Kürzlich hatte ich das Glück, vom Küchenfenster aus Elstern beim Nestbau beobachten zu können. Die langschwänzigen, schwarz-weißen Vögel sind unruhige, extrem aufmerksame Geschöpfe, deren Farbenpracht oft verborgen ist. In der Zeit des Nestbaus sind sie besonders wachsam und mögen keine Zuschauerin wie mich. Schnell werden sie skeptisch und verschwinden im nächsten Baum oder im Gebüsch.
Elstern treiben sich oft in unserem Garten und in der Nachbarschaft herum. Aus der Ferne sieht das schillernde Gefieder meist schlicht schwarz-weiß aus. Aber durch das Fernglas zeigt sich die ganze Pracht.
Insbesondere wenn der Himmel etwas verhangen ist, schafft es auch die Kamera die Farben einzufangen – das heißt, den Schwanz mit seinen grünlichen Steuerfedern und die weitgehend stahlblau getönten Flügel, bei denen Vogelkundige zwischen Hand- und Armschwingen unterscheiden. Teilweise ist die Färbung auch ein Blaugrün und sehr dunkel. Das gilt etwa für die Handschwingen und die so genannten Decken.
Um das zu verdeutlichen, habe ich aus Brehms Tierleben eine schematische Vogelzeichnung übernommen und händisch etwas angepinselt. (Brehms Tierleben, 1900, Leipzig und Wien, Die Vögel, Bd. I, S. 6)
Sie soll illustrieren, welche Federpartien bei adulten Elstern in grünen und blauen Tönen schillern. Grün umrandet habe ich das Schwanzgefieder und die Flügeldecken, blau gerahmt sind Arm- und Handschwingen.
Nestbau in der Fichte
Die großen Nester von Greifvögeln wie auch von Krähenvögeln, zu denen die Elstern zählen, bezeichnen wir in der Biologie meist als Horst. Oft werden sie von den Vögeln – oder auch einer anderen Art – nicht nur in einer Saison genutzt, sondern nach einigen Umbauarbeiten und Renovierungen mehrjährig.
Regelmäßig höre ich das „SchakSchak“ oder „Schakerack“ der Elstern im Garten. Aber meistens sind sie auf und davon, bevor ich zur Kamera greifen kann. Umso mehr erfreut war ich, als ich am 20. März bemerkte, dass ein Elsternpaar entschieden hatte, weit oben in der mächtigen Fichte unserer Nachbarn einen Horst zu errichten.
Bekannt ist, dass Elstern dort gerne nisten, wo sie sich auch sonst herumtreiben. Sie gelten daher als eine standorttreue Vogelart. Und die Nähe zu Menschen stört sie nicht, im Gegenteil. Udo Bährmann schreibt in seiner Monographie Die Elster (Neue Brehm-Bücherei, 1968/1995, Magdeburg) auf Seite 44
Die Elster richtet sich bei der Wahl des Standortes ihres Horstes nach den Gegebenheiten ihres Aufenthaltsortes. Außer der Nähe menschlicher Niederlassungen, wo sie mit Vorliebe brütet, horstet sie auf allen möglichen Bäumen, bald niedrig, bald hoch.
Eine Unterlage errichten
Unglaublich emsig brachten beide Elstern permanent Nistmaterial herbei und versuchten damit, zwischen den sperrigen Zweigen des Nadelbaums hindurch zu kommen und eine Unterlage zu konstruieren. Das ist nämlich der erste Schritt, bevor nach und nach ein fast kugelförmiges Nest entsteht. Udo Bährmann formulierte diesen Job der Elstern ganz unaufgeregt so (Seite 45)
Die erste Unterlage besteht aus einer Schicht querübereinandergelegter trockener Reiser.
Ja. Klar. Doch diese Unterlage zu bauen, ist definitiv kein Kinderspiel. Beim Zuschauen hätte ich dem Elsterpaar gerne unter die Arme, nein die Fittiche, gegriffen… Zwei kurze Video-Ausschnitte, bei denen der starke Wind und die nistenden Haussperlinge unter dem Hausdach zu hören sind, sollen das illustrieren.
Und die ganze Tücke des Objekts offenbart sich nochmals hier:
Kontrolle muss sein
Bei den Elstern bauen der männliche und der weibliche Vogel, wobei ihre Rollen etwas ungleich verteilt sind. Mit der Zeit wird Herr Elster immer mehr zum Zuträger von Material und zum Kontrolleur der Umgebung. Frau Elster kümmert sich primär um den Innenausbau.
Immer wieder konnte ich beobachten, dass eine der Elstern – ich denke, es war das etwas größere Männchen – die Wächterposition auf der Fichtenspitze einnahm. Das hatte seinen Grund.
Nicht weit entfernt hatten bereits Nebelkrähen einen Horst errichtet, und die fanden es offensichtlich überhaupt nicht lustig, dass hier Elstern brüten und mit der Nebelkrähenfamilie um Nahrung für den zu erwartenden Nachwuchs konkurrieren wollten.
Womöglich war den Krähen diese Horstanlage zu nah an der eigenen. Denn sie erschienen nicht nur regelmäßig auf unserem Schornstein und fixierten die große Fichte, sondern flogen Attacken in diese Richtung. Hin und wieder ließen sie sich sogar laut krächzend nahe der Horstanlage im Geäst nieder.
Manchmal brüten Elstern und Nebelkrähen in gar nicht so großer Entfernung einträchtig nebeneinander. Manchmal aber nicht – und dann geben die Elstern ihren Rohbau auf. Das ist unter Umständen auch kein Problem, denn im März ist ihr sogenannte Bautrieb stark, und binnen weniger Tage bauen sie eine zweite oder sogar dritte „Wohnung”. Abschließend zitiere ich nochmals Udo Bährmann (Seite 46)
Es kommt nicht selten vor, daß mehrere Nester von ein und demselben Pärchen nacheinander angefangen werden, von denen meist das zuletzt begonnene vollständig ausgebaut und zur Brut verwendet wird.
Ich werde bald berichten, wie es in diesem Fall weiterging.
Elster | Pie bavarde | Magpie | Pica pica
Ein Wort zu Nebelkrähen – Jetzt, wo es auch in unserer kleinen, aber oft dicht befahrenen Kiez-Straße in Schöneberg so ruhig geworden ist, konnte ich die Tage sechs oder sieben Krähen gut beobachten. Die Bande macht beim Hin- und Herfliegen zwischen Dächern, Schornsteinen und Baumkronen mächtig Radau. Sie sind, und waren es wohl immer schon, die Chefs dieser Straße. Und dann verziehen sie sich wieder. Vermutlich ist ihr Revier weit größer als ich von meinem Balkon aus erkennen kann.
In der Tat hat man manchmal den Eindruck, dass ein Paar Nebelkrähen oder ein Grüppchen die Straße kontrollieren – und derzeit fallen sie uns stärker auf, weil es insgesamt leiser geworden ist. Zusätzlich hat ihnen Covid-19 ein Problem beschert: durch die Schließung von Schulen, Spielplätzen und Restaurants geht ihnen viel an Nahrung verloren, die dort weggeworfen wird oder liegen bleibt. Sie darben also mehr, möglicherweise streiten sie auch mehr.