Schwarzköpfige Flugkünstler

25. März 2018 | Große Vögel, Mensch & Vogel | 2 Kommentare

Weiße schwarzköpfige Seeschwalbe mit geöffneten Flügeln kreischend vor blauem Himmel.

Die Flügelspannweite ist mit 70 – 80 cm doppelt so groß wie die Körperlänge.

Manchmal unterscheiden sich Vogelarten rein äußerlich so wenig voneinander, dass man sie auch mit einem guten Fernglas kaum auseinanderhalten kann – vor allem wenn sie nicht ruhig sitzen. So erging es mir mit den verschiedenen Seeschwalben. Ihnen begegnete ich zum Beispiel an der Wattenmeerküste von Ost- und Nordfriesland, später in Frankreich und Weißrussland. Lange wusste ich nicht, ob ich es mit einer Fluss-Seeschwalbe oder Küsten-Seeschwalbe zu tun hatte. Denn einen schwarzen Kopf, rote Beine und einen roten Schnabel haben beide. Und sie sind etwa gleich groß.

Plattes Land mit blassem Grün und tiefem Himmel, an dem Seeschwalben herumfliegen.

In der Weite des Wattenmeeres: Fluss-Seeschwalben und Austernfischer an der Küste von Schleswig-Holstein.

Vom kleinen Unterschied

Heute weiß ich, wie man diese beiden Arten – deren Namen schon schwer genug zu lesen sind, wenn man sie nicht wie ich hier mit Bindestrich schreibt – relativ gut auseinander hält. Der Tipp kam von einem Biologen, der ornithologische Reisen begleitet und den ich auf meinem Weißrussland-Trip immer um Rat fragen konnte. Danke Martin!

Vorweg: Es kommt auf die Schnabelspitze an.

Fünf gezeichnete Seeschwalben aus dem Vogelbuch von Naumann: drei stehen auf einem Felsen, ein fliegt und will sich ins Meer stürzen, eine schwimmt.

Vergleich mehrerer Seeschwalben im „Naumann“: Vorne mit schwarzer Schnabelspitze die Fluss-Seeschwalbe. Rechts dahinter die Küsten-Seeschwalbe.

Bei der Fluss-Seeschwalbe ist der Schnabel rot, aber die Spitze sehr dunkel bis schwarz. Bei der Küsten-Seeschwalbe ist der Schnabel vollständig rot gefärbt. Bis vor zweihundert Jahren galten sie als eine Art. Der Ornithologe Johann Friedrich Naumann schreibt, dass erst 1819 Forscher die Verschieden-Artigkeit der schwarzköpfigen Vielflieger entdeckt haben (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1900, 3. Aufl., Bd. XI, S. 128).

Kreischend Fluss-Seeschwalbe am blauen Himmel.

Kreischende Fluss-Seeschwalbe

Natürlich bestehen noch ein paar andere Differenzen:

Bei der Fluss-Seeschwalbe ist zum Beispiel der Schwanz etwas kürzer und ihre Flügelspitzen wirken von unten dunkler.

Aber das sind Feinheiten und teilweise stark vom Licht abhängig.

Im Sturzflug

In Weißrussland nahe Turov konnte ich die Flugkünste der Seeschwalben bei recht günstigem Licht bewundern. In diesem Feuchtgebiet des weitverzweigten Pripjat-Stroms brüten mehrere Arten: neben der Fluss-Seeschwalbe konnten wir die Trauer-, Zwerg- und Weißflügel-Seeschwalbe beobachten.

Ihren Konflikten mit den Lachmöwen und den gezielten Sturzflügen beim Fischfang habe ich lange Zeit mit Begeisterung zugeschaut.

Fluss-Seeschwalbe stürzt sich vor leuchtend grünen Bäumen in ein flaches Gewässer..

Im Sturzflug werden die Flügel angezogen.

Fluss-Seeschwalben gleiten auf der Suche nach Nahrung meist ruhig, fast gemächlich über die Wasserfläche. Doch plötzlich wird ein solcher Suchflug, so Naumann (S. 132),

… durch eine kühne Schwenkung aufgehalten, weil sie etwas im Wasser erblickte, das ihre Aufmerksamkeit erregte; ist es ihrem Scharfblick entschwunden, so segelt sie weiter, aber immer hat sie dabei den Schnabel gerade herabgerichtet; bald entdeckt sie etwas neues, flattert (rüttelt) über demselben und stürzt sich, nach festgenommenem Ziel, pfeilschnell darauf, dass das Wasser hoch aufspritzt.

Fluss-Seschwalbe im Flug nach unten blickend.

Fluss-Seschwalbe mit Kopf nach rechts geneigt, fliegt mit weit ausgebreiteten Flügeln.

Fluss-Seeschwalbe mit geöffneten Flügel und tief gesenktem Hals, die sich gerade in die Tiefe stürzt.

Fischchen entdeckt: Und senkrecht geht’s hinunter.

Bedrohter Lebensraum

Fluss-Seeschwalben bleiben nur die Sommerwochen bei uns an passenden Küsten, Seen und Flüssen. Kaum haben sie ihre Jungen groß, ziehen sie wieder Richtung Westafrika, wo sie den Winter verbringen. Im Spätsommer kommen auch Artgenossen von Norden, die an der Küste von Skandinavien gebrütet haben, und rasten dann im Wattenmeer.¹

Obwohl die Fluss-Seeschwalbe recht flexibel bei der Wahl des Habitats ist – Hauptsache es gibt Wasser und darin kleine Fische, Krebstiere oder Insekten –, ist sie durch Eingriffe in die Natur vielfältig bedroht. Und darum ist es gut, dass der Verein Jordsand diese Seeschwalbe zum Seevogel des Jahres 2020 gewählt hat.

Vor allem ihre Brut ist durch die Begradigung von Flüssen, durch Entwässerungsmaßnahmen, aber auch durch Bade-, Sport- und Kurbetrieb gefährdet. Denn die hübschen Bodenbrüter, die meist nicht vereinzelt, sondern in Kolonien brüten, brauchen für ihr Gelege Strandwiesen, Kies- und Sandbänke.

Fünf Seeschwalben fliegen über der Loire unterhalbe einer steinernden Brücke. Im Hintergrund sattes Grün durch den Uferbewuchs.

Fluss-Seeschwalben unter einer Brücke an der Loire, die mit ihren Sandbänken den Vögeln gute Brutplätze bietet.

Schon im 19. Jahrhundert, als die Vögel im Wattenmeer regelrecht verfolgt wurden, ging ihr Bestand stark zurück.² Wie es damals dazu kam, beschrieb damals Johann F. Naumann mit kritischem Blick (S. 136):

Bei den Fischern stehen sie in dem üblen Rufe des Fischraubes, zwar nicht ganz mit Unrecht, weil sie sich meistens von kleinen Fischchen nähren, und sie werden deshalb von jenen … oft unbarmherzig verfolgt, ihnen die Eier weggenommen oder diese nutzlos zertreten, auch die Jungen oft erschlagen u.s.w. Es werden indessen hierbei Eigendünkel und Selbstsucht des Menschen wohl ein wenig zu weit getrieben.

Weil dann im 20. Jahrhundert der Naturschutzgedanke populär wurde, gab es Anfang der 1950er Jahre wieder 13.000 Brutpaare hierzulande. Doch der Bestand nahm durch die Chemikalien-Belastung der Küstengewässer drastisch ab. Nur noch 4.000 Paare wurden in den 1960er Jahren gezählt.

Im Vordergrund ein kopulierendes Fluss-Seeschwalbenpaar, dahinter fressen sechs Ringelgänse mit gesenktem Kopf auf einer Wiese.m Fressen,

Unbeeindruckt von den Ringelgänsen wird an der Nordseeküste für Nachwuchs gesorgt.

Seit einigen Jahren brüten wieder 9.000 bis 10.000 Paare an den norddeutschen Küsten und im Binnenland. Neue Gesetze zum Gewässerschutz erleichtern den Fluss-Sesschwalben das Überleben, sowohl an den Flüssen und Flussmündungen von Elbe, Ems und Oder als auch an den Bergbauseen südlich von Bitterfeld. Gefährlich sind und bleiben für Seeschwalben vor allem Füchse, Katzen und andere Säuger, die Eier und Jungtiere auffressen.

Wenn zwischen Ende April und Anfang Mai die Fluss-Seeschwalben aus ihren Winterquartieren zurückkommen, werden sie hoffentlich geeignete Brutplätze und genug Nahrung bei uns finden…

Flss-Seeschwalbe fliegt sehr flach über ein Gewässer, der Schnabel berührt die Wasseroberfläche.

Das Fischlein war schneller.

¹ Wer erfahren möchte, wie und was an Fluss-Seeschwalben erforscht wird, dem empfehle ich das 2021 erschienene Buch Seeschwalbensommer.
² Mehr dazu in: Atlas Deutscher Brutvogelarten, Hrsg. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und DDA, 2015, S. 308

Flussseeschwalbe | Sterne pierregarin | Common Tern | Sterna hirundo

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

2 Kommentare

  1. Alljährlich wählt der Verein Jordsand eine Vogelart zum „Seevogel des Jahres“. Gerade wurde der Seevogel 2020 gekürt. Es ist die Fluss-Seeschwalbe. Das ist eine gute Entscheidung, da auch diese Art durch Habitatverluste und Prädatoren stark unter Druck steht. Im Blog findet ihr sie im Vogel-ABC und über die Suchfunktion in der rechten Randspalte, oder ihr klickt auf Schwarzköpfige Flugkünstler.

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  2. Dein Bericht, liebe Elke, ist mal wieder sehr fundamentiert geschildert mit hervorragenden Fotos, die das Verhalten der Vögel bestens zeigen. Hat Freude gemacht, das zu lesen und zu sehen.

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Birding

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Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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