Von Drosslingen und Häherlingen

Bräunliche Vögel sitzen auf einem Ast im Schatten. Es sind Häherlinge.
Leicht zu übersehen: Weißstrichel-Drosselhäherlinge unter dem Laubdach

Eine faszinierende Vogelgruppe aus Subsahara-Afrika hat bei mir kürzlich für einige Verwirrung gesorgt. Es lag an der Namensgebung, denn diese Häherlinge, die heute als Leiothrichidae eine eigene Familie bilden, zählten bis vor wenigen Jahren zur Gruppe der Drosslinge und wurden auch so bezeichnet. Zwei von ihnen, die mir in Namibia begegneten, möchte ich – samt einiger Wirren um die Namensgebung – vorstellen: den Weißstrichel-Drosselhäherling und den Elsterdrosselhäherling.

Der Vogel mit dem besonders langen, durchaus beeindruckenden deutschen Namen Weißstrichel-Drosselhäherling heißt auf englisch etwas griffiger Arrow-marked Babbler. Er lebt in lichten Wäldern der Trockensavanne. Zwar sind die Vögel, wenn sie im Baumschatten hocken, leicht zu übersehen, aber zu hören sind sie häufig – schon deshalb weil sie in Gruppen mit 3 bis 15 Individuen leben und ständig etwas auszuhandeln haben. Oft gibt es auch lautstark ausgetragene Konflikte mit anderen Häherlingen, die in ihr Territorium eingedrungen sind.¹

Ich habe hier manche Fotos der im Schatten sitzenden Vögel etwas aufgehellt. Die schöne weiße Strichelung und die rot-gelben Augen kommen so besser zur Geltung.

Vielleicht sind die leuchtenden Augen, von denen ich mich regelrecht angestarrt fühlte, der Grund dafür, dass diese Häherlinge auch als „angry-looking birds“ charakterisiert werden. Dabei sind sie alles andere als bösartig. Bekannt sind die sehr sozialen Tiere hingegen dafür, Nähe zu den Gruppenmitgliedern zu suchen. Sie hocken sich gerne eng aneinander, bilden regelrecht Klumpen, lese ich im Handbook of the Birds of the World

Drei oder vier bräunliche Vögel aus der Familie der Häherlinge mit roten Augen unter einem Laubdach.
Der Weißstrichel-Drosselhäherling hieß früher Braundrossling.

Weißstrichel-Drosselhäherlinge leben von Insekten, Spinnen, kleinen Schlangen und Echsen, die sie auf Bäumen oder am Boden finden. Sämereien und Früchte fressen sie auch. Sind sie auf Nahrungssuche und verstreuen sich in ihrem Territorium, dann halten sie vokal untereinander Kontakt. Das hilft Vogelkundigen, sie zu entdecken.

Verhalten der Häherlinge

Wegen einiger Verhaltensweisen hat die Art immer wieder Biologen und Biologinnen fasziniert: So gibt es pro Gruppe bei diesen Vögeln nur ein monogames Paar, das für Nachkommen sorgt, wohingegen andere Familienmitglieder als „Helfer“ fungieren. Sie unterstützen die Eltern bei der Brutpflege.

Häherlinge auf einem Ast unter belaubten Zweigen
Kleine, muntere Familiengruppe mit vier Vögeln im Baumschatten

Auf die Frage, warum sie das tun und was ihnen die Fürsorge für nicht-eigene Nachkommen „bringt“, gibt es verschiedene Antworten.

Darunter besagt eine, die an der klassischen Ethologie und damit am konkreten Verhalten sowie der Motivation orientiert ist: Die Helfer und Helferinnen machen es gerne, sie können gar nicht anders. Und falls im monogamen Paar ein Vogel stirbt oder zur Beute wird, haben sie zudem gute Chancen in diese Nische zu springen.
Eine andere, soziobiologisch argumentierende, Antwort lautet: Verwandte Individuen zu beschützen und mit Nahrung zu versorgen lohnt, weil damit ein Teil der eigenen Gene erhalten und weitergereicht wird.

Noch einen weiteren bemerkenswerten Punkt möchte ich erwähnen: Weißstrichel-Drosselhäherlinge legen leuchtend blaue Eier, die für Nesträuber leicht zu entdecken sind. Was also soll die verräterische Leuchtfarbe? Um das zu klären, braucht es einen Schlenker:

Buchcover von DerKuckuck, mit einem Foto des Kuckuckschnabels mit einem Ei

Die Nester dieser Häherlinge werden von afrikanischen Kuckucken parasitiert. Das heißt, die Kuckucke schummeln ihre Eier dort hinein, lassen sie von den artfremden Wirtseltern ausbrüten und den geschlüpften Nachwuchs von ihnen durchfüttern. Ein parasitierender Kuckuck tut allerdings gut daran, Eier zu produzieren, die denen der Wirtsart farblich ähnlich sind. Denn ansonsten werden die unfreiwilligen Wirte die „abartigen” Eier wahrscheinlich aus dem Nest befördern.

⇒ Mehr dazu steht in dem wunderbaren Buch Der Kuckuck, das ich bereits besprochen habe.

Leuchtend blaue Eier zu fabrizieren bedeutet, dass noch im Eileiter die Kalkschale entsprechend eingefärbt wird. Das ist keine Kleinigkeit und eine evolutionäre Errungenschaft. Ein Vogel, der sich das Brutgeschäft spart, muss das erstmal hinbekommen. Blaue Eier lassen sich daher als Schutzmechanismus gegen Brutparasiten verstehen.

Ein Wort zu den Vogelnamen

Vogelnamen sollen Verwandtschaftsbeziehungen widerspiegeln und beschreibend sein.² Oft spielt dabei die Färbung oder Musterung des Gefieders eine Rolle, wie beim Weißstrichel-Drosselhäherling. Oder die Region, in der er lebt, ist namensgebend. Der Saharasteinschmätzer ist dafür ein Beispiel. Und was die Schreibweise angeht: Im Deutschen wird der Artname in einem Wort geschrieben, nur wenn er aus mehr als drei Bestandteilen zusammengesetzt ist, wird ein Bindestricht verwendet.

Hin und wieder werden Vogelarten leider umbenannt, was zu Verwirrungen führt, wenn man ein älteres Bestimmungsbuch aufschlägt oder wie ich gerne in ornithologischen Klassikern aus dem 19. Jahrhundert etwas nachliest. Aber grundlos geschieht eine Umbenennung nicht.

Zum Beispiel wurde in der neuen deutschen Artenliste berücksichtigt, dass Vogelnamen keine diskriminierenden, kolonialistischen oder rassistischen Bezeichnungen enthalten sollen. Folglich heißt eine früher als Mohrenlerche bekannte Lerchenart mit dunklem Gefieder nun Schwarzsteppenlerche (Melanocorypha yeltoniensis).

Auch die Zuordnung zu einer bestimmten Verwandtschaftsgruppe kann sich ändern, und zwar wenn neue Forschungsergebnisse belegen, dass eine Vogelart in eine andere systematische Familie gehört als zuvor gedacht. Der Weißstrichel-Drosselhäherling hieß zum Beispiel früher Braundrossling³, weil sein Gefieder braun ist und er zu den Drosslingen gezählt wurde. Heute ist er ein Häherling mit Drosslingvergangenheit.*

Manchmal spiegeln Vogelnamen nicht das Äußere wider, sondern die Lautäußerungen des Tieres, etwa beim Zilzalp, oder die Ähnlichkeit mit einer bekannten Vogelart ist namensgebend, beispielsweise beim Elsterdrosselhäherling.

Durchaus den Elstern ähnlich

Zwei schwarz-weiße Häherlinge hocken am Boden und suchen mit den Schnäbeln nach Nahrung
Häherlinge im Habitus einer Elster

Natürlich sehen unsere Elstern anders aus als diese südafrikanischen Häherlinge, zumal ihnen das wunderschöne Blau im Gefieder fehlt. Wer aber nach Afrika reist und dort den zuvor unbekannten Vogel erstmals sieht, dem leuchtet die Bezeichnung ein: schwarz-weiß das Gefieder und dazu ein langer Schwanz.

Zwei schwarz-weiße Häherlinge hocken am Boden
Tief stochernde Futtersuche am Boden

Elsterdrosselhäherlinge sind sehr soziale Vögel und zugleich sehr territorial. Gegenüber anderen Arten treten sie durchaus angriffslustig auf und vertreiben etwa Glanzstare oder die nahverwandten Weißstrichel-Drosselhäherlinge, wenn diese ihnen zu nahe kommen.

Gewöhnlich sind die elsterfarbigen Häherlinge als Gruppe von 2 bis 16 Tieren in ihrem Territorium unterwegs. Auch bei ihnen ist es in der Regel nur ein monogames Paar, das für Nachwuchs sorgt. Und Gruppenmitglieder helfen auch hier beim Aufziehen der Nestlinge.

Häherlinge in Langzeitbetreuung

Futtersuche: Elsterdrosselhäherlinge als Gruppe unterwegs (und den Guide erreicht eine SMS)

Selbst wenn die Jungen flügge sind – also das Nest verlassen haben –, sind sie zunächst noch hilfsbedürftig und auf die Gruppe angewiesen. Anfangs sind die Jungen schlechte Flieger und Fliegerinnen. Sie werden bis zu vier Monate von Gruppenmitgliedern, in der Regel älteren Geschwistern, gefüttert, betreut und beschützt.

Fünf schwarz-weiße Häherlinge und ein fast schwarzer Vogel suchen am sandigen Boden nach Futter
Nahe der Häherlinge sucht ein Glanzstar nach Nahrung

Dieses Arrangement wird als „kooperatives Brüten“ (cooperatively breeding) bezeichnet. Es bedeutet auch, dass das Elternpaar mit der nächsten Brut beginnen kann, bevor seine Jungen selbstständig sind. Bis zu drei Bruten können diese Häherlinge daher in einer Saison durchbringen.

Bienen und deren Larven, diverse Heuschrecken, Käfer und Spinnen dienen Elsterdrosselhäherlingen als Nahrung. Sie suchen diese vor allem hüpfend am Boden.

Dort sieht man sie Blätter umdrehen und mit dem Schnabel im Erdreich graben, um etwa Ameisen und Termiten zu erwischen. Wer wie diese Vögel in der Trockensavanne lebt und sogar in der Kalahari gut durchkommt, muss diverse Techniken erwerben, um satt zu werden. Das geht offenbar nicht von heute auf morgen – und am besten innerhalb einer Gruppe.

Die Ablösung der Jungen von ihren Eltern ist übrigens auch unter Vögeln keineswegs ein Kinderspiel. Sie gelingt – wie in der Tierwelt üblich –, weil die Eltern dem bettelnden Nachwuchs die Fütterung verwehren, ihm drohen oder ihn aktiv vertreiben. Umso besser und passend, dass die Helfer und Helferinnen weiterhin den Nachwuchs „bemuttern”, bis die Jungen innerhalb der Gemeinschaft autark sind.

¹ Handbook of the Birds of the World, Barcelona 2007, Bd. 12, Kap. Familiy Timaliidae (Babblers), S. 70 ff
² Vogelwarte 58, Heft 1, 2020, Hrsg. Deutsche Ornithologen-Gesellschaft u.a.
³ So etwa in diesem insgesamt hilfreichen Bestimmungsbüchlein: B. Cillié, U. Oberprieler, Ein Taschenführer für Vögel im Südlichen Afrika, Kapstadt 2012, 2. Aufl.

* Der Weißstrichel-Drosselhäherling war früher als Drossling innerhalb der Familie der Timalien (Timaliidae) eingruppiert. Das sieht man seinem aktuellen deutschen Namen noch an, übrigens auch dem wissenschaftlichen Artnamen: Turdoides jardineii. Denn Turdoides ist eine Ableitung von lateinisch Turdus – die Drossel. Während jardineii auf denjenigen Menschen – Herrn Jardinei – verweist, der als erster den Vogel für die europäische Welt beschrieben hat. Entsprechendes gilt für den Elsterdrosselhäherling: Turdoides bicolor.

Weißstrichel-Drosselhäherling | Arrow-marked babbler | Turdoides jardineii
Elsterdrosselhäherling | Southern pied babbler | Turdoides bicolor



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