Seeschwalben unter Beobachtung

09. Mai 2021 | Vogelbücher | 0 Kommentare

Buchcover mit zwei fliegenden FlussseeschwalbenDies ist ein ungewöhnliches Buch über Vögel und das Vogelleben. Denn was hier erzählt wird, ist weder ein Plädoyer für sinnvollen Naturschutz, noch ein Wohlfühlbuch in Sachen Natur. Es ist auch kein Buch im Sinne von „Nature Writing” wie Krähen und keine Monografie wie Die Amsel. Was also ist das Buch?

Eine runde Sache, möchte ich sagen. Denn hier haben sich eine Wissenschaftsjournalistin und ein anerkannter Experte für Seeschwalben – genauer für Flussseeschwalben – zusammengetan, um über das Leben dieser Vogelart zu berichten. Anschaulich, unterhaltsam und datenbasiert.

Die Grundlage von Seeschwalbensommer ist ein Forschungsprojekt am Banter See in Wilhelmshaven, das vom dortigen Institut für Vogelforschung seit Jahrzehnten betreut wird.

Peter H. Becker, Gründer und langjähriger Leiter des Projekts, hat als Wissenschaftlicher Direktor i.R. des Instituts sozusagen den Stoff für das Buch geliefert. Und die Berliner Wissenschaftsjournalistin Bettina Sauer hat ihre Passion für Flussseeschwalben entwickelt, als sie 2016 erstmals als Ehrenamtliche am Banter See mitgeforscht hat. „Vogelferien“ nennt sie das.

Ihre Handschrift macht aus teils trockenen Daten ein Lesevergnügen und bietet en passant einen Einstiegskurs in Sachen Vogelleben und Vogelforschung.

Aus Daten werden Geschichten

Wir erfahren nicht nur, wie alt Flussseeschwalben werden können – Lotti erreichte 24 Jahre, Kirsi 25 Jahre, und beide lösten bei jeder Rückkehr aus dem westafrikanischen Winterquartier im Forscherteam gewaltigen Jubel aus – , sondern es geht auch darum, mit welchen Techniken an den angriffslustigen, rasanten Fliegern geforscht wird. Wie gelingt das individuelle Monitoring der Vögel, die nahe der Forschungsstation seit Jahrzehnten auf künstlichen Inseln in vorbereiteten Boxen brüten?

Bezifferte Vogelringe, Transponder, Geolokatoren und nicht zuletzt die ansehnliche Datenbank des Instituts helfen den Biologen und Biologinnen den Überblick zu behalten. Einige der Menschen, die die Technik instand halten, Daten erheben und die Arbeit koordinieren, stellt uns die Autorin auch vor.

Das alles liest sich locker. Die Ausführungen zur elektronischen Erfassung der Vögel, die seit 1992 angewendet wird, klingen beispielsweise so, Seite 23

Sobald eine Seeschwalbe auf einer der 44 Boxen landet, geht sie gewissermaßen virtuell in die Falle. Die Sitzflächen der Kisten sind von schwarzen Plastikrahmen umgeben, die es in sich haben: Sie bergen ausgefeilte Technik und dienen als Messantennen, die die einzelnen Vögel registrieren. Zusätzlich erhält die Hälfte der Boxen eine Waage, da das Gewicht Aufschluss über aktuelle Nahrungsversorgung und Kondition der ausspionierten Seeschwalben gibt.

Und weiter

Um ausgelesen werden zu können, brauchen die Tiere einen Mikrochip mit individuellem Code. Diesen gerade einmal reiskorngroßen sogenannten Transponder bekommen sämtliche fast flügge Küken behutsam unter die Haut an der Brust gespritzt … und sind auf dem Radar der Wissenschaft.

 

Faszination: Stoßtauchende Seeschwalben

Aber natürlich geht es nicht nur um Forschungstechniken. Im Fokus steht tatsächlich das Vogelleben, zum Beispiel im Kapitel Fressen und gefressen werden. Flussseeschwalben leben von kleinen Fischen, die sie für sich und den Nachwuchs erjagen, Seite 75

Ruhig segeln die Vögel einige Meter über dem glatten Wasser, weiße Silhouetten vor dem Knallblau des Himmels. Plötzlich kippt eine – den Schnabel voran, die Flügel nach hinten gelegt – senkrecht nach unten, schießt ins Meer hinein, taucht in Bruchteilen von Sekunden wieder auf … als sogenannte Stoßtaucher jagen Seeschwalben kopfüber im Sturzflug, mal in kleineren oder größeren Gruppen, mal allein, mal mit dem Partner als Teil der Balz: Romantik über den Wellen.

Und wenn die Jungen geschlüpft sind und heranwachsen, passen die Eltern das Futterangebot weitgehend den Bedürfnissen der kleinen Seeschwalben an.

Kleine Vogelkunde

Doch es sind nicht nur Themen wie Alter, Gewicht, Nahrung oder Flugrouten, über die wir viel in diesem Buch erfahren, sondern auch über das Liebesleben der Vögel. Flussseeschwalben gelten als weitgehend monogam, aber manche Verbindungen halten nicht lange, und manche Paare schaffen es nicht, Junge großzuziehen. Bettina Sauer stellt uns die möglichen Gründe vor, und sie vergleicht die Seeschwalben mit diversen anderen Vogelarten.¹ Das macht sie eigentlich bei jedem Thema, ob es nun um den Nestbau geht, das Gefieder, das Zugverhalten oder den Schlaf. Und darum ist das Buch auch eine kleine, und gute, Vogelkunde.

Selbst der Vogelgesang, der bei den Flussseeschwalben keine herausragende Rolle spielt, wird als Mittel der Kommunikation ausführlich behandelt – und schließlich die Frage, was ist angeboren, was erlernt und wie spielt beides zusammen.

Nehmen wir das Fliegen, das in dem Kapitel Flugstunden und Jagdübungen Thema ist. Mit etwa vier Wochen haben die Jungen die weichen Dunen verloren und besitzen feste Federn, aus ihren Stummelflügeln sind zudem längliche Schwingen geworden. Aber die rein körperlichen Voraussetzungen sind nicht alles. Auch die Motivation muss stimmen, und dann wird geübt, Seite 153

Als Allererstes beginnen die Kleinen instinktiv, am Boden der Brutinseln häufig und heftig mit den Flügeln zu schlagen. Bloß: Nichts passiert. So geht das mehrere Tage, bis die Flugmuskeln gekräftigt sind und all das Ackern die ersten bescheidenen Früchte trägt …

Wie die flatternden Flugversuche ausgehen und welche Risiken es gibt, möchte ich nicht verraten. Die Auflösung dieses Rätsels – und vieler anderer – findet sich in dem übrigens auch ansprechend illustrierten Buch.

 

Seeschwalbensommer
Autoren: Bettina Sauer, Peter H. Becker
Verlag: Franckh-Kosmos, Stuttgart
Jahr: 2021

 


¹Der Verlag hat ein Register aller erwähnten Vogelarten ermöglicht. Die zitierte Literatur findet sich hingegen nur online. Das ist schade. Aber für neugierige Leser und Leserinnen gibt es dort auch allerlei Grafiken zu entdecken. Das ist erfreulich.

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

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Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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