Der reizvolle Sandfisch

23. Februar 2023 | Leisetreter, Wissenswertes | 0 Kommentare

Sandfisch in der Hand eines Menschen

Glattechsen: Die Haut geschuppt, aber glatt

Vor langer Zeit habe ich versprochen, irgendwann einmal von meiner ersten Begegnung mit einem Sandfisch zu berichten. Dieser kleine Kerl ist allerdings weder ein Fisch noch ein Vogel, sondern ein geschupptes Kriechtier beziehungsweise ein Reptil.

Er ist ein so reizvolles Geschöpf, dass ich ihn in der Blogrubrik Leisetreter unbedingt vorstellen möchte.

Dass manche Menschen diese Echse als Apothekerskink kennen, macht nun vielleicht zusätzlich neugierig. Andere Menschen halten Skinke sogar im eigenen Terrarium, also quasi als Haustiere.

Das hübsch gezeichnete Exemplar, das ich hier präsentiere, begegnete mir im Erg Chebbi von Marokko, wo die Sahara uns mit mächtigen Sanddünen imponiert.

Ockerfarbenen Sanddünen unter blauem Himmel

Sanddünen im Erg Chebbi

Hier lebt auch der Sahara-Steinschmätzer, der die Nähe menschlicher Behausungen keinesfalls fürchtet, weil er eher dort und nahe der fruchtbaren Oase auf Nahrung und Wasser stößt als in der vegetationsarmen Dünenlandschaft. – Doch diese lohnt bei moderaten Temperaturen einen Besuch. Denn den Lebewesen in der unbewohnt erscheinenden Wüste nahe zu kommen, ist ein besonderes Erlebnis.

Der schwarz-weiße Steinschmätzer steht auf einer Außenmauer

Der Sahara-Steinschmätzer auf seinem „Posten“

Bei einer sachkundig geführten Tour entdeckten wir am Morgen zunächst die Fußspuren von einem Sandfisch. Er ist mit seinen kurzen Beinen entweder oben auf dem Sand unterwegs oder er schwimmt wie ein Fisch im feinen Saharasand. Manche sagen auch er taucht, denn tatsächlich gräbt er sich äußerst rasch ein, flieht oder versteckt sich dann unterirdisch.

Getupfte Spuren von Scincus scincus im ockerfarbenen Sand

Rechts eine tippelnde Spur des schnell laufenden Sandfischs. Da hinterläßt der Bauch keinen Abruck – wohl aber kurz vor dem Schlupfloch links.

Unterirdische Komfortzone

Unser Naturführer hatte zuerst die verräterischen Fußspuren betrachtet, bevor er das kleine Reptil mit einem geübten Griff aus dem Sand holte. Dass sich die Komfortzone des Sandfischs im Boden befindet, ist kein Wunder. Sein Lebensraum ist die Wüste, und in seinem Verbreitungsgebiet, das sich von West- und Nordafrika bis Saudi-Arabien erstreckt, wird es bekanntlich tagsüber extrem heiß. Da ist es unterirdisch angenehmer. Und weil Wüstennächte oft sehr kalt werden, fühlen sich die wärmeliebenden Echsen auch nachts im Boden gut aufgehoben.

Ausgestreckter Sandfisch in der Hand eines Menschen mit ockerfarbenem Rückenund Schwarz-Weiß-Musterung an den Seiten

Von Luftmangel werden sie übrigens unterirdisch nicht geplagt. Denn der Sandfisch hat einen geringen Sauerstoffbedarf und kann die Gasvolumina nutzen, die zwischen lockeren Sandkörnern bestehen. Dabei hilft ihm auch, dass er seinen Stoffwechsel herunterregeln kann.

Untersuchungen aus dem Forschungsmuseum Koenig haben außerdem ergeben, dass der Sandfisch die allgegenwärtigen Sandkörner keinesfalls tief einatmet – die Lungen waren frei davon – und dass dafür seine unterirdische Atemtechnik ausschlaggebend ist. Die führt unter anderem dazu, dass er Sandpartikel teils aushustet und dass sie teils im Darm landen, bevor sie später ausgeschieden werden.¹

Sandfisch in er Hand eines Marokkaners

Glatte Haut, oben unauffällig und seitlich kontrastreich gezeichnet

Der Begriff Sandfisch geht auf eine traditionelle französische Benennung des Tieres zurück: Poisson de sable.

In Deutschland wird die 20 cm lange Echse manchmal noch als Apothekerskink bezeichnet – obwohl sie zum Glück schon lange aus dem Arzneischrank aussortiert ist.

Einordnung: Das Reptil gehört in die große Familie der Glattechsen (Scincidae), bei denen Kopf und Rumpf reptilientypisch mit Schuppen besetzt sind, die Oberfläche aber glatt und glänzend aussieht. Innerhalb dieser Familie gehört der Sandfisch zur Gattung der Sandskinke (Scincus). Sein wissenschaftlicher Artname lautet Scincus scincus. Der Körper ist langgestreckt, der Kopf spitzschnauzig und sein Schwanz nur mäßig lang. All das lässt das Foto der schön gemusterten Echse in der Hand des marokkanischen Naturführers erkennen.

Anpassungen an das Habitat

Auffällig sind die kurzen Arme und Beine des Sandfischs und seine fünfgliedrigen Hände und Füße. Über derart differenzierte Extremitäten verfügen nicht alle Glattechsen. Denn gerade in dieser Reptilienfamilie mit ihren rund 1500 Arten weltweit, gibt es diverse Anpassungen an den jeweils speziellen Lebensraum, wie sich in Grzimeks Tierleben gut nachlesen lässt.²

Solche Anpassungen via Mutation und Selektion haben unter anderem dazu geführt, dass Gliedmaßen mehr oder minder stark zurückgebildet sind. Manchmal erfasste der evolutionäre Prozess ausschließlich Finger und Zehen, manchmal blieb von der Extremität nur noch ein kurzer Stummel übrig, oder die Gliedmaßen sind gänzlich verschwunden.

Sandfisch von unten fotografiert, so dass die helle Unterseite, aber auch die Zehen und Finger gut sichtbar sind.

Tarnende Oberseite, helle Unterseite

In der Verwandtschaft der Sandskinke sind solche Rückbildungen generell nicht so verbreitet wie bei den Schlangenechsen, die ständig im Erdboden leben. Wahrscheinlich sind beim Laufen auf dem Sand die kurzen Extremitäten von Vorteil und nützlicher als schlängelnde Bewegungen. Diese sind allerdings gefragt, wenn der Sandfisch sich bei Gefahr – durch Wüstenwarane, die Diademnatter oder Menschen – flink einbuddeln muss und durch feinen Sand manövriert.

Hierzu ein kurzer Viedeoausschnitt in starker Zeitlupe. Im eigentlichen Leben verläuft das Einbuddeln viermal so schnell.

Anhand von bildgebenden Verfahren (Fotos, 3D-Laser, Magnetresonanz) haben Wissenschaftler die unterirdische Fortbewegungsart beim Sandfisch untersucht und stellten fest: Hände und Füße nutzt er durchaus, aber vor allem treiben ihn seine schlängelnden Bewegungen vorwärts.³

Der Kopf des Sandfisches ist bereits im Sand verschwunden, das Hinterteil gut sichtbar.

Im Schlupfloch fast verschwunden

Der Sandfisch auf Beutezug

Sandfische ernähren sich vornehmlich von Heuschrecken, von Spinnen und Käfern, pflanzliche Kost spielt eine geringe Rolle. Sie jagen oberirdisch und sogar zur heißen Mittagszeit. Offenbar orten sie Beute, wenn sie sich bewegt, mit Ohren und Augen. Zusätzlich soll der Hautsinn eine Rolle spielen, also taktile Reize, wenn sich durch Bewegungen die Sandkörner verschieben.

Vernünftigerweise haben Sandskinke ein Gehör, dessen Gehörgang nach außen durch Schuppen geschützt ist. Sand im Ohr zu haben, ist eben nicht wünschenswert und nicht förderlich.

Im Gegensatz zu anderen  Glattechsen besitzt der Sandfisch ganz normale Augenlider, also keine transparenten Lider. Die kommen bei einigen sich im Boden vergrabenden Arten vor und schützen ihre Augen vor reibenden Sandkörnern. Der Trick: die Tiere können durch das Lid wie durch ein Fenster hindurchgucken.²

Für mich ist und bleibt es ein Wunder, wie detailliert sich Tierarten anatomisch, physiologisch und im Verhalten über viele Jahrtausende ihrer Umwelt angepasst haben. Ein Jammer also, dass sie gejagt und pulverisiert wurden, weil man ihnen abenteuerliche und nie bewiesene Heilkräfte – wie eine Steigerung der sogenannten Liebeskraft – zusprach.*

Aktuell gelten Sandfische als nicht bedrohte Tierart. Das ist eine gute Botschaft.

In der Hand eines Menschen streckt sich der Vorderkörper des Sandfisches durch und der Kopf ragt hoch.

In der Hand versteift sich der Sandfisch. Ist es das, was ihn ehemals als Heilmittel auswies?

 

¹ A. Stadler u.a.: Adaptation to life in aeolian sand: how the sandfish lizard, Scincus scincus, prevents sand particles from entering its lungs, J Exp Biol, 2016, 219 (22), S. 3597–3604 oder https://doi.org/10.1242/jeb.138107
² I.E. Fuhn: Glattechsen und Schlangenechsen in Grzimeks Tierleben, Kindler, 1970, Bd. VI, S. 264 ff.
³ W. Baumgartner u.a.: Investigating the Locomotion of the Sandfish in Desert Sand Using NMR-Imaging. PLoS ONE, 2008, 3(10): e3309 oder https://doi.org/10.1371/journal.pone.0003309

* Dass Sandfische von Bewohnern der Sahara als traditionelle Eiweißquelle geschätzt und verspeist wurden, wird hier nicht kritisiert.

Sandfisch | Poisson de sable | Sandfish oder Common Skink | Scincus scincus

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

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Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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