin sind sie Standvögel – mit anderen Worten: Sie bleiben auch im Winter vor Ort. Die meiste Zeit des Jahres sind Nebelkrähen als Paar unterwegs. Nur wenn im Frühjahr die Jungen flügge sind und das Nest verlassen, sorgt das mehrköpfige Familienleben durch Bettelrufe und allerlei Flugübungen für Unruhe.

Kürzlich saß ein Nebelkrähenpaar wieder einmal auf der Dachrinne des Nachbarhauses, in der sich immer so einiges zwischen herabgefallenem Laub und Tannennadeln finden lässt. Auch Elstern und Sperlinge suchen hier nach Nahrung.

Zwei Nebelkrähen sitzen auf der Dachrinne und schauen hoch.

Zwei Nebelkrähen sitzen an der Dachrinne undbeugen sich zum Wasser hin.

Die Nebelkrähen hatten an diesem Regentag allerdings einen anderen Plan: Eine von ihnen hatte ein Stück trockenes Brot aufgetrieben, und das wurde nun mit dem Fuß festgehalten, mit dem Schnabel bearbeitet und stückchenweise eingeweicht. Der hohe Wasserstand in der Dachrinne, deren Abflüsse meist durch Blätter oder kleine Zweige verstopft sind, war dafür ideal.

Zwei Nebelkrähen auf der Dachrinne, eine blickt um sich, die andere hat etwas im Schnabel

Wer hier futtert, muss sich gut festklammern.

Ich hatte solches Einweichen auch im Frühsommer mehrmals beobachtet, allerdings nutzten die wirklich schlauen Vögel damals meine Wasserstelle für die Kleinvögel im Garten. Mal fand ich darin ein halbes Brötchen, mal ein Stück von einer Toastscheibe oder Reste von einem Schokokeks … sie waren wohl satt. Leider habe ich damals kein Foto gemacht, und das von dem jungen Haussperling, den eine Krähe erbeutet und dort eingeweicht hatte, möchte ich niemandem zumuten.

Mit dem linken Fuß gehaltenes Futter abknabbern, eintauchen und fressen.

Was auf den ersten Blick vielleicht verwundert, das ist, dass die zweite Krähe nah und doch ganz gelassen neben dem Einweicher sitzt. Sie versucht nicht, etwas zu stibitzen. Auch das konnte ich bei den Nebelkrähen in unserem Garten oft beobachten. Es gibt keine Streitereien um Futter: Wer hat, der hat!

Soziale Tiere

Familienangehörige – insbesondere Jungvögel – werden förmlich herbeigerufen, wenn eine Krähe auf reichlich Futter gestoßen ist. Es sind eben sehr soziale Tiere. Das Gemeinschaftliche im Alltag der Paare erstaunt mich immer wieder: Fliegt der eine Partner weg, fliegt der andere kurz darauf hinterher. Und wenig später sitzen dann beide auf dem nächsten Dachfirst oder im Geäst einer Robinie wieder nah beieinander.

Eine Nebelkrähe sitzt in der Dachrinne; wir sehen sie von hinten.

Wo ist sie nur hin?

Abfliegende Nebenkrähe und wir sehen nur das Hinterteil

Aha, in der Robinie. Also Abflug!

Nebelkrähe | Corneille mantelée | Hooded Crow | Corvus cornix

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

4 Kommentare

  1. Hallo Elke,

    ach, wie schön ich es immer finde, wenn ich mal auf solch sonnige Krähen-Posts stoße, in denen die Krähe an sich nicht als ungewollter Balkon- oder Fenstergast verteufelt wird.
    Ich habe auch 2-3Nebelkrähen, die mich regelmäßig besuchen kommen. Meinen lustigsten Clown nenne ich „Kalle“. Kalle kommt sehr oft um Fundfutter im Napf einzuweichen. Darunter sind auch Brötchen, Toastscheiben und allerlei anderes, nicht wirklich lecker aussehendes Zeug ?
    Das spannendste (und auch wieder sehr eklige) war aber mal eine Plasteschale, die noch zum Viertel mit Eiersalat gefüllt war. Es war sehr windig und das Schälchen fiel 2x vom Balkon. Kalle holte es sich wieder und DANN stellte er das Schälchen IN die Wasserschale und lies es dort schwimmen, als wüsste er, dass es dort nicht mehr weg kann. Er naschte etwas und flog dann davon, kam im Laufe des Tages aber immer wieder, um sich einen Happen zu gönnen.

    Am Abend habe ich das dann entsorgt.
    Wirklich schlaue Tiere!

    Und wie gut er mich mittlerweile auch lesen kann. Die anderen beiden, die seltener da sind, schrecken schnell hoch, wenn ich mich bewege. Kalle aber (und das gilt auch für „Trullala“, eine Taube) bleiben ganz relaxt. Geht meine Hand zum Schränkchen wissen sie scheinbar genau, dass ich ein paar Leckerlis für sie habe, denn dann gehen sie an den Rand des Balkons und beobachten mich genau, als würden sie warten, was da kommt. Stehe ich aber gemütlich auf, bleiben sie genau dort, wo sie sind und schauen mir nach, als wüssten sie, dass ich nur reingehe und nicht ans Futterplätzchen komme.

    Ich liebe es!

    Vielen Dank nochmal für deinen schönen Post.
    Diana

    Antworten
    • Hallo Diana,
      wunderbar, dass du deine schönen Beobachtungen mit uns teilst. Manchmal bemerkt man auch, dass Krähen etwas vor uns (oder anderen potenziellen Konkurrenten) verstecken wollen – z.B. KrähenMix hortet Brekkies Sie blinzeln dann meist zu uns herüber – und tun so, als wenn nichts wäre.
      Und übrigens, einer meiner Ringeltauben, der mutigsten, habe ich auch einen Namen gegeben. Sie sollte erst Erna heißen, aber das schien mir angesichts ihrer stolzen Schönheit unangemessen. Sie heißt jetzt Kleopatra … und manchmal kommt sie mit Cäsar.
      Das sind so die kleinen Freuden im Alltag.
      Ich grüße dich, Elke!

  2. Guten Morgen liebe Elke! Wir sind anscheinend beide rege Krähenbeobachter. Seit gut 8 Monaten besuchen uns regelmäßig 2 (kurzzeitig 3) Krähenvögel….das Einweichen des Essens ist mir sehr vertraut. Ich stelle ihnen stets eine Wasserschale zum Essen dazu.
    Ich bilde mir ein, dass es Nebelkrähen sind. Eine der beiden Hauptvögel ist schwarz mit einem hellen Unterkleid…ich dachte immer dass sie jung ist, aber kann es sein, dass sie eine Mischart ist? Ich freue mich auf eine Antwort und bedanke mich für deine Website 🙂 Gudrun aus Wien

    Antworten
    • Liebe Gudrun, ja, es ist immer unterhaltsam, den klugen und verspielten Krähenvögeln zuzuschauen – und gerade in Großstädten bietet sich das an. Zu deiner Frage: In Österrreich brüten sowohl Nebelkrähen als auch Rabenkrähen. Und die Arten hybridisieren – also sie mischen sich. In Berlin habe ich einen solchen Vogel länger beobachtet und vielleicht schaust du wegen der Gefiederfarben noch auf den Blogpost, der damals entstanden ist „KrähenMix hortet Brekkies“: https://fluegelschlag-birding.de/ornithologie/kraehenmischling/ Jedenfalls haben Nebelkrähen einen grauen Körper, Flügel und Kopf sind schwarz. Die Rabenkrähe ist gänzlich schwarz. Der genetische Mix aus beiden ergab dann in Berlin einen Nachkömmling, der etwas gesprenkelt aussieht.

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Abo-Werbung für den Blog "Flügelschlag und Leisetreter" mit einem Specht, ein Kunstwerk von M. Garff

Vogel gesucht?

Gut sortiert

5 von 773 Kommentaren

Alle sind vollständig unter dem zugehörigen Blogbeitrag zu lesen.

  • Elke Brüser zu Wie Möwen uns bereichernEin wunderbarer Hinweis. Dorit Liebers ist mir eine gute Bekannte, und ich möchte hinzufügen, dass am 10. Oktober um 19 Uhr eine Lesung mit Holger Teschke und Dorit Liebers im Meeresmuseum von Stralsu…
  • Bernd Seidel zu Wie Möwen uns bereichernDer Besprechung möchte ich einen Hinweis auf den Podcast zum Buch anfügen. In dem kommt die Möwenexpertin Dorit Liebers-Helbig ausgiebig zu Wort, deren ornithologische Expertise Teschkes Werk über Möw…
  • Birgit Hofer zu Der kecke Yacht-BesetzerMir ist soeben in den Strandklippen von Zakyntos ein Eisvogel begegnet. Unglaublich, was es alles gibt. Daheim in den Alpen hatte ich dieses Glück noch nie
  • Elke Brüser zu Bald beginnt die JagdDanke für diesen schönen Tipp, Angelina. Als gebürtige Bremerhavenerin kenne ich Stankt Jürgen Land gut (sehr grün und sehr schön), bin auch manchmal in der Gegend. Und tatsächlich habe ich dort beim…
  • Angelina Sörgel zu Bald beginnt die JagdEin schöner Beitrag! Ich möchte dazu eine Geschichte empfehlen: „Rotkrause, die Geschichte des Fasanen aus dem Dontal“. Es handelt sich dabei um eine der wunderbaren Tiergeschichten von Ernest Thompso…

Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

Cookie Consent mit Real Cookie Banner