Zwischenstopp kurz vor Berlin

08. März 2019 | Große Vögel, Mensch & Vogel | 3 Kommentare

Ein Kiebitz mit dunklem Kopf, darauf ein paar Federchen, und mit schwarzer Brust schaut uns an, im Wasser stehend. Er ist von Grünpflanzen umgeben.

Elegante Erscheinung: schwarzer Frack, lange Beine und auf dem Kopf dieses feine Krönchen.

Der Kiebitz verdankt seinen deutschen Namen dem etwas schrillen Ruf „kju-wit“. Die Franzosen gaben ihm den Beinamen „huppé“, was – wie beim Wiedehopf „Huppe fasciée“ – auf die fesche Haube (huppe) anspielt. Manchmal wirkt sie wie ein Krönchen.

Die Briten hingegen tauften den schwarz-weißen, oft zauberhaft schillernden Vogel „Lapwing“. Und tatsächlich wirken seine Flügel (wings), deren Enden nicht spitz zulaufen, sondern erstaunlich breit sind, im Flug wie Lappen (laps).

Am Rande der Hauptstadt

Ein Schwarm mit über 100 dunklen vögeln.

Als ich kürzlich nachschauen wollte, ob „meine Störche“ schon im Gebiete des Nuthe-Nieplitz-Naturparks eingetroffen sind, überraschte mich ein ansehnlicher Schwarm dunkler Vögel. Für Stare waren sie zu groß, und Krähen fliegen anders.

Erst als ich an der Landstraße endlich eine Parkmöglichkeit fand, sah ich im Fernglas die breiten Flügel-Lappen: Kiebitze!

Ich konnte es kaum glauben, denn so viele hatte ich lange nicht gesehen. Es waren weit über 200. Nach und nach landeten sie auf einer grünen Ackerfläche.

Die Vögel beachteten mich – angelehnt an einen Alleebaum – bald nicht mehr und begannen zu fressen. Ich tippe auf Regenwürmer. Kiebitze ernähren sich nämlich bevorzugt von Würmern, auch von Insekten und deren Larven. Selbst Pflanzensamen schmecken ihnen.

Fast 30 Kiebitze mit breiten Flügeln wollen auf einer grünen Wiese landen.

Anfliegende Kiebitze

von rund 30 Kiebitzen ist etwa dei Hälfte auf der grünen wiese gelandet.

Landende Kiebitze

weit über 50 Kiebitze sind auf der grünen Wiese gelandet.

Bevor sie zu fressen beginnen, kontrollieren die Kiebitze die Umgebung.

Die Vögel waren allerdings recht unruhig und flogen mehrfach auf: Mal ratterte hinter der Wiese ein Güterzug vorbei, mal brauste ein Motorrad über die Landstraße. Zunächst kam der Schwarm – darunter einige Stare – immer wieder zurück und ließ sich zum Fressen nieder. Aber irgendwann zog er ab.

Am hellblauen Himmel fliegen dieKiebitze als dunkle pfeile davon, über die grüne Wiese, den Bahndamm und Strommasten hinweg.

Der Schwarm verlässt endgültig die Ackerfläche.

Kiebitze bei Berlin: Rast zum Auftanken

Im März kommen die Kiebitze, die in Skandinavien und in Osteuropa bis nach Russland hinein brüten, aus ihren südlichen Überwinterungsgebieten zurück und überfliegen dann unter anderem Deutschland. In Westeuropa sind viele Kiebitze hingegen Standvögel oder Kurzstreckenzieher. Das heißt, wer von ihnen beispielsweise in den Niederlanden brütet, verbringt dort auch den Winter – solange es nicht zu eisig wird.

Über 50 Kiebitze fliegen am blauen Himmel und direkt auf uns zu.

Kiebitze im Fug – und dabei ein kleiner Star.

Manchmal fliegen Zugvögel nonstop in ihr Zielgebiet – oder in dessen Nähe. Manchmal legen sie zum Auftanken Zwischenstopps ein, weil sie erschöpft sind und/oder Nahrung brauchen. Artunterschiede und viele andere Faktoren spielen dabei eine Rolle.

Drei Kiebitze am Himmel. ein Paar fliegt mit breiten Schwingen, ein einzelner Vogel fliegt nacht rechts weg.

Die breiten Flügel erlauben akrobatische Schwenks.

Ziemlich sicher ist, dass der Kiebitzschwarm nahe der Berliner Stadtgrenze noch eine gute Wegstrecke vor sich hatte. Denn im Nuthe-Nieplitz-Gebiet habe ich in den letzten Jahren nur vereinzelt Kiebitze gesehen.*

Zum Beispiel diese beiden vor zwei Jahren, die wunderbar in der Luft schaukelten, nachdem sie den Konflikt mit einem Artgenossen hinter sich hatten.

Fesche Tolle

Gerne würde ich wissen, wo die Brutgebiete der Kiebitze liegen, die Ostdeutschland überfliegen. Vielleicht dort, wo ich bereits 2015 einen dieser stattlichen Vögel mit fescher Tolle – Holle oder Haube – fotografieren konnte: in Weißrussland. (Durch Anklicken lassen sich auch diese Fotos vergößern.)

Die Landschaft ist in Weißrussland besonders einladend für Kiebitze, denn es gibt noch große Flächen, die feucht sind und nicht bewirtschaftet werden. Auch die dortige Viehhaltung und eine Feldwirtschaft mit vielen Rüben- und Kartoffelfeldern sowie einer Menge Getreideanbau kommen ihnen entgegen. „Der taubengroße Kiebitz bevorzugt offenes, feuchtes Grünland. Wo dieses fehlt, weicht er auch auf Ackerflächen aus“, lese ich im Artenporträt des NABU.

Bestand gefährdet

In Deutschland brüteten im Jahre 2016 rund 42.000 bis 67.000 Brutpaare, so der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA). Das klingt nach viel, aber der Kiebitz gehört zu den Feldvögeln, die – wie die Lerche – immer seltener werden. Zwischen 1992 und 2016 ist der Bestand an hierzulande brütenden Kiebitzen laut NABU um 88 Prozent zurückgegangen.

Das muss sich ändern und liegt nicht nur daran, dass bei den Jungvögeln die Verluste durch Beutegreifer wie Füchse, Greifvögel, Krähen oder Möwen hoch sind. Ein Hauptproblem ist die intensive Bewirtschaftung von Agrarflächen: Wiesen und Weiden werden trockengelegt und statt Sommergetreide wird Wintergetreide angebaut. Das aber steht schon im Frühjahr so hoch, dass Kiebitze keine geeigneten Brutplätze finden. Auch sonst sind die Bodenbrüter vielen Gefahren ausgesetzt, zum Beispiel werden im Grünland insbesondere beim Schleppen, Walzen und Mähen zahlreiche Gelege zerstört.

Kiebitzpaar mit einem Jungen auf sandigem Boden in der Nähe von feuchten Wiesen und im Hintergrund Baumbestand.

Kiebitzfamilie in übersichtlichem Gelände – so wie der schillernde Vogel es bevorzugt. Links die Dame. (Johann F. Naumann: Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. VIII, Tafel 1)

„Bauern müssten wieder Naturschützer werden“ schrieb Johanna Romberg, die Autorin von Federnlesen, in Warum wir Natur brauchen (Geo 2018, Nr. 9, S. 28). Und darum wäre es schön, wenn Landwirte nur einige der Tipps berücksichtigen würden oder es notfalls per Gesetz müssen, die der Nabu kürzlich im Praxishandbuch. Kiebitzschutz zusammengestellt hat. Zum Beispiel:

Werden Wiesen gemäht, langsam fahren (bis 8 km). Auffliegende Kiebitze beobachten, denn sie zeigen, wo ein Nest ist. Dieses markieren und umfahren.

Größere feuchte Senken im Ackerland, die ohnehin schwer bestellbar sind, bei der Einsaat auslassen, damit Kiebitze hier brüten können und die Jungen drumherum Nahrung finden.

Kiebitzinseln schaffen: Solche Flächen im Acker sollten von Mitte März bis Mitte Juli nicht bewirtschaftet und nicht gespritzt werden. Außerdem sollte der Landwirt durch entsprechende Bodenbearbeitung für eine niedrige Vegetation sorgen. Denn das mögen Kiebitze.

Europaweit haben sich die Kiebitzbestände seit 1980 mehr als halbiert. Die Art gilt daher in Europa als gefährdet und in Deutschland sogar als stark gefährdet. Umso unverständlicher ist, dass sie in mehreren europäischen Ländern gejagt werden darf: Immer noch werden pro Jahr rund eine halbe Million Kiebitze erlegt.

* Ergänzung: Im Herbst 2022 begegnete mir in demselben Gebiet allerdings ein großer Schwarm. Wunderbar! Nochmals Kiebitze bei Berlin. Auch sie waren auf der Durchreise, aber es ging ins Winterquartier.

Kiebitz | Vanneau huppé | Northern Lapwing | Vanellus vanellus

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

3 Kommentare

  1. Und nun ist es doch auch der „Tagesspiegel“ geworden, und auf diese Weise kommt die Vergangenheit ein wenig zurück. Zu der Zeit, als Sie noch vornehmlich Wissenschaftsredakteurin waren. Ihre neue Leidenschaft hat mich zwar nicht gänzlich überrascht, aber ein wenig schon. Vor allem die Intensität, mit der Sie sie betreiben. Offenbar zur Freude und zum Nutzen Ihrer Leserinnen und Leser. Was ich nachvollziehen kann, nachdem ich ein bisschen hineingelesen habe.
    Ingrid Burghardt-Falke

    Antworten
    • „Im Tagesspiegel“ ist etwas übertrieben. Aber mit einem kleinen Interview im Steglitz-Zehlendorf-Newsletter des Tagesspiegels.

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Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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