Kürzlich war ich in Berlin an der Krummen Lanke unterwegs, um zu schauen, welche Entenarten dort im Januar auf dem Wasser paddeln und um mich an ihrem winterlichen Prachtgefieder zu erfreuen. Aber es kam wieder einmal anders: Der See war in weiten Teilen zugefroren, nur im Schilf verbargen sich einige Stockenten. Später sah ich außer Blässhühnern, noch Mandarin- und Tafelenten. Und natürlich den Graureiher.
Unmittelbar am Rundweg steht ein maroder Baumstumpf. Dort war ich stehengeblieben, um über mir die beiden Spechte zu orten. Nur dadurch fielen mir all die Singvögel auf, die vom Schilf aus über den Weg ins Gehölz flogen und sich dann auf diesem Baumstumpf kurz niederließen, dort herumpickten und kurz darauf wieder Richtung Schilf abflogen.
Es kam dabei nicht nur zu Drängeleien und kleinen Auseinandersetzungen am Baumstumpf, plötzlich bemerkte ich auch etwas Huschendes am Boden. Und das war keine Amsel, die ja gerne im trockenen Laub stöbern. Das musste eine Maus sein. Wer genau hinschaut, sieht bereits auf dem nächsten Foto nicht nur zwei Vögel – ja, zwei –, sondern am Boden etwas Fellartiges, das wie leblos daliegt.
Das „Fellwesen“ war aber quicklebendig, das zeigte sich rasch. Kaum war ich etwas weiter gegangen, weil das Wesen unter dem langen, abgebrochenen Stamm verschwunden war, da ließ es sich wieder blicken und störte sich auch nicht großartig daran, dass ich – mit einiger Distanz – fotografierte. Keine Frage, das war eine Maus.
Wir waren beide sehr entspannt, und so konnte ich ihr lange beim Fressen zuschauen. Ich wunderte mich allerdings über das für einen Waldboden etwas sonderbare Futter. – Aber das hat sich dann später noch geklärt.
Das Reich der Rötelmaus
Bei dieser Maus handelte es sich jedenfalls um eine Rötelmaus, deren Name schon verrät, was ihr Erkennungszeichen ist: der rötliche Schimmer des Fells. (Und wieder lassen sich alle Fotos durch Wischen oder Anklicken vergrößern!)
Diese kleinen Nager gehören zu den Wühlmäusen, die unterirdische Gänge graben und dort auch ihre blind und nackt geborenen Jungen zur Welt bringen. Bei der Rötelmaus liegen diese Gänge oft nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche. Zusätzlich nutzen die Tiere ein weitläufiges Netz aus Wegen unter der Laubschicht oder unter der Schneedecke.
Die Seenkette im Südwesten Berlins, zu der die Krumme Lanke gehört, liefert den Mäusen ein ideales Habitat, denn sie brauchen Mischwälder mit oder ohne Buchen, Gebüsch und waldnahe Hecken in der Umgebung von Feuchtgebieten oder Fließgewässern.
Dass ich die Rötelmaus an diesem Vormittag im Januar beobachten konnte, war kein Zufall: Denn während die Tiere im Sommer hauptsächlich nachts aktiv sind – und so den vielen tagaktiven Fressfeinde ausweichen –, sind sie im Winter auch tagsüber unterwegs und auf Futtersuche.
Freund und Feind
Mäuse, die auf uns meist so possierlich wirken, können wie viele andere Wildtiere auch, Krankheiten übertragen.¹ In der Land- und Forstwirtschaft gelten Wühlmäuse als Schädlinge, weil sie an den Wurzeln vieler Pflanzen nagen. Davon können auch Gartenbesitzer ein Lied singen.
Im Forst sind Rötelmäuse, die auch als Waldwühlmäuse bezeichnet werden, äußerst unbeliebt, weil sie sich – vor allem in Notzeiten – von Baumrinde ernähren und dabei Buchen, Ahorne und Lärchen bis in mehrere Meter Höhe entrinden können.
Und weil sie viele Keimlinge fressen, schädigen sie zudem Neuanpflanzungen. Das kann auch die wichtige Verjüngung des Waldes verzögern, sagen die einen.
Die anderen sagen: In einem gesunden Ökosystem richten Rötelmäuse relativ wenig Schaden an, denn erst bei massenhaftem Auftreten kann es zu erheblichen Schadeffekten kommen. Das verhindern aber in der Regel die natürlichen Feinde der Rötelmaus, weil sie den Bestand zügig reduzieren.
Außer Säugetieren wie Fuchs & Co jagen vor allem Eulen, wie etwa Schleiereule, Waldkauz, Waldohreule oder der Uhu, die Rötelmaus. Tagsüber sind es dann Greifvögel, darunter Turmfalke, Habicht oder auch Sperber, die Rötelmäuse erbeuten.
Kleine Überraschung
Da sowohl die Singvögel als auch die Rötelmaus so wenig ängstlich waren, blieb ich eine ganze Weile stehen und war erstaunt, wie schnell die Maus unter und teilweise im Baumstamm entlangflitzte, bevor sie weiter oben am sonnigen Hang des Seeufers wieder aus dem Laub lugte.
Wenig später sah ich mir den Baumstumpf aus der Nähe an und erblickte einen reichlich gedeckten Tisch. Die Zutraulichkeit der Tiere hatte sicher damit zu tun, dass sie hier Futter bekommen und dass an diesem verfallenden Baumstumpf regelmäßig ein oder mehrere fürsorgliche Menschen auftauchen.
Und während in dieser naturgeschützten Uferzone im Grunewald manche Spaziergänger nicht verstehen können, warum ihr Hund an die Leine soll,² füttern andere die Singvögel – und die Rötelmaus gleich mit. Das ist Berlin.
¹ Hier stehen Infos zum Schutz vor Viren, die von der Rötelmaus übertragen werden.
² Zum Beispiel werden im Winter die Wasservögel, die am Ufer ruhen und sich sonnen, wieder und wieder aufs Wasser getrieben.
Rötelmaus | Champagnole roussâtre | Red-backed Vole | Myodes glareolus oder Clethrionomys glareolus
Die Rötelmaus an der Krummen Lanke – das ist ein wunderbarer unaufgeregter Bericht. Da kommt man sogar beim Lesen zur Ruhe, als ob man selber dort (im Winter) spazieren würde.
Das freut mich natürlich, dass der kleine Blogbeitrag über die Rötelmaus bei Ihnen so gut angekommen ist. Ich möchte auch an dieser Stelle auf Ihren Blog hinweisen, der für alle, die sich für Kraniche interessieren und den Naturschutz im Auge haben, viele interessante Details bietet: https://www.stiftung-kranichland.org/.