Zugvogelforschung: reich an Abenteuern

31. Oktober 2025 | Mensch & Vogel, Vogelbücher | 0 Kommentare

Wer das großformatige, wunderbar illustrierte Buch „Die Ostatlantische Vogelzugroute“ zur Hand nimmt, wird mit einer Vielfalt von Informationen über Zugvögel, deren Flugrouten und die Erforschung ihrer Zwischenstopps auf den langen Flugstrecken belohnt.

Rasch weitet sich der Blick vom heimischen Wattenmeer der Nordsee – also vor unserer Haustür und bei unseren Nachbarn Dänemark und den Niederlanden – in eine weitgehend unbekannte Ferne. Die Lektüre macht klar: Die Vogelwelt der norddeutschen Watten ist auf Gedeih und Verderben verbunden mit außergewöhnlichen Lebensräumen im hohen Norden, sogar bis jenseits des Urals, und mit einigen schwer zugänglichen Wattgebieten im Süden längs der westafrikanischen Atlantikküste und darüber hinaus.

Peter Prokosch hat als einer von elf Autoren – darunter zwei ukrainischen Autorinnen – einen facettenreichen Überblick zu fernziehenden Küstenvögel herausgegeben. Sein Verdienst ist es auch, dass hier sehr unterhaltsam und persönlich die Geschichte der Einrichtung von Naturschutzzonen erzählt wird. Auch die Verhandlungen und die Kämpfe darum!

Eingestreut in die 18 recht unterschiedlichen Kapitel, die inhaltlich auf der Fachtagung East Atlantic Flyway Week von 2023 auf der Hallig Langeneß basieren, enthält das Buch Interviews mit den maßgeblichen Wissenschaftlern.

Blicke in die Ferne

Das Wattenmeer der Nordsee ist bekanntermaßen ein wertvoller Dreh-und Angelpunkt für all die Zugvögel, die zweimal im Jahr auf der ostatlantischen Route unterwegs sind. Viele Arten sind an der Nordseeküste nur Gäste. Sie kommen teils schon im Sommer aus ihren hochnordischen Brutgebieten, die in den küstennahen Tundra-Gebieten am Polarkreis zwischen Grönland und der Russischen Föderation liegen, bei uns gewissermaßen vorbei. Die Langstreckenzieher steuern dann via europäischer Atlantikküste einzelne ausgedehnte Watten in Westafrika an.

Nest einer Ringelgans in der russischen Tundra (©Peter Prokosch)

Einige dieser Zugvögel überwintern an westeuropäischen Küsten, andere verschlägt es bis nach Südafrika. Im zeitigen Frühjahr treten sie die Rückreise in ihre nördlichen Brutgebiete an und legen an der Nordsee wiederum einen Zwischenstopp ein.¹

Erst in den letzten 50 Jahren wurde diese ostatlantische Vogelzugroute der Küstenvögel genauer untersucht und ihre Bedeutung erkannt. Angeregt von Wissenschaftlern, die damals im Wattenmeer der Nordsee forschten, machten sich junge und durchaus abenteuerlustige Biologen und Nicht-Biologen auf den Weg in unbekannte Regionen.

Dass sie später die Idee von Naturschutzgebieten in Wattgebieten energisch und nachhaltig fördern würden, war anfangs nicht abzusehen.

Spannende Reiseberichte

Von den frühen Forschungsreisen finden wir gleich mehrere anschauliche Berichte in Die Ostatlantische Vogelzugroute. Diese Einblicke in die Zugvogelforschung sind unterhaltsam geschrieben und bieten durch die persönlichen Erfahrungen der Autoren allerlei Kuriositäten. Das ist ornithologische Geschichtsschreibung und in dieser Form einzigartig.

Camp auf der Taimyr-Halbinsel in Sibirien (©Peter Prokosch)

Es geht da zum Beispiel um erste Kontakte ab 1988 zwischen westdeutschen und russischen Zugvogelforschern. Es geht um staatliche, wissenschaftliche und naturschützende Institutionen, die es westeuropäischen Forschern ermöglichten, an der nördlichsten Küste Sibiriens Zugvögel wie die Ringelgans oder den Knutt zu beringen. Und es geht um die Möglichkeit durch Kooperationen, etwa der Russischen Akademie der Wissenschaften und westeuropäischer Experten – inklusive dem WWF –, Nationalparks in Sibirien zu erweitern und im riesigen Lenadelta die Artenvielfalt im Hinblick auf neue Schutzzonen zu erkunden.

In weiteren Kapiteln wird beschrieben, wie es dazu kam, dass auch in Grönland, Island und Spitzbergen große Flächen, auf denen Zugvögel aus dem Wattenmeer brüten, unter Schutz gestellt wurden. Dazu zählt etwa eine Population des Knutts, die sich im Winter in den Wattgebieten der Nordsee aufhält und im Frühjahr zum Brüten nordwestlich abfliegt.

Delta der Lena: östlicher Endpunkt des nordatlantischen Zugwegs (©Peter Prokosch)

Faszinierend sind schließlich zwei Kapitel, die grandiose Einblicke in westafrikanische Wattgebiete bieten, und zwar an der Küste von Mauretanien und von Guinea-Bissau.

Und drei ukrainische Ornithologen stellen den Sywasch und das Wattengebiet am Asowschen Meer vor, wo schon vor Kriegsbeginn für die dort rastenden Zugvögel auf ihrem langen Weg zwischen der Tundra in Sibirien und Afrika definitiv nicht alles zum Besten stand.

Verknüpft sind diese Berichte über relevante und weitgehend unbekannte Regionen, in denen ziehende Küstenvögel energetisch auftanken, mit solchen Kapiteln, in denen Langzeitdaten über einzelne Vogelarten aufbereitet sind. Dazu gehören neben der Ringelgans, der Knutt und die Pfuhlschnepfe.

Transnationale Netzwerke

Ein wichtiger Bestandteil des Buches sind jene Abschnitte, die unzweifelhaft klar machen, dass der Nationalpark Wattenmeer und sein Status als UNESCO-Welterbestätte kein Zufall ist. Vielmehr ist der Schutz lebenswichtiger Regionen für Küstenvögel dem Engagement einzelner Personen und ihrer gelungenen Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg zu verdanken. Das gilt für viele andere Nationalsparks und Naturschutzgebiete ebenfalls.

Nicht zu vergessen sind in diesem Kontext auch Institutionen, die von den Protagonisten geschaffen wurden oder bereits bestanden. Sofern diese transnational arbeiten und international bekannt sind, sind sie ein wichtiger Hebel, wenn Areale unter Naturschutz gestellt werden sollen. Wirtschaftliche Gründe werden oft als Gegenargument auf den Tisch gebracht. Auch davon berichtet das Autorenteam, etwa in den Abschnitten

Vom Widerstand gegen Eindeichungen zu Nationalparks und Weltkulturerbe
Wie die Vorpommersche Boddenlandschaft kurzfristig zum Nationalpark wurde
Island: die Rettung von Eyjabakkar und Pläne für einen Hochland-Nationalpark
Svalbard – Von der Anti-Straßen-Kampagne zu neuen Nationalparks

Und immer stellt sich die Frage, wie die Politiker und Politikerinnen agieren. Dass internationale Absprachen wie die UN-Konvention zum Schutz wandernder Tierarten (CMS) richtungsweisend sein können, das ist heute unbestritten. Im Jahr 1979 auf den Weg gebracht, trat dieses Abkommen 1983 – auch bekannt als „Bonner Konvention“ – in Kraft. Es sorgt beispielsweise dafür, dass die sogenannten Arealstaaten, die fliegende oder wandernde Tierarten passieren und auf ihren Routen als „Tankstelle” nutzen, sich absprechen und erforderliche Schutzmaßnahmen koordinieren.

Wechselwirkungen und Auswirkungen

Die ziehenden Küstenvögel – und auch wir – hätten sicher viel verloren, wenn nicht Menschen wie Peter Prokosch, William Dick, Jim Wilson, Andrew St Joseph u.a. so hartnäckig gekämpft hätten und so gut vernetzt gewesen wären. Und wenn sie nicht die Zeichen der Zeit genutzt und oftmals auf ihr Glück vertraut hätten.

Strecken und Stopps (© Peter Prokosch)

Für alle, die an der Zugvogelforschung und ihren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen interessiert sind, bietet Die Nordatlantische Vogelzugroute außergewöhnliche Einblicke und ist spannende Lektüre.

Dass Peter Prokosch in Westdeutschland zu den Allerersten gehört hat, die ihren Zivildienst im Umweltschutz leisteten – und zwar auf der Hallig Langeneß –, soll an dieser Stelle auch noch erwähnt werden.

Erfreulich und heute nicht mehr selbstverständlich ist, dass es in diesem schönen Buch zu jedem Kapitel ergänzende Literatur gibt.

Auch auf ein gut sortiertes Register haben Herausgeber und Verlag Wert gelegt. Dieses ist dreiteilig und unterscheidet zwischen Personennamen, geographischen Begriffen und Namen von Tieren, Pflanzen und Institutionen.

¹ Einen perfekten Überblick über das Zugvogelgeschehen und seine Hintergründe bietet Das große Buch vom Vogelzug.

Die Ostatlantische Vogelzugroute
Hrsg.: Peter Prokosch
Verlag: Aula
Jahr: 2024

 

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

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Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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