Vogelkinder starten sehr unterschiedlich ins Leben. Schwäne und Gänse sind zum Beispiel Nestflüchter, die mit einem wärmenden Federkleid aus dem Ei schlüpfen und sich von Beginn an selbst ernähren. Stare beginnen ihr Leben als nackte Nesthocker, und sie werden selbst dann noch von den Eltern gefüttert, wenn sie schon so groß wie ein Altvogel sind und das Nest bereits verlassen haben.
In diesem Sommer konnte ich eine interessante Episode in unserem Garten mitten in Berlin beobachten … und wusste endlich, wo unsere Himbeeren abgeblieben waren. Aber der Reihe nach.
Am späteren Morgen saß ein junger Star auf einem halbwegs waagerechten Robinienast und putzte ausgiebig sein Gefieder. Kurz darauf kam ein Altvogel mit rötlicher Beere im Schnabel angeflogen, doch der Jungvogel war nicht sonderlich interessiert. Das heißt, er sperrte nicht.
Sperren als Schlüsselreiz
Den Schnabel weit aufzureißen – also aufzusperren –, ist ein typisches angeborenes Verhalten junger Nesthocker. Für Vogeleltern ist es das ausschlaggebende Signal, also ein Schlüsselreiz: Sie stecken dann das mitgebrachte Futter tief in den Sperrrachen hinein (W. Makatsch, Der Vogel und seine Jungen, Die Neue Brehm-Bücherei, Leipzig 1951, S.58):
Sehr häufig ist dieser Sperrrachen mehr oder weniger leuchtend gelb gefärbt, wie z.B. bei Star, Feld- und Haubenlerche, Gebirgsstelze, Kleiber, Wintergoldhähnchen, unseren Meisenarten … Bisweilen ist der Sperrrachen auch zart rosa gefärbt, wie z.B. beim Pirol, der Grau- und Goldammer … Bei einigen Arten wiederum ist der Sperrrachen lebhaft rot gefärbt, wie z.B. bei der Nebelkrähe, Saatkrähe, Elster …
Und nun die kleine amüsante Episode aus Sicht des Jungvogels:
Klar war nun immerhin, wo unsere Himbeeren geblieben waren: Von den Staren, die in unserer Nachbarschaft gebrütet hatten, verfüttert und sicherlich auch selbst gefuttert.
Stare sind keine Nahrungsspezialisten, darum ist ihr Tisch vielfältig gedeckt. Eine lange Liste habe ich in dem Staren-Artikel von bei Herbert Bruns in meinem Grzimeks Tierleben gefunden (Kindler, Zürich, 1970, Bd. 9,Vögel 3, S. 448):
Dieser vielseitige Allesesser verzehrt sowohl tierliche als auch pflanzliche Kost, unter anderem Schnecken, Leberegel, Regenwürmer, Krebse, Spinnen und insbesondere zahlreiche Kerbtiere, vor allem die Larven der Wiesenschnake … An pflanzlicher Kost sind insbesondere Früchte und Samen zu nennen: Kirschen, Holunderbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren, reife Birnen, Äpfel im angefaulten Zustand, Weinbeeren, Ebereschenbeeren, Maulbeeren, Oliven, Datteln, Getreide, Erbsen, Salat, Unkrautsamen und vieles mehr.
Älter werden
Auffällig ist, dass dieser Jungvogel nicht sofort sperrte, als ein Elternteil sich neben ihn auf den Ast setzte. Nesthocker reagieren auf die Silhouette und auf die Erschütterung, wenn Mutter oder Vater auf dem Nest landen. Das tat dieser Jungvogel nicht. Möglicherweise war er bereits gut abgefüllt. Andererseits verschwindet das angeborene Bettelverhalten mit der Zeit, weil die Jungvögel selbst picken. Vielleicht hatte der junge Star also zuvor schon ein paar Spinnen oder Käfer selbst entdeckt und verzehrt.
Aber schließlich sperrte der junge Star doch noch seinen Schnabel weit auf und präsentierte seinen gelblichen Rachen. Der Altvogel reagierte sofort und konnte endlich den Himbeerhappen loswerden.
Weitere Texte zum Star, Vogel des Jahres 2018, könnt ihr im Vogel-ABC finden.
Star | Étourneau sansonnet | Common Starling | Sturnus vulgaris
Ich liebe die Stare und darum hat mich Dein Bericht sehr erfreut. Ich habe vor drei Tagen im Zoo fast 1 Stunde die Stare beobachtet, die dort in großer Anzahl seit Jahren brüten und auch nicht mehr ziehen. Sehr viele Jungvögel,
was heißt, daß es ihnen dort gut geht 🙂