Eleganz im schlichten Outfit

03. Januar 2017 | Große Vögel | 4 Kommentare

Lachmöwe mit roten Beinen und rotem Schnabel putzt sich unter dem linken Flügel mit zurückgebeugtem Kopf

Putzfreudige Lachmöwe im Ruhekleid an der bretonischen Küste

Lachmöwen treiben sich im Sommerhalbjahr an den Küsten und dortigen Binnengewässern herum. Aber sie fliegen im Winter gern weit ins Binnenland und bevölkern Wasserstellen in Großstädten wie Berlin, Genf oder Prag. Das berichtete ganz ausführlich bereits Mitte des letzten Jahrhunderts der Ornithologe Wolfgang Makatsch (Die Neue Brehm-Bücherei, 1952, Die Lachmöwe, S. 61).

Es ist für uns heute ein durchaus vertrauter Anblick, wenn wir zur Winterszeit etwa am Bahnhof Berlin-Friedrichstraße aussteigen und nach wenigen Minuten an der Spree die sich dort zahlreich aufhaltenden Lachmöwen antreffen.

Ich selbst sah im Januar 2016 eine stattliche Gruppe Lachmöwen auf dem Landwehrkanal, wo sie sich unter die Silbermöwen, Stockenten, Blässhühner und Höckerschwäne mischten. Lachmöwen finden im Winter entweder auf frisch gepflügten Äckern ihr Futter oder dort, wo Vögel im Winter durchgefüttert werden. Da sind die Berliner – manchmal zu – großzügig.

Vor einer Häuserfront fliegt ein Schwarm mit vielen Lachmöwen und einigen Silbermöwen auf.

Ein Lachmöwenschwarm erhebt sich vom Landwehrkanal. Darunter sind auch die größeren Silbermöwen.

Wer die Lachmöwen auch in der kalten Jahreszeit sicher erkennen will, muss wissen, dass die Wintergäste ganz anders aussehen als im Frühjahr, wenn die Paare in großen Kolonien brüten. Sie tragen jetzt ihr Ruhekleid oder Schlichtkleid, das sie wenig später sukzessive gegen das Brutkleid – oder Prachtkleid – eintauschen.

Frisches Gefieder

Ich finde es nach wie vor verblüffend, dass sehr viele Vogelarten im Winter ein anderes Outfit haben als in der Fortpflanzungsperiode. So bekommt die weiß-graue Lachmöwe erst im Frühjahr einen schokoladenbraunen Kopf, auch Kapuze genannt. Schnabel und Beine leuchten dann noch stärker knallrot als im Winter.

Hinter der Umfärbung am Kopf steckt ein begrenzter Federwechsel im Frühjahr. Dadurch kommt die Lachmöwe zu ihrem sogenannten Brut- oder Prachtkleid. Und in dem unterscheiden sich beide Geschlechter nicht. Von diesem „hochzeitlichen Schmuck“ schwärmte der unfassbar detailliert beschreibende Ornithologe Johann Friedrich Naumann bereits im 19. Jahrhundert (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1900, Bd.11, S. 213):

Die alte Lachmöve in ihrem hochzeitlichen Schmuck ist unstreitbar eine der schönsten Möven; das ungemein zarte, lichte Mövenblau, die samtschwarze Flügelspitze, die kaffeebraune Kaputze auf dem allerreinsten und allerweissesten Weiss, welche das Auge blendet, oft von unten her mit der lieblichsten Rosenfarbe angehaucht, dazu das prächtige Blutrot der nackten Teile, vereinigen sich zu einem herrlichen und unvergleichlichen Ganzen …

Fotografie von schwarzköpfigen Möwen an einem Gewässer aus dem Werk des Ornithologen Naumann. Ausgabe von 1900.

Möwen im Prachtkleid. Fotografie aus Johann F. Naumann (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1900, Bd. 11, Tafel 18)

Vögel wechseln regelmäßig ihr Gefieder, denn die Federn nutzen mit der Zeit ab und ihre Färbung verliert an Brillanz. Man spricht beim Federwechsel von „Mauser“. Dabei spielen Hormone eine wichtige Rolle. Sie sorgen dafür, dass die alten Federn ausfallen und neue – als Ausstülpungen aus der Haut – entstehen. Meist werden die Federn im Laufe eines Jahres mindestens einmal gewechselt. Allerdings tauschen etwa Kraniche und Flamingos ihre großen Schwungfedern nur alle zwei Jahre aus.

Der Ersatz des Gefieders dauert zwischen acht und zwölf Wochen, wobei sich in der Regel die Stand- und Strichvögel – also Arten, die nicht weit ziehen, – mehr Zeit lassen als Zugvögel. Wann und wie gemausert wird, ist von Vogelart zu Vogelart recht unterschiedlich. Manche beginnen damit schon vor der Brut, andere erst wenn die Jungen flügge sind. Für alle gilt: Die Mauser ist ein Handicap. Vorübergehend sind die Tiere oft flugunfähig, also höchst gefährdet.

Eine Frage des Alters

Zurück zu den Lachmöwen, die im Frühjahr so gut an ihrem dunklen Kopf zu erkennen sind. Jetzt im Januar haben sie ein helles Köpfchen und nur hinter dem Auge einen grauen Fleck, der wie eine Ohrmuschel platziert ist. Wie schön, dass mein immer wieder nützliches Urania Tierreich (Rowohlt 1974, Vögel Bd. 2, S. 207) diesbezüglich ganz konkret vom „Ohrfleck“ spricht.

Etwa zehn Lachmöven im Prachtkleid sitzen auf einem Geländer oder flattern drumherum.

Lachmöwen auf der Hallig Hooge im Prachtkleid

Adulte Lachmöwen mit roten Beinen und rotem Schnabel zwischen jungen Tieren mit braungemusterten Federn.

Junge und adulte Lachmöwen auf dem Eis am Landwehrkanal im Schlichtkleid

Jungvögel lassen sich in den ersten beiden Jahren von den Altvögeln gut unterscheiden: Schnabel und Beine sind ocker-orange – statt leuchtend rot – und das jugendliche Gefieder ist noch mit Brauntönen unterlegt. Der Kopf bleibt zunächst auch im Sommer hell. Doch alle „kindlichen“ Federn werden nach und nach ersetzt. Und am Ende des zweiten Lebensjahres haben junge Lachmöwen endlich das Prachtkleid ihrer Eltern, inklusive der schokoladenbraunen Kapuze.

Lachmöwe | Mouette rieuse | Black-headed Gull | Larus ridibundus = Chroicocephalus ridibundus

Et en français: Elegance en simple apparat

aktualisiert 10.09.2021

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

4 Kommentare

  1. Wunderschön! Danke!
    In unserem Berliner Hinterhof hatte sich im Winter mal eine (Lach?-)Möwe zwischen zwei enganliegenden Maschendrahtzäunen verheddert. Wir BewohnerInnen haben sie mit vereinten Kräften behutsam befreit. Es war so irre zu verstehen, wie „federleicht“ sie sind – unsere Wellensittiche kamen mir vergleichsweise/proportional schwerer vor. Kann das sein?

    Antworten
    • Das kann eher nicht sein, denn fette Wellensittiche wiegen zwar manchmal 80 Gramm, normale aber unter 40 Gramm. Und die Lachmöwe wiegt immerhin plus minus 300 Gramm. Aber bei ihrer Körperlänge von rund 35 cm und einer Flügelspannweite von einem Meter (100-110 cm) ! fühlen sich diese 300 Gramm natürlich anders an. Da musste ich mich jetzt aber auch erstmal schlau machen. Und ich fand nebenbei noch das: Aus Beringungen geht hervor, dass Lachmöwen über 20 Jahre alt werden können.

  2. Welch prächtige Aufnahmen der Lachmöwen! Sie spiegeln die immense Vitalität der Vögel klar wider.
    Fast hört man sie kreischen. Ich beneide Dich um Dein großes Geschick beim Fotografieren. Ich habe in Ahrenshoop immer wieder versucht, sie zu fotografieren, mit jämmerlichem Ergebnis.

    Antworten
    • Ich habe mittlerweile ein sehr ordentliches Objektiv, Made in Germany, das macht es leichter. Die sich putzende Lachmöwe von der bretonischen Küste wäre sonst sicher nicht so gut gelungen. Außerdem bin ich am liebsten alleine unterwegs …

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Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

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Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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