Der fotogene Jäger

25. Januar 2018 | Falke & Co, Große Vögel | 7 Kommentare

Junger männlicher Turmfalke, 2017 geschlüpft und beringt

Dieser junge Greifvogel ist seit Monaten der Star vieler Berliner Naturfotografen und Naturfotografinnen. Er ist deutlich kleiner als ein Sperber und hat ganz wunderbare, große dunkelbraune Augen: Typisch Turmfalke! Denn die dunkle Pupille und die dunkle Iris verschwimmen bei dieser Greifvogelart. Beim Sperber ist die Iris hingegen gelb.

Das dunkle Auge ist nicht nur für den Turmfalken kennzeichnend, sondern auch für seine Falkenverwandten. Walter Bednarek, ein Biologe und Falkner, erklärt (Greifvögel, Landbuch–Verlag, 1996, S. 17):

Alle Falken haben spitz zulaufende Flügel, einen runden Kopf mit einem Auge, das nahezu schwarz wirkt, da die dunkelbraune Iris sich von der Pupille kaum abhebt. Optisch vergrößert und kontrastiert wird dieses Sehorgan durch eine gelbe, unbefiederte, „nackte“ Hautpartie, von der es umgeben wird.

Auf dem Ansitz

Der Jungvogel ist erst 2017 in Berlin Neukölln aus dem Ei geschlüpft, wurde von dem NABU-Greifvogelexperten Stefan Kupko beringt und hält sich bisher außerordentlich gut. Das erhöht seine Überlebenschancen, denn das erste Lebensjahr ist für Jungvögel besonders riskant.

Der Greif auf seinem Ansitz

Zum Glück ist dieser Winter nicht eiskalt, und bisher fiel in Berlin kaum Schnee. Sonst wären die Feldmäuse, auf die Turmfalken am liebsten Jagd machen, unter der Schneedecke verborgen und nicht erreichbar. In den zwei Stunden, die ich in der Nähe von „Turmi“ – wie er bereits genannt wird – verbrachte, hat er tatsächlich vier Mäuse geschlagen. Ein toller Kerl!

Er ist aber – leider, muss man sagen – Menschen gegenüber äußerst distanzlos. Es ist darum zu befürchten, dass ihm seine Zutraulichkeit zum Verhängnis wird. Deshalb schreibe ich nicht, wo er sich in Berlin meist herumtreibt. Freut euch also einfach über ein paar Fotos von dem jungen Jäger.

Der Stoßflug-Greifer

Wenn Turmfalken Beute machen – meist sind es Mäuse, eventuell auch mal ein Maulwurf oder ein größeres Insekten –, dann verfolgen sie eine von zwei Strategien: Entweder sie sitzen etwas erhöht auf einem „Ansitz“, kontrollieren mit ihren sehr guten Augen die Umgebung und starten von dort, um die Beute mit den Fängen zu greifen.

Oder sie fliegen über eine Wiese oder ein Feld, sondieren von hoch oben die Umgebung und rütteln von Zeit zu Zeit. „Rüttelfalken“ werden sie daher auch genannt.

Sehr schön hat Theodor Mebs das Rütteln beschrieben (Grzimeks Tierleben, Kindler, 1968, Bd. VII, S. 420):

Er verharrt dabei flatternd an einer Stelle im Luftraum – gleichsam wie festgeheftet – und spreizt den langen Schwanz je nach Windstärke mehr oder weniger stark gefächert schräg nach unten.

Sobald ein Turmfalke eine Feldmaus oder auch mal eine Eidechse entdeckt hat, lässt er sich schwebend etwas fallen und stößt in einem günstigen Moment auf seine Beute, die er mit den Fängen ergreift und mit einem Genickbiss tötet. Meist fliegt er dann mit der gegriffenen Beute an einen sicheren Ort. Dort frisst er sie und hält sie dabei mit den Fängen fest.

Turmfalke mit einer toten Maus

Jeder Beuteflug kostet viel Energie, daher ist es für Greifvögel wichtig, ökonomisch zu arbeiten. Zum Beispiel jagen Turmfalken vor allem zu Tageszeiten, zu denen die Mäuse besonders aktiv sind. Und wie sie jagen, das hängt unter anderem vom Wind ab: Sowohl bei Sturm als auch bei Windstille starten Turmfalken meist vom Ansitz aus. Bei leichtem Wind rütteln sie und schlagen die Beute, indem sie aus der Luft steil herabstoßen, kurz vor dem Erdboden abbremsen und zugreifen. Daher die Bezeichnung Stoßflug-Greifer.

Greifvogel-Füße (W. Bednarek, Greifvögel, S. 19)

An den Füßen kann man übrigens erkennen, welche Nahrung ein Greifvogel bevorzugt. Denn die einen sind auf kleinere Vögel spezialisiert, die anderen greifen in der Regel nach kleinen Säugetieren:

Sind die Zehen recht lang, wie beim Sperber oder beim Wanderfalken, dann sind kleinere Vögel ihre bevorzugte Beute. Mit den langen Zehen lässt sich das Federkleid eines Vogels besser packen. Er könnte sonst wegflattern.

Demgegenüber haben Greife, die normalerweise Mäuse und andere Kleinsäuger erbeuten, deutlich kräftigere Zehen und Krallen. Das ist beim Habicht, Turmfalken und Mäusebussard der Fall, denn sie müssen die sich wehrende Beute gut festhalten können.

 

 

Wenn der Falke ein Beutetier geschlagen hat und konkurrierende Artgenossen oder Menschen in der Nähe sind, dann sieht man das sogenannte Manteln. Dabei legt er seine abgespreizten Flügel und den Stoß – so heißt der Schwanz bei Greifvögeln – über die Beute.

Kontrolle muss sein, auch beim Manteln.

Tischmanieren

Beim Fressen halten Turmfalken ihre Beute mit den starken Krallen fest. Während dieser Arbeit schauen sie – wie hier „Turmi“ – immer wieder auf und sichern sich in alle Richtungen ab.

Die Mahlzeit ist fast beendet. Nur noch graue Fellreste stecken zwischen den Zehen.

Nach seiner Mäusemahlzeit saß der junge Greif – er hatte sich noch gar nicht richtig die „Zähne“ geputzt – rasch wieder auf seinem Ansitz, von wo aus er kurz darauf eine weitere Maus erlegte. Bei den sechs Angriffen, die „Turmi“ binnen zwei Stunden geflogen ist, hat er mal aus dem Rüttelflug, mal vom Ansitz aus vier Mäuse erwischt. Das ist eine gute Quote. Der Literatur entnehme ich, dass bei Turmfalken nur etwa jeder zweite Beuteflug erfolgreich ist – die andere Hälfte geht daneben und kostet nur Kraft.

Mäusereste auf dem Hakenschnabel, aber schon wieder auf dem Ansitz.

Ich hoffe, wie so viele andere Greifvogelbegeisterte auch, dass uns der junge Turmfalke noch lange erhalten bleibt, sich beizeiten verpaart und Junge aufzieht.

Im Visier: das Objekt der Begierde


Turmfalke | Faucon créderelle | Kestrel | Falco tinnuculus

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

7 Kommentare

  1. Ein fantastisches Foto, was mir großen Respekt abverlangt. Dazu gehört viel Geduld und Erfahrung.
    Das sind die Momente, wo Wildlife-Fotos Feste feiern :))

    Antworten
    • Vielen lieben Dank für das Lob.

  2. Kürzlich mailte mir eine Turmfalken-Freundin dieses tolle Foto des fotogenen Jägers mit erbeuteter Maus (©Kerstin Kruse). Ich wollte es euch nicht vorenthalten.
    Turmfalke fliegt mit einer erbeuteten Maus

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  3. „Flugverkehr“. Was für ein irres Saison-Foto auf der Startseite. Diese Farben! Ich bin begeistert!

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  4. Danke für die tollen Fotos und Erklärungen! Ich lebe ja auf dem Land bei einer sehr alten Dorfkirche und da haben wir auch Turmfalken, und es gibt einen Turmfalkenbeauftragten, der einmal im Jahr kommt und im Kirchturm nach ihnen schaut. Mich beeindruckt immer sehr, wenn die Jungvögel das Fliegen lernen sollen und die Alten sie von dem Dachfirst, auf dem sie hocken, regelrecht herunterschubsen, damit sie sich trauen und das Fliegen ausprobieren. Es sind wirklich besonders hübsche aufgeweckte Vögel, oder?

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    • Was du beschreibst, das habe ich noch nie gesehen. Also: Wie die Altvögel ihren Nachwuchs zum Ausfliegen „überreden“. Toll, dass du das beobachten konntest – die Vorteile des Landlebens, um das ich dich beneide. Ich habe mich in der Hauptstadt immerhin amüsiert, als ich sah, dass zwei Junge auf der Sitzstange des Nistkastens hockten und sich nicht trauten abzufliegen. Und wenn dann ein paar Nebelkrähen um den Wasserturm düsten, verschwanden sie sofort in den Nistkasten. Das ist natürlich nicht „unklug“.

  5. Deine Infos zu den Fotos sind – wie immer – sehr lehrreich. Dass sich die Krallen und Zehen der Greifer nach der
    Fangart entwickelt haben, war mir mit diesen Details neu, ist aber auch logisch.
    Eine schöne Fotosequenze zeigst Du uns hier; ich wünsche ihm ein langes Greiferleben 🙂

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Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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