Beim „rotgeschwänzten Segler“ handelt es sich natürlich um den Rotmilan, und ich möchte es gleich vorweg sagen: Rund die Hälfte aller Individuen dieser Greifvogelart brüten in Deutschland, aber in den letzten beiden Jahrzehnten ist der Bestand bei uns stark geschrumpft – und wieder ist die moderne Agrarwirtschaft eine der Hauptursachen. Sie verknappt das Nahrungsangebot der eleganten Segler.
Außerdem sind Windräder gerade für Rotmilane lebensgefährlich. Das liegt an der Art und Weise, wie sie fliegen und Beute machen.
Mit Gabelschwanz und langen Fingern
Noch ist es nicht schwer, Rotmilane zu beobachten, wenn man etwa in den ostdeutschen Bundesländern unterwegs ist. Auch in den westdeutschen Mittelgebirgsregionen brüten allerlei Paare, ebenso auf der Schwäbischen Alb und im westlichen Alpenvorland. Und wer Glück hat, sieht den Greif auf einem Ansitz hocken.
Ist man kein erprobter Vogelgucker, keine begeisterte Vogelguckerin, dann hilft es, ein paar typische Merkmale des Roten Milan zu kennen. Diese lassen sich schon aus der Ferne entdecken. Und das ist wichtig, denn dass einer dieser Greife mit einer Spannweite um die 1,50 m uns direkt vor der Nase herumfliegt, ist eher selten der Fall.
Meist sieht man Rotmilane am Himmel, hört ihre langgezogenen Rufe – oft als wiehernd-trillernd beschrieben – und verfolgt mit den Augen die dunkle, sehr markante Silhouette: Der Greif segelt mit wenigen, sehr ruhigen Flügelschlägen, liegt dabei flach in der Luft oder hat die Schwingen etwas angewinkelt und navigiert mit seinem Schwanz.
Das zeigt sich auch bei großem Abstand zum Vogel.
Der Schwanz ist im Vergleich zu Habicht und Mäusebussard auffällig lang, und wenn der Vogel – wie es so seine Art ist – über einem Acker oder einer Wiese auf Beutesuche ist, senkt er oft den Kopf.
Meist ist der Schwanz des fliegenden Rotmilans tief eingekerbt beziehungsweise gegabelt. Gabelweihe wird er daher auch genannt. Auffällig sind die langen „Finger“ – gebildet von den äußeren Federn der Handschwingen. Bis zu 45 cm Länge wurden da schon gemessen.
Manchmal formt der Milan aus dem Gabelschwanz allerdings ein langgestrecktes Dreieck. Dann ähnelt seine Silhouette eher einem Schwarzmilan, bei dem der Schwanz keine so ausgeprägte Gabelung hat.
Der Suchflieger
Der Rotmilan ist ein Suchflieger, der weite Strecken unter Ausnutzung der Thermik im Gleit- und Segelflug zurücklegen kann und so täglich große Areale seines Jagdraumes befliegt. Da er als Landsegler im Verhältnis zu seiner Schwingengröße einen leichten Körper hat, benötigt er für seinen Flug nur wenig Energie.
So beschreibt ihn Rudolf Ortlieb in Der Rotmilan (Die Neue Brehm-Bücherei, 1989, S. 112) in Abgrenzung von Greifvögeln wie Habicht und Mäusebussard, die auf einem Ansitz – auch Anstand genannt – nach Beute Ausschau halten. Und diese besonders schönen, dahingleitenden Suchflüge des Rotmilans sind auch das, was ihm zum Verhängnis wird. Überall stehen Windräder in der Landschaft – mit Rotoren in seiner bevorzugten Flughöhe.
Zurück aus dem Winterquartier
Vor wenigen Tagen traf ich einen Rotmilan, der vermutlich schon etwas länger aus seinem Winterquartier in Spanien oder Frankreich zurück war. Es war Frühlingsanfang, und ich wollte im Bereich des Nuthe-Nieplitz-Naturparks nach „meinen Störchen“ schauen.
Aber wie vermutet, waren sie noch nicht heimgekehrt. Denn als „Ostzieher“ queren sie auf dem Weg nach Afrika den Bosporus und erscheinen bei uns später als ihre Artgenossen in den westlichen Bundesländern. Die nehmen die Westroute, überwintern oft schon in Spanien und sind daher schneller zurück.
Ich war eigentlich bereits auf dem Rückweg und gerade auf einen Grünspecht aufmerksam geworden, da kam ein Rotmilan herangeschwebt und war wunderbar von der Sonne beleuchtet. Fast transparent wirkte sein Gefieder.
Und dann entschied er sich, weiter in meine Richtung zu fliegen und kurzzeitig über mir zu kreisen. Das ermöglichte dem Grünspecht, meinem Blick zu entkommen, dafür konnte ich ein paar schöne Flugbilder machen. (Fotos zum Vergrößern anklicken!)
Unverwechselbar ist die typische Zeichnung der Unterseite: heller Kopf, ein rostbrauner Bauch, ein rötlicher Schwanz und die weißen „Fenster“ vor den schwarzen „Fingern“ der Handschwingen. Um die Oberseite des fliegenden Vogels zu sehen, muss er flach über den Boden segeln, was nicht so oft vorkommt. Die Oberseite ist jedenfalls intensiver gefärbt, aber die weißen Fenster fehlen.
Der Rote Milan, der am Dorfrand über mir kreiste, war sicher hungrig. Vielleicht überlebt seine Art, die nur in Europa zwischen Südschweden und Sizilien, Spanien und der Ukraine brütet, weil in Artenschutzprogrammen endlich für den Greif gesorgt wird und weil sie bei der Nahrung in der Tat nicht wählerisch sind. Rudolf Ortlieb hat den Speiseplan so zusammengefasst:
Früher war der Feldhamster ihr wichtigstes Beutetier. Heute ist dieser selten geworden und zur Brutzeit sind Abfälle und Aas die wichtigste Nahrungskomponente. Danach folgen Vögel, dann Mäuse, Hasen (als Mahdopfer), Maulwürfe und Fische. Die Greifvögel suchen über Dörfern und der offenen Landschaft nach Fleischabfällen und nach toten Tieren, plündern Drossel- oder Finkennester, schnappen einen toten Fisch aus dem nächsten Gewässer und fliegen hinter dem Mähwerk her, um die Mahdopfer aufzulesen oder sie den Krähen abzujagen.
Wie der Rotmilan die Umgebung scannte und dabei den Kopf hin- und herdrehte, das ließ sich eine Zeitlang gut beobachten. Aber irgendwann drehte er ab und flog davon.
Rotmilan oder Roter Milan | Milan royal | Red Kite | Milvus milvus
Um zwei neue Windkraftanlagen in BW zu verhindern, kartieren wir fleißig und hoffentlich erfolgreich den Rotmilan und den Schwarzstorch und deren Horste. Beim stundenlangen Beobachten des eleganten und diskreten Rotmilans habe ich mich in ihn verliebt.
Lieben können wir anscheinend das, was wir durch gute Beobachtung, mit echter Neugier und Interesse kennengelernt und uns vertraut gemacht haben. Naturbeobachtung ist für mich die Voraussetzung für Naturschutz und ich kann sie nur empfehlen – auch, um Verständnis und Liebe für die eigene Natur zu verbessern!
Wie schön, dass sie darauf hinweisen, was die genaue Beobachtung fördert, nämlich Neugier, Interesse an der Natur und für ihren Schutz.
Hallo, danke für den schönen Blog! Wir beobachten schon seit dem Frühjahr einen Rotmilan mit enormer Spannbreite bei uns im südlichen Odenwald/ Grenze zum Kraichgau über den Feldern. Zwei kleinere Exemplare begleiten ihn manchmal, aber er ist sehr beeindruckend und kommt auch sehr nahe.
Merci. Und, das sieht ja nach einer erfolgreichen Brut aus. Ihre Flugkünste zu beobachten, ist wirklich schön. Erstaunlich viele sah ich dieses Jahr in der Westschweiz über Wiesen und Feldern segeln.
Hallo ich habe gerade einen solchen bei uns vom Balkon aus gesehen. Überm Waldstück nach Beute suchend. Das war in Wiesbaden-Medenbach, und ich habe hier noch nie solch einen seiner Art gesehen ausser in der Falknerei oder Fasenerie in Wiesbaden, „Opelzoo“. Ob der Kerl wo abgehauen ist?
Hallo Frau Wieser, ich denke, Sie können davon ausgehen, dass sie einen schönen, freilebenden Rotmilan gesehen haben. Die gibt es durchaus in Ihrer Gegend. Und auf Nahrungssuche überfliegen sie durchaus größere Gebiete um den Horst herum.
Als Neu-Entdeckerin dieses Blogs lese ich die Beiträge besonders aufmerksam und dann denke ich oder frage mich, warum ich offenbar in meinem schon recht langen Leben so wenig aufmerksam für das war, was in der Natur und Vogelwelt vor sich geht. Lag es an der Schule – ein bisschen wohlfeil, denke ich. Am Elternhaus?
Wie auch immer: Hätte es den Blog schon vor 60 Jahren und mehr gegeben, ich hätte vielleicht die Welt um mich herum und oben und unten schon früher anders betrachtet. Die Fotos sind ziemlich beeindruckend.
Da sage ich MERCI und freue mich, noch eine neue Freundin der Vogelwelt gefunden und zum genaueren Hinschauen verführt zu haben. Selbst Mediziner entdecken die Vogelguckerei, das Birding, und berichten in Fachzeitschriften wie dem New England Journal of Medicine (14. März 2019): When Sparks fly – Or How Birding Beat My Burnout.
Tolle Aufnahmen vom Rotmilan!
Danke! Natürlich war etwas Glück im Spiel, denn ich hatte die Kamera gerade für den Grünspecht vorbereitet.