Lachmöwen treiben sich im Sommerhalbjahr an den Küsten und dortigen Binnengewässern herum. Aber sie fliegen im Winter gern weit ins Binnenland und bevölkern Wasserstellen in Großstädten wie Berlin, Genf oder Prag. Das berichtete ganz ausführlich bereits Mitte des letzten Jahrhunderts der Ornithologe Wolfgang Makatsch (Die Neue Brehm-Bücherei, 1952, Die Lachmöwe, S. 61).
Es ist für uns heute ein durchaus vertrauter Anblick, wenn wir zur Winterszeit etwa am Bahnhof Berlin-Friedrichstraße aussteigen und nach wenigen Minuten an der Spree die sich dort zahlreich aufhaltenden Lachmöwen antreffen.
Ich selbst sah im Januar 2016 eine stattliche Gruppe Lachmöwen auf dem Landwehrkanal, wo sie sich unter die Silbermöwen, Stockenten, Blässhühner und Höckerschwäne mischten. Lachmöwen finden im Winter entweder auf frisch gepflügten Äckern ihr Futter oder dort, wo Vögel im Winter durchgefüttert werden. Da sind die Berliner – manchmal zu – großzügig.
Wer die Lachmöwen auch in der kalten Jahreszeit sicher erkennen will, muss wissen, dass die Wintergäste ganz anders aussehen als im Frühjahr, wenn die Paare in großen Kolonien brüten. Sie tragen jetzt ihr Ruhekleid oder Schlichtkleid, das sie wenig später sukzessive gegen das Brutkleid – oder Prachtkleid – eintauschen.
Frisches Gefieder
Ich finde es nach wie vor verblüffend, dass sehr viele Vogelarten im Winter ein anderes Outfit haben als in der Fortpflanzungsperiode. So bekommt die weiß-graue Lachmöwe erst im Frühjahr einen schokoladenbraunen Kopf, auch Kapuze genannt. Schnabel und Beine leuchten dann noch stärker knallrot als im Winter.
Hinter der Umfärbung am Kopf steckt ein begrenzter Federwechsel im Frühjahr. Dadurch kommt die Lachmöwe zu ihrem sogenannten Brut- oder Prachtkleid. Und in dem unterscheiden sich beide Geschlechter nicht. Von diesem „hochzeitlichen Schmuck“ schwärmte der unfassbar detailliert beschreibende Ornithologe Johann Friedrich Naumann bereits im 19. Jahrhundert (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1900, Bd.11, S. 213):
Die alte Lachmöve in ihrem hochzeitlichen Schmuck ist unstreitbar eine der schönsten Möven; das ungemein zarte, lichte Mövenblau, die samtschwarze Flügelspitze, die kaffeebraune Kaputze auf dem allerreinsten und allerweissesten Weiss, welche das Auge blendet, oft von unten her mit der lieblichsten Rosenfarbe angehaucht, dazu das prächtige Blutrot der nackten Teile, vereinigen sich zu einem herrlichen und unvergleichlichen Ganzen …
Vögel wechseln regelmäßig ihr Gefieder, denn die Federn nutzen mit der Zeit ab und ihre Färbung verliert an Brillanz. Man spricht beim Federwechsel von „Mauser“. Dabei spielen Hormone eine wichtige Rolle. Sie sorgen dafür, dass die alten Federn ausfallen und neue – als Ausstülpungen aus der Haut – entstehen. Meist werden die Federn im Laufe eines Jahres mindestens einmal gewechselt. Allerdings tauschen etwa Kraniche und Flamingos ihre großen Schwungfedern nur alle zwei Jahre aus.
Der Ersatz des Gefieders dauert zwischen acht und zwölf Wochen, wobei sich in der Regel die Stand- und Strichvögel – also Arten, die nicht weit ziehen, – mehr Zeit lassen als Zugvögel. Wann und wie gemausert wird, ist von Vogelart zu Vogelart recht unterschiedlich. Manche beginnen damit schon vor der Brut, andere erst wenn die Jungen flügge sind. Für alle gilt: Die Mauser ist ein Handicap. Vorübergehend sind die Tiere oft flugunfähig, also höchst gefährdet.
Eine Frage des Alters
Zurück zu den Lachmöwen, die im Frühjahr so gut an ihrem dunklen Kopf zu erkennen sind. Jetzt im Januar haben sie ein helles Köpfchen und nur hinter dem Auge einen grauen Fleck, der wie eine Ohrmuschel platziert ist. Wie schön, dass mein immer wieder nützliches Urania Tierreich (Rowohlt 1974, Vögel Bd. 2, S. 207) diesbezüglich ganz konkret vom „Ohrfleck“ spricht.
Jungvögel lassen sich in den ersten beiden Jahren von den Altvögeln gut unterscheiden: Schnabel und Beine sind ocker-orange – statt leuchtend rot – und das jugendliche Gefieder ist noch mit Brauntönen unterlegt. Der Kopf bleibt zunächst auch im Sommer hell. Doch alle „kindlichen“ Federn werden nach und nach ersetzt. Und am Ende des zweiten Lebensjahres haben junge Lachmöwen endlich das Prachtkleid ihrer Eltern, inklusive der schokoladenbraunen Kapuze.
Lachmöwe | Mouette rieuse | Black-headed Gull | Larus ridibundus = Chroicocephalus ridibundus
Et en français: Elegance en simple apparat
aktualisiert 10.09.2021
Wunderschön! Danke!
In unserem Berliner Hinterhof hatte sich im Winter mal eine (Lach?-)Möwe zwischen zwei enganliegenden Maschendrahtzäunen verheddert. Wir BewohnerInnen haben sie mit vereinten Kräften behutsam befreit. Es war so irre zu verstehen, wie „federleicht“ sie sind – unsere Wellensittiche kamen mir vergleichsweise/proportional schwerer vor. Kann das sein?
Das kann eher nicht sein, denn fette Wellensittiche wiegen zwar manchmal 80 Gramm, normale aber unter 40 Gramm. Und die Lachmöwe wiegt immerhin plus minus 300 Gramm. Aber bei ihrer Körperlänge von rund 35 cm und einer Flügelspannweite von einem Meter (100-110 cm) ! fühlen sich diese 300 Gramm natürlich anders an. Da musste ich mich jetzt aber auch erstmal schlau machen. Und ich fand nebenbei noch das: Aus Beringungen geht hervor, dass Lachmöwen über 20 Jahre alt werden können.
Welch prächtige Aufnahmen der Lachmöwen! Sie spiegeln die immense Vitalität der Vögel klar wider.
Fast hört man sie kreischen. Ich beneide Dich um Dein großes Geschick beim Fotografieren. Ich habe in Ahrenshoop immer wieder versucht, sie zu fotografieren, mit jämmerlichem Ergebnis.
Ich habe mittlerweile ein sehr ordentliches Objektiv, Made in Germany, das macht es leichter. Die sich putzende Lachmöwe von der bretonischen Küste wäre sonst sicher nicht so gut gelungen. Außerdem bin ich am liebsten alleine unterwegs …