Singende Wintergäste

Wildgänse und Schwäne im Nationalpark Unteres Odertal mit Blick auf das Landschaftsschutzgebiet Zehden in Polen.

Bei dem Schneetreiben, das wir Mitte März derzeit erleben, passt noch kein frühlingshafter Blogpost, sondern ich blicke zurück auf einen wundervollen Februartag im Odertal zwischen Schwedt und Criewen. Mein Ziel waren die Singschwäne, die dort den Winter verbringen. Aber neben diesen Wintergästen aus der finnischen und skandinavischen Tundra traf ich auf Grau-, Bläss- und Brandgänse. Und auf dem verschneiten Ufer ließ sich mitten am Tag sogar ein Fuchspaar blicken.

Fuchspaar im Polderbereich des Odertals.

Zunächst ein paar Eindrücke von der bezaubernden Landschaft, die uns die Oder an der deutsch-polnischen Grenze spendiert. Dieser ruhige und zum Glück nicht-beschiffte Grenzstrom, ist sowohl in der warmen Jahreszeit ein Genuss als auch im Winter, wenn das Wasser in der breiten Flussaue und manchmal sogar im Hauptstrom der Oder gefriert.

Das untere Odertal erstreckt sich auf 60 km zwischen Stettin und Hohensaaten

Von der deutschen Seite aus betrachtet, steigt gegenüber das polnische Oderufer eindrucksvoll an. Dazwischen ist viel Platz für Wiesen, für die verästelten Seitenarme der Oder und für Schilfzonen. Hier halten sich selbst im Winter unzählige Vögel auf. Vor allem Wildgänse ruhen tagsüber auf besonnten Flächen und steigen bei der geringsten Störung urplötzlich auf.

Auffliegende Wildgänse: Graugänse, Blässgänse und – oben ziemlich zentral – drei Brandgänse.

Im Winter sozial

Sich den Singschwänen wenigstens etwas anzunähern, ist nicht leicht. Es braucht etwas Glück und Ausdauer, denn die vorsichtigen Wintergäste halten Menschen konsequent auf Abstand, so dass ich auch mit meinem lichtstarken 800 mm Teleobjektiv ihnen nicht wirklich nahe komme.

Singschwäne auf einer Landzunge: paarweise „sortiert“.

Was in dieser Jahreszeit auffällt: In der Regel sind die Tiere schon paarweise unterwegs, sowohl im Wasser als auch auf den überfrorenen Landzungen und in der Luft. Die hormonelle und verhaltensmäßige Vorbereitung auf das Brutgeschäft ist in vollem Gange. Denn sobald die Singschwäne bei uns abgeflogen sind und ihre Brutgebiete im hohen Norden erreicht haben, werden sie dort als Paar ein Revier etablieren – oft an einem der vielen kleinen Seen – und dieses vehement verteidigen. Ein weiteres Schwanenpaar lassen sie dort nicht brüten.

Allerdings halten sich Singschwäne im Februar noch bevorzugt in Gruppen auf: Das ist sicherer. Man hat mehr Augen und Ohren und warnt einander, wenn sich etwa der Fuchs oder ein Jäger annähert. – Singschwäne dürfen bei uns ganzjährig nicht geschossen werden! Es geschieht dennoch immer wieder.

Nicht nur untereinander sind Singschwäne im Winter äußerst verträglich, sondern auch mit den verwandten Zwergschwänen und Höckerschwänen kommen sie gut aus. Häufig verbringen die Arten die Nacht gemeinsam auf demselben See, auch tagsüber ruhen sie nah beieinander oder fressen sich am Grün von Winterraps satt. Keine Spur von Konkurrenz außerhalb der Fortpflanzungszeit!

Höckerschwäne mit orangefarbenem Schnabel und Singschwäne mit gelbem Schnabel einträchtig beieinander.

Während ich auf die Singschwäne und die unruhigen Wildgänse fokussiert war, kam nachmittags immer stärker die Sonne durch und ließ das wasserreiche Land in einem intensiven Blau erstrahlen. Berauschend.

Blick vom Deich an der Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße bei Criewen

Lautstark auch im Flug

Singschwäne haben einen Stimmapparat und eine sehr lange, gewundene Luftröhre, die es ihnen ermöglicht, mehrsilbige und lang gezogene Laute zu produzieren. Ihren charakteristischen Singsang hört man zum Beispiel, wenn sich Familien auf dem Wasser begegnen – es ist eine Art Begrüßungsritual. Alfred Hilprecht beschreibt das Aufeinandertreffen so (Höckerschwan, Singschwan, Zwergschwan, Neue Brehm-Bücherei, 1970, Bd. 177, S. 42):

Fiel eine neue Gruppe auf dem See ein, schwammen die Familien aufeinander zu, hoben und senkten langsam Kopf und Nacken und trompeteten als ob sie sich unterhielten.

Begrüßungszeremoniell, wenn man aufeinandertirfft

Hier lässt sich ein solches Begrüßungszeremoniell mit den nickenden Kopfbewegungen betrachten und auch hören, allerdings ist die Aufnahme im unteren Frequenzbereich durch starken Wind verrauscht.

Wenn Höckerschwäne fliegen, dann geht ein Rauschen durch die Luft, erzeugt von ihren kräftigen Flügelschlägen. Es ist sehr weit zu hören, bei stillem Wetter bis zu einer Entfernung 2 km, und klingt laut Alfred Hilprecht „singend pfeifend und metallisch schwirrend“  (S. 36).

Singschwäne fliegen viel lautloser als Höckerschwäne. Sie verursachen kein Flügelrauschen, sondern nur ein sanftes Sausen. Sehr häufig rufen sie allerdings im Flug. Und fliegt ein Paar gemeinsam von A nach B, dann ruft offenbar immer nur einer von beiden – so wie man es im Foto unten sehen kann.

Ruffreudiges Singschwanpaar

Abschied vom Odertal

Ich wäre gerne länger in Criewen geblieben, aber man braucht mit dem PKW – den ich wegen all der Ausrüstung bei solchen Ausflügen bevorzuge – etwa zwei Stunden bis ins Zentrum von Berlin. Und weil die Tage Anfang Februar noch kurz sind, machte ich mich um 16 Uhr auf den Rückweg. Und da ruhte bereits das Leben im wunderbaren Nationalpark Unteres Odertal.

Langsam geht im Oderbruch die Sonne unter.


Singschwan | Cygne chanteur | Whooper swan | Cygnus cygnus



Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

2 Kommentare zu “Singende Wintergäste

  1. Liebe Elke,
    eine Freude, Deine wunderbaren Fotos vom Oderdeich zu sehen, weil ich dort unzählige Male im Winter schon gelaufen bin und auch Deine Begeisterung für diese Landschaft nachvollziehen kann. Deine Fotos geben das wieder, was ich auch gesehen habe: diese Weite, dieses „berauschende“ Blau im Winter, die vielen Wildgänse und natürlich die Ungestörtheit, die hilft, solche Momente wahrzunehmen. Ich komme per Bahn und Bus. Wenn ich den späteren Bus nehme, kann ich mich an dem herrlichen Sonnenuntergang noch erfreuen, der alles in ein unglaublich schönes warmes Licht taucht. Morgen werde ich wieder dort sein :)) Du hast mich motiviert – trotz Kälte !!

    1. Ich beneide dich darum: Bei Kälte, Sonne und blauem Himmel ist das wirklich ein idealer Ausflug. Ich war gerade zwei Stunden bei einem Habichtpaar im Berliner Südwesten. Der gestrige Sturm hat den Horst nicht zerzaust, das wollte ich prüfen. Das Männchen wartete mit Beute auf das Weibchen, aber die war unterwegs. Und so fraß er selbst!

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