Der Wüstensteinschmätzer ist ein durchaus sehenswerter Vogel. Wie der Name schon vermuten lässt, trifft man ihn in Europa leider nicht an. Allerdings können wir ihm auf Reisen begegnen, zum Beispiel an der nordafrikanischen Mittelmeerküste und in Ländern der arabischen Halbinsel.
Den ersten Vogel seiner Art sah ich frühmorgens in einem kleinen, ökologisch geführten Camp im Oman.¹ Dort lief er munter und nicht sonderlich scheu zwischen den Unterkünften herum.
Ich war sofort von dem kontrastreichen Outfit und dieser kecken, aufrechten Körperhaltung des Wüstensteinschmätzers fasziniert. Sie ist typisch für ihn und verwandte Arten, etwa den europäischen beziehungsweise nördlichen Steinschmätzer², den Isabellsteinschmätzer und den Saharasteinschmätzer. (Bei der folgenden Fotogalerie mit drei Fotos und weiter unten bei der Galerie mit zwei Fotos lässt sich am PC jedes Einzelne durch Anklicken vergrößern. Dann aber unbedingt per ← wieder zurück zum Text.)
- Sahara-Steinschmätzer
- Steinschmätzer
- Isabell-Steinschmätzer
Die verschiedenen Steinschmätzer-Arten sind meist am Boden unterwegs, um dort ihre krabbelnde beziehungsweise flugfähige Nahrung zu ergattern. Dabei hüpfen sie oft auf zwei Beinen.
Den Vogel mitten im Camp zu sehen, war übrigens kein Zufall wie ich mittlerweile weiß. Denn in den kargen Gebieten, in denen Wüstensteinschmätzer leben, lassen sie sich oft in der Nähe von Nomaden (vor allem früher) und Camps für Reisende (vor allem heute) blicken. In dieser Umgebung ist in der Regel mit mehr Insekten und anderer animalischer Nahrung zu rechnen als in menschenleerer Einöde.
Auf der Insel Masirah
Es dauerte nicht lange und mir begegnete der zweite Wüstensteinschmätzer am Arabischen Meer. Mit den fünf anderen Vogelbegeisterten suchte ich an der flach auslaufenden Küste von Masirah Island eigentlich nach den legendären Reiherläufern, einer ornithologischen Delikatesse, als der kleine Kerl plötzlich in diesem eher unansehnlichen Gelände auftauchte.
Die Umgebung entsprach aber durchaus den arttypischen Habitatansprüchen: trocken und geröllig, mit Weitblick ausgestattet und mit kleinen Erhebungen. Hier thronte der attraktive Vogel aus der Familie der Drosseln: hoch aufgerichtet und auf einem Stein. Also durchaus Steinschmätzer-typisch.
Und sehr schön ließ sich aus der Ferne beobachten, wie er nach Nahrung sucht, lange umherschaut, sich immer wieder aufrichtet und manchmal mit dem Schwanz – geradezu bachstelzenartig – wippt. Es war windig und im Hintergrund rauscht das Meer.
Auch dieser Wüstensteinschmätzer hielt sich genaugenommen nahe menschlicher Behausungen auf: Es gab zwei größere Zelte – wahrscheinlich für Fischer – und zwei kleine Hütten, die vermutlich von Aussteigern gebaut waren.
Ganz unerwartet machte der Vogel mir die Freude, auf einen Pfahl zwischen die Zelte zu fliegen.
Natürlich hatte er von der hohen Warte aus einen besonders guten Überblick; und ich bekam die Chance, sein schönes Federkleid aus größerer Nähe zu betrachten beziehungsweise zu fotografieren. Gut erkennbar war seine Maske.
Die „Augenmaske“ beim Wüstensteinschmätzer
Bei den männlichen Steinschmätzern fällt auf, dass die Augen oft durch eine sogenannte Augenmaske verborgen sind. Das heißt, sie verschwinden praktisch in einem Feld von dunklen Federchen, sind maskiert.
Die dunkle Maske ist kein Zufall, sondern hat eine besondere Funktion. Sie verhindert, dass andere Tiere – und hier geht es um potenzielle Beutetiere – erkennen können, was oder wen der Steinschmätzer im Visier hat.
Weibliche Artgenossen haben im Kopfbereich ein beige-braunes Gefieder. Sie brauchen die Maske offenbar nicht so dringend.
Eine solche Maskierung der Augen besitzt übrigens auch der Neuntöter, den wir in Deutschland im Sommerhalbjahr regelmäßig beobachten können.
- Auge und Blickrichtung
- von der Maske kachiert.
Zugvögel: Zwischenstopp im Oman
Die Wüstensteinschmätzer Oenanthe deserti, die wir im Oman beobachten können, sind dort keine Brutvögel. Sie pausieren oder überwintern jedoch am Küstenstreifen des Sultanats. Als Zugvögel haben sie entweder dort die Wintermonate verbracht oder haben in Somalia beziehungsweise in Eritrea überwintert. Im Februar, als ich dort war, waren viele bereits auf dem Weg zu ihren nordindischen oder zentralasiatischen Brutplätzen.
Sein Nest baut der Wüstensteinschmätzer in sehr unterschiedlichen Höhenlagen. Manche Vögel nisten im Tiefland und andere im Hochgebirge.³ Die Mehrzahl brütet vom Iran ausgehend bis weit hinein in die Halbwüsten und steppenartigen Gebiete von Mittel- und Zentralasien, und zwar bis in die Mongolei.
Die Brutgebiete einer bestimmten Unterart (für Neugierige: Oenanthe deserti homocroa) liegen im nördlichen Afrika, während eine andere Unterart (Oenanthe deserti oreophila) in der Region des Himalaya und in den asiatischen Steppen ihren Nachwuchs großzieht.
In Abhängigkeit von den klimatischen Bedingungen in ihrer Brutregion ziehen manche Populationen in weit entfernte Regionen zum Überwintern. Sie werden Fernzieher beziehungsweise Langstreckenzieher genannt. Die Kurzstreckenzieher suchen geeignete, nah gelegene Regionen auf. Wieder andere Wüstensteinschmätzer bleiben als Standvögel vor Ort.
In der Welterbestätte am Arabischen Meer
Durchaus typisch für die Art waren zwei weitere Sichtungen des Wüstensteinschmätzers im Oman. (Von einer Sichtung sprechen wir in der Ornithologie, wenn eine bestimmte Vogelart in der Natur beobachtet und sicher identifiziert wird.)
Einer dieser wirklich kecken Vögel trieb sich auf dem Gebiet der UNESCO-Welterbestätte Khor Rori (Sumhuran) herum, wo Touristen und Einheimische gerne den ehemaligen Weihrauchhafen besuchen. (Der Pfeil markiert den Ort.)
Der Vogel, ein männlicher Vertreter, kontrollierte von einem Betonpfeiler aus das Umfeld. – Leider habe ich kein Foto von weiblichen Wüstensteinschmätzern. Sie haben jedenfalls ein schlichtes, tarnfarbenes Gefieder. Es dominieren die Farben Beige und Braun.
Den Herrn Wüstensteinschmätzer hielt es nicht sehr lange auf seinem ersten Beobachtungsposten.Und kaum hatte ich ihn im Fokus, sucht er sich einen anderen Steinschmätzer-gemäßen Standort: einen kleinen Steinhaufen. Von hier stürmte er förmlich davon, als er ganz offensichtlich ein Beutetier entdeckt hatte.
Das folgende Video zeigt, wie der Vogel am Boden beidbeinig hüpfend nach Beute sucht, immer wieder innehält und sich aufrichtet. Steinschmätzer sind sogenannte Wartenjäger, die vielerlei Getier fressen, zum Beispiel Heuschrecken, Ameisen, Käfer, Spinnen, Wanzen, Schmetterlinge und Hautflügler …
Und natürlich weht am Meer der Wind …
Im felsigen Dhofar-Gebirge
Abschließend möchte ich noch ein Biotop vorstellen, das besonders gut illustriert, in welch extremen Steinwüsten der Vogel leben kann. Es befindet sich auf der Hochebene von Dharfur im südlichen Oman, und ist nicht weit entfernt von der Grenze zum Jemen. Auf dieser Hochebene des Jebel Samhan ist es trocken, der Boden ist felsig, und es weht gegen Abend oft ein steter Wind landeinwärts. Die Vegetation besteht aus trockenresistenten Pflanzen, erblüht aber zur Regenzeit. Dromedare und Ziegen finden hier ganzjährig Nahrung.
Auf der Hochebene gibt es eine äußerst spärliche Besiedlung durch Menschen und Unterkünfte für Nutztiere – also auch allerlei Getier, das in deren Fell oder von ihren Ausscheidungen lebt.
- Schutz für Nutztiere
- Einfriedung für Nutztiere
Plötzlich entdeckte ich einen Wüstensteinschmätzer, der sich in dem abschüssigen Gelände auf einem Gewächs platziert hatte, das aus der Ferne nicht zu identifizieren war.
Mit der Zeit kam der kleine Kerl näher und setzte sich auf ein Stromkabel. Warum? Lag es daran, dass ich hier alleine unterwegs war, während meine Gruppe auf der Suche nach weiteren ornithologischen Raritäten das Gelände durchstreifte? War er neugierig oder an Menschen gewöhnt?
Ich weiß es nicht. Jedenfalls hatte ich eine letzte, sehr spezielle Begegnung mit diesem schönen Steinschmätzer, bevor es tagsdarauf zurück in die omanische Hauptstadt Maskat ging.
Wüstensteinschmätzer | Traquet du désert | Desert Wheatear | Oenanthe derserti
¹ Ich war Anfang Februar 2025 mit 5 weiteren ornithologisch Interessierten im Oman und habe davon bereits in diesem Blog berichtet: Grünschenkel, Terekwasserläufer, Nektarvögel.
² Der Graue Steinschmätzer ist in Deutschland als durchziehende Zugvogel zu sehen und nur noch selten als Brutvogel. Seine letzten Brutgebiete liegen im Dünengelände an der Nordsee, zudem in Heidelandschaften und auf ehemaligen Truppenübungsplätzen von Ostdeutschland. Manche brüten, wie ich kürzlich berichtet habe, in hochalpinen Regionen.
³ Josep del Hoyo, Andrew Elliott, David Christie (Hrsg.): Handbook of the Birds of the World, Barcelona 2005, Bd. 10, S. 542, S. 803











































0 Kommentare