Wenn ich die Stadt verlasse und Vögel beobachten möchte, habe ich nicht nur die Gefiederten im Auge, sondern mir fallen auch die Leisetreter – wie ich sie gerne nenne – auf: schillernde Insekten, Säugetiere auf Hufen oder Pfoten und Kriechtiere wie zum Beispiel Schlangen. Dieses Jahr begegneten mir beim Vogelgucken gleich drei Arten von Kriechtieren (Reptilien), und zwar Ringelnatter, Kreuzotter und Blindschleiche.¹
Von der Ringelnatter, die direkt auf mich zu schwamm während ich dem Treiben in einer Kolonie von brütenden Lachmöwen und Fluss-Seeschwalben zusah, möchte ich heute berichten. Sie gehört zur Familie der Nattern (Colubridae) und dort in die Gruppe der Wassernattern (Unterfamilie Nartricinae).
Gute Schwimmerin
Immer wieder bin ich fasziniert, wenn eine Ringelnatter an der Wasseroberfläche eines Sees oder Teiches unvermittelt auftaucht und zum Ufer schwimmt, auch wenn sie ganz unerwartet wieder abtaucht. Wie elegant dieser langgestreckte Körper sich durchs Wasser gleitend oder schlängelnd vorwärts bewegt!
Das vermutlich weibliche Exemplar – die Damen sind größer als die Herren – kam direkt zum diesseitigen Ufer geschwommen. Dort wollte sie vermutlich ruhen. Sicher lockte auf dem Weg dorthin das Schilf als Möglichkeit, sich zu verbergen und Beute zu machen. Doch das blieb mir verborgen, denn nachdem ich der Natter einige Zeit zuschauen konnte, taucht sie zwischen den Halmen plötzlich ab und verschwand.
Schwimmnattern können in ihrer langgestreckten Lunge – sie haben nur eine – eine Menge Luft speichern. Ringelnattern können dadurch zum Beispiel 30 Minuten unter Wasser bleiben.
Die hübsche Mondzeichnung
Damit das klar ist: Ringelnattern sind für Menschen ungefährlich. Zwar haben sie Giftzähne, mit denen sie glibberigen Speichel aus der Oberlippendrüse und Gift aus ihrer Giftdrüse in die Beute drücken. Aber selbst die kleinen Teichbewohner, die die Ringelnatter erbeutet und sogleich verschlingt, sterben nicht am Gift sondern am Gefressen werden …
Der Bestand an Ringelnattern ist bei uns extrem bedroht. Sie sind per Bundesnaturschutzgesetz zwar geschützt, aber das nützt ihnen wenig, wenn ihr Lebensraum zerstört wird. Bei genauem Hinsehen ist die meist 80 bis 120 cm lange Schlange übrigens wirklich hübsch. Ich war jedenfalls froh, dieses recht dunkel gefärbte Tier zu entdecken. Die Grundfarbe ihres Schuppenkleids liegt zwischen grau, braun, grünlich und schwarz.
Am Hinterkopf hat die Ringelnatter beidseitig ein gut sichtbares Erkennungszeichen: einen orangefarbenen bis gelblich-weißen Halbmond. Dass sich beide Monde fast zu einem Ring verbinden, soll namensgebend für diese Schlange sein. Die Wortwahl erinnert übrigens an die Ringeltaube. Auch ihren Hals schmückt kein vollständiger Ring, aber die weißen Flecken am Hals fließen beinah zu einem Halsring zusammen.
Die Ringelnatter hat wie auch andere Schlangen einen starren Blick. Das liegt unter anderem daran, dass ihr die Augenlider fehlen. Leicht entsteht so der Eindruck, dass sie uns fixiert oder gar ihre Beute hypnotisiert. Aber das ist Aberglaube.
Wohlfühlecken der Ringelnatter … im Alltag
Das Biotop, in dem Ringelnattern leben, muss vor allem feucht sein. Sie kommen aber auch in Gärten – mit Teich – und an Waldsäumen vor. Vor allem mögen sie überflutete Wiesen, feuchte Ufer, Gräben und andere stille Gewässer. In diesem Lebensraum finden sie üblicherweise Frösche und Kröten, die ihre Leibspeise sind.
Bei größeren Ringelnattern verschwindet auch mal ein Fisch oder eine Wühlmaus im Magen. Eine Junge Ringelnatter ernährt sich hingegen von kleine Beutetieren, etwa von Kaulquappen, Larven von Wassermolchen, Regenwürmern usw.
Wohlfühlecken … für den Nachwuchs
Für ihre weichschaligen Eier sucht Frau Ringelnatter ein warmes Plätzchen. Das kann ein Komposthaufen sein, ein Heuhaufen auf dem Feld oder sogar ein Hühner- oder Entenstall. Von einer derartigen Behausung der Ringelnatter berichtet Alfred E. Brehm (Brehms Tierleben, Leipzig und Wien, 1900, Bd.7) unter Berufung auf Berichte eines Gewährsmanns, Seite 310
Als besonderen Lieblingsaufenthalt von ihr lernte Struck in Mecklenburg die Ställe der Hühner und Enten kennen und sah namentlich in denen der ersterwähnten Vögel zuweilen alte und junge Nattern zu Dutzenden. Die hier befindliche feuchte warme Streu behagte ihnen besonders.
Da haben sich die Zeiten in den letzten 125 Jahren mächtig geändert. Bei der Art und Weise, wie heute Landwirtschaft betrieben und auf dem Land gelebt wird, muss Frau Ringelnatter nach einem guten Standort für die Eiablage und ihren Nachwuchs, der sich nach dem Schlüpfen selbständig durchschlagen wird, lange suchen.
Zu Zeiten von Alfred E. Brehm lebten Ringelnattern manchmal sogar unter den Dielen des Wohnzimmers.
Wohlfühlecken … im Winter
Schlangen sind wechselwarme Tiere: Ist es draußen warm, regen sich ihre Lebensgeister. Das heißt sie werden warm und aktiv. Ist es draußen kalt, sinkt ihre Körpertemperatur. Dadurch werden sie kalt und inaktiv. Für den Winter suchen sie sich daher einen Ort, wo sie zusammengerollt und ohne zu viel Kälte überwintern können.
Beliebt sind wegen der Fäulniswärme sowohl Komposthaufen als auch Laubhaufen und verrottendes Wurzelwerk. Aber Fels- und Mauerspalten kommen ebenfalls in Frage.
Feinde der Ringelnatter
Sehr viele Feinde hat die Ringelnatter nicht. Sie weiß zudem, sich zu verbergen und zu wehren: Neben eindrucksvollen Drohgebärden hat sie die Möglichkeit, bei Gefahr ihre Kloake zu entleeren. Das ergibt einen fürchterlichen Kotgestank, den Menschen und andere Tiere unerträglich finden.
Obwohl Schlangen nicht hören können, weil ihnen Ohren samt dem äußeren Gehörgang fehlen, entdecken sie Gefahren schnell. Gut ausgeprägt sind das visuelle Erkennen von Bewegungen und die Wahrnehmung von Erschütterungen – und Schlangen liegen ja mit dem ganzen Körper flach dem Boden oder im Baum einem Ast auf. Die Körperoberfläche ist dabei eine gute „Empfangsschüssel“. Und was die gespaltene Zunge angeht, die auf einem der Fotos („züngelnd schwimmen“) gut erkennbar ist: Mit dieser nehmen sie Düfte war. Sie schieben die Zunge bei geschlossenem Mund durch eine kleine Öffnung und bewegen sie hin und her, züngeln also. Dass die Zunge gewissermaßen zwei Enden hat, erleichtert das Orten von duftenden Objekten.²
Früher waren Ringelnattern im Haus als „Glücksbringerinnen“ vielfach gern gesehen – und manche von ihnen gewöhnten sich gut an Menschen, wurden geradezu zutraulich. Heute werden sie aus Unkenntnis gefürchtet. Und gerade der Mensch ist und bleibt eine erhebliche Gefahr für die geschützte Ringelnatter. Bereits in Grzimeks Tierleben (Zürich 1970, Bd. 6) steht dazu, Seite 395
Nicht nur Katzen, Igel und Greifvögel, sondern auch unvernünftige Menschen stellen ihnen nach. Die größte „Schlachtbank“ nicht nur für Schlangen, sondern für alle bodenlebenden Tiere bilden heute die Autostraßen.
Das haben die Autoren des Kapitels „Nattern“ vor mehr als 50 Jahren geschrieben, und daran hat sich nichts geändert. Es kommt sogar noch ein schwerwiegender Punkt hinzu: die andauernde und vielfältige Zerstörung des Lebensraums von Ringelnatter & Co. durch Entwässerung und „flächenfressende” Baumaßnahmen auf dem Land.
Zwei Tipps
Wie wir hierzulande dafür sorgen können, dass Ringelnattern sich vermehren, ist in diesem kleinen mdr-Beitrag gut dargestellt.
Wer mehr über die Ringelnatter wissen möchte, dem empfehle ich den Galileo-Beitrag.
¹ Während Ringelnatter und Kreuzotter zu den Schlangen zählen, ist die Blindschleiche keine Schlange, sondern eine Echsenart.
² Mit zwei Ohren beziehungsweise zwei Augen wird beim Hören und Sehen ebenfalls die Ortung eines Objekts verbessert.
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