Durchnässter Besuch

Eigentlich naht der Frühling, wenn ich den geschwätzigen Staren bei ihren akustischen Zaubereien zuhören kann. In der Balz- und Brutzeit sind sie stimmlich höchst aktiv, und ganz herrlich schillert dann ihr purpurfarben-violett-schwarzes Gefieder. Das sieht man zum Beispiel auf meinem Saisonfoto aus dem April 2017. Aber nun ist Herbst!

Diese beiden Stare, die kürzlich nach einem mächtigen Regenguss unser Hausdach besuchten, haben mich allerdings nicht minder fasziniert wie die smarten Frühlingsboten.

Zwei Stare sitzen auf der Brüstung des Schornsteins auf dem Dach.
Regennass auf dem Dach

Der Himmel war grau in grau, und ihr Gefieder ziemlich durchnässt, als sie sich auf der Brüstung des Schornsteins niederließen. Dennoch konnte man das wundervolle Herbst- oder Winterkleid gut erkennen. Sie bekommen es – wie auch den dunklen Schnabel – mit dem Gefiederwechsel im August oder September. Wenn sie sich sammeln und der Herbstzug sie in wärmere Regionen treibt, muss es funktionsfähig sein.

Das Herbstkleid ist wie mit Perlen geschmückt, so sagt man. Oder die Rede ist von einem weißgetropften Kleid.

Star mit einem dunklen Gefieder, das von weißen Flecken übersät ist.
Im weißgetropften Kleid nach der Mauser

Ursache dieser Tropfen sind die weißen Enden der neuen Federn, die im Herbst aus der Nähe wie kleine Pfeilspitzen aussehen, aber bis zum Frühjahr vor allem bei den männlichen Staren zunehmend verblassen. Als Ausgleich, so könnte man sagen, bekommt der Starenmann sein dunkles, schillerndes Frühjahrskleid und einen leuchtend gelben Schnabel.

Sorgfältige Gefiederpflege

Zunächst konnte ich dem Starenpaar dabei zusehen, wie beide sich putzten: Der Schnabel zupfte lange am Brustgefieder herum und mit einer eleganten Körperdrehung erreichte der Vogel auch seine Schwanzfedern. Dann wurde erst der eine und danach der andere  Flügel abgespreizt, Ober- und Unterseite durchkämmt.

Star hat seinen Kopf nach hinten gedreht und putzt das Schwanzgefieder

Star hat einen Flügelgehoben und putzt die Oberseite

Schließlich schüttelte das Kerlchen die Restnässe aus dem Gefieder, was so lustig aussah, dass ich laut lachen musste.

Der Star schüttel sich und man erahnt, dass die letzte Nässe rausfliegt.

Schwatzender Herbstgesang

Kaum war die Gefiederpflege beendet, machte einer der beiden Dachbesucher etwas, womit ich gar nicht gerechnet hatte: Er begann nach Starenart zu schwatzen. Aber er hatte sich durchaus nicht in der Jahreszeit vertan. Denn anders als zum Beispiel die Amsel verstummen Stare im Herbst nicht.

Sie haben allerdings keinen so melodiösen Gesang wie Amsel oder Nachtigall, zwitschern auch nicht so eintönig wie eine Kohlmeise, sondern reihen alle möglichen Laute aneinander. Dazu bemerkte Alfred Edmund Brehm (Brehms Tierleben, 1905, Bd. IV, Vögel Bd. 1, S. 383):

Der Gesang ist nicht viel wert, mehr ein Geschwätz als ein Lied, enthält auch einzelne unangenehme, schnarrende Töne, wird aber mit so viel Lust und Fröhlichkeit vorgetragen, dass man ihn doch recht gern hört.

Singender Schnabel auf der Brüstung des Schornsteins. Der Schnabel ist offen.
Geschwätziger Dachbesucher im grauen Oktober

Bekannt ist der Star vor allem als phantastischer Stimmenimitator, mit anderen Worten: Er produziert nicht nur angeborene Laute und lernt nicht nur von Artgenossen einen typischen Staren“gesang“, sondern er übernimmt diverse Töne, Geräusche und ganze Lautfolgen anderer Vögel und reproduziert sie. Aber nicht nur das. Kein Handyklingeln, kein Türknarren ist vor seiner Imitationskunst sicher.

Schwatzender Star trällert mit geöffnetem Schnabel
Starenschwatz auf dem Dach

Vogel des Jahres

Und nun das Beste: Kaum hatte ich meine Fotos von den regennassen Staren auf unserem Hausdach bearbeitet, gaben der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Landesverband für Vogelschutz in Bayern (LBV) den Vogel des Jahres 2018 bekannt. Es ist der Star oder Stärling. Eine gute Wahl.

Die Gründe dafür kann jeder und jede beim NABU nachlesen. Es ist unter anderem die schleichende Bedrohung der Art, weil Wiesen und Weideland fehlen, das Habitat durch die auf Mais und Raps getrimmte Agrarindustrie schwindet und der Bestand an Brutpaaren sinkt.

Ich finde allerdings, auch diese so schön formulierten Gedanken von „Tiervater Brehm“ machen den Star zu einem würdigen Vogel des Jahres 2018 (S. 382):

Es gibt vielleicht keinen Vogel der munterer, heiterer, fröhlicher wäre als der Star. Wenn er bei uns ankommt, ist das Wetter noch recht trübe: Schneeflocken wirbeln vom Himmel herunter, die Nahrung ist knapp, und die Heimat nimmt ihn höchst unfreundlich auf. Demungeachtet singt er schon vom ersten Tage an heiter und vergnügt sein Lied in die weite Welt hinein …

Und wer ganz wundervolle, farbenprächtige Starenporträts betrachten möchte, dem empfehle ich die Webseite meiner Kollegen, der Flugbegleiter. Auch sie haben sich aus gegebenem Anlass dem Star gewidmet – mit Schönwetterfotos.

Star | Étourneau sansonnet | Common starling | Sturnus vulgaris



Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

4 Kommentare zu “Durchnässter Besuch

  1. Liebe Elke,
    wir beobachten Stare die bei uns am Hausdach brüten. Diese besuchen regelmäßig die Balkone und knipsen Blättchen und vorallem Blüten von den Pflanzen ab, z.b. Lavendel usw. Teilweise fliegen sie damit zum Nest, oft lassen sie die einfach fallen, als ob es mehr um das abknipsen geht. Weisst du zufällig warum?
    Und danke für die Habichtberichte, wir sind auch immer gerne an der Stelle, haben die Habichte seit dem Regen vor 2-3 Tagen aber nicht mehr gesehen.

    viele Grüße
    Christopher

    1. Lieber Christopher, eure Beobachtung ist völlig richtig. Viele Vogelarten tragen duftendes Material ein wie Lavendel oder zarte Blättchen von Tomaten. (Das Problem hatte ich auch gerade mit Staren und Haussperlingen ;-)). Es gibt Belege dafür, dass hierfür die bioziden und antimikrobiellen Wirkungen der Pflanzeninhaltsstoffe ausschlaggebend sind, denn im Federkleid und im Nest der Vögel tummeln sich immer Parasiten. Das ist das große Thema Nestbau.
      Was „unsere“ Habichte angeht, werde ich heute mal einen Kontrollgang machen. Ich vermute, dass es den Jungen in den letzten Tagen einfach zu frisch war, um oft über den Nestrand zu schauen und dass sie die schützende Wärme der hudernden Mutter vorziehen.
      Viele Grüße
      Elke

    2. @Christopher. Ich kann euch also beruhigen, die jungen Habichte wachsen und gedeihen. Ich sah gestern wieder nur zwei, kleinere Junge könnten noch in der Nestmulde verborgen sein. Der größte Junghabicht steht jedenfalls eindrucksvoll am Nestrand und schlägt mit den Flügeln, deren Federn jetzt sichtbar wachsen. Das kleinere Geschwister macht ein bisschen mit.

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