Gläserner Christbaumschmuck

22. Dezember 2017 | Mensch & Vogel | 4 Kommentare

Glasgeblasener Christbaumschmuck in eienr Tanne: Ein Storch sitzt in einem Nestchen auf einem gläsernen Boot.und

Nistender Storch, unterwegs im „Flugboot“ *

Kürzlich haben die lebensgetreuen Glasaugen von präparierten Vögeln, von Puppen und Teddybären meine Neugier geweckt und mich nach Lauscha in Thüringen gelockt. Beim Besuch des Naumann-Museums  hatte ich ja erfahren, dass in diesem Örtchen südlich von Erfurt die Idee und die Praxis der deutschen Glasaugenherstellung angesiedelt ist. Aber nicht nur das: In Lauscha steht auch die Wiege des gläsernen Christbaumschmucks.

Die mit dunklen Schiefern verkleideten Häuser von Lausche verschneiten Tal der Lauscha.

Lauscha im Dezember 2017

Denn dort begnügte man sich nicht mit der Herstellung von Karaffen und Trinkgläsern aus Glas: Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Glasmacher von Lauscha so innovativ und handwerklich derart geschickt, dass sie sowohl die feine Glasfaser erfanden, als auch phantastische Kugeln für den Weihnachtsbaum herstellten und Baumschmuck nach dem Vorbild der Vogelwelt in den Wäldern Thüringens entwarfen.

Gut in Form

Aus einem Glasrohr wird eine Kugel geblasen (Glaszentrum Lauscha)

Neben den Weihnachtsbaumkugeln, die aus einem vorgefertigten Glasrohr ausgeblasen und anschließend bemalt werden, stellten sie immer komplexere Figuren wie Tannenzapfen und Nüsse, Weihnachtsmänner und eben die Vögel her.

Buntbemalte Glasfigur des Stieglitz in einer Vitrine des Glasmuseums Lauscha.

Stieglitz: aus einer frei geblasenen Kugel modelliert *

Dazu nutzten sie nicht nur die traditionelle Blastechnik wie bei dem Stieglitz, den das Glasmuseum in Lauscha in einer Vitrine präsentiert, sondern variantenreiche vorgefertigte Formen – z.B. für den Vogelkörper.

Die zwei Hälften der Hohlform eienr Eule, in der der Glasbläser das erhitzte Glas bläst.

Hohlform für eine Eule **

In eine solche Negativform aus zwei verbundenen Schalen – ursprünglich aus Keramik gefertigt – wird das erhitzte Glas hinein geblasen. Anschließend öffnet der Glasbläser oder die Glasbläserin die Hohlform.

Bei dieser Eulen-Form erkennt man die beiden Enden des Glasrohres. Das untere wird in diesem Fall verschlossen werden. Oben wird später die Aufhängung angebracht.

In der Werkstatt der Glasmalerinnen: Rote, grüne und blaue mundgeblasene Figuren von Kännchen. vögeln und Weihnachtsmann auf Spießen.

Glasfiguren auf dem Spieß **

Bei anderen Vögeln kann der Glasbläser das obere Endstück erhitzen und den Schnabel in die gewünschte Länge ziehen. Auf der anderen Seite der Form bleibt das Glasrohr zunächst als hohler Stiel, dem so genannten Spieß, erhalten.

So kann der gläserne Vogel, befreit von den beiden Schalen der Form, innen mit Silbernitratlösung versilbert und außen bemalt werden. Erst danach wird der Spieß abgetrennt und an dieser Stelle der Schwanz eingesetzt.

Der Federschmuck

Ursprünglich bestanden die Vogelschwänze aus zugeschnittenen Glasfasern, also lang ausgezogenen Glasfäden, die auch als besonders feines, gelocktes Feen- oder Engelshaar beliebt waren und sind. Im 20. Jahrhundert wurde es dann Mode, echte Vogelfedern zu verwenden. Manche blieben natürlich gefärbt, wie bei dem Pfau am Ende dieses Beitrags, andere wurden neu eingefärbt – wie bei den weiter unten abgebildeten Singvögeln auf dem Weihnachtsmarkt von Erfurt.

Zwei rote Glasvögel mit einem weißen Schwanz aus feiner Glasfaser.

Vogelpaar mit Glasseidenschwanz

Realität und Phantasie

Im Glasmuseum von Lauscha lassen sich verschiedene Stile und Traditionen im Glaskunstwerk gut vergleichen: Es gibt die quasi naturalistischen Darstellungen von Vögeln wie dem Stieglitz, der ohne Form – also „frei” aus einem Glasrohr – geblasen ist, und andererseits phantastische Vogelkreationen: Ein Schwan (oder ist es eine Gans ?) schwebt im Segelboot – verziert mit einer Engelsoblate – an uns vorbei.

Glasfigur in Schwanenform mit Segel und Engelchen als Oblate hängt im Weihnachtsbaum.

Segelnder Vogel mit Engelsoblate *

Die Formen für Vögel, Weihnachtsmann oder Tannenzapfen werden in Glasbläserfamilien weitervererbt, aber auch immer wieder neu erfunden. Selbst bei den phantastischsten Vogelschöpfungen lässt sich meist noch erahnen, um welche Tierart es sich handelt. Manchmal wird es dem potenziellen Käufer sogar leicht gemacht, wie beim Christbaumschmuck auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt.

An einem Ständer sind mundgeblasene Vögel als Weihnachtsbaumschmuck aufgereiht; der Artname und der Preis des sstehen immer daneben.

Christbaumvögel der Glasbläserei Thüringer Weihnacht

Die Glasproduktion

In dem beschaulichen Lauscha und um den Ort herum produzieren kleinere Werkstätten und mittelständische Betriebe den thüringischen Christbaumschmuck aus Glas.

Bis in das oberfränkische Coburg zieht sich heute die Produktion. Das hat viel mit der zeitweiligen Teilung Deutschlands zu tun, weil manch ein Glasbläser über die nahegelegene Grenze in den Westen ging – solange das möglich war.

Schon seit dem Mittelalter wird in deutschen Mittelgebirgen Glas produziert, meist in so genannten Waldglashütten. Denn man brauchte viel Holz, um die Schmelzöfen zu befeuern, Silizium und andere Ausgangsstoffe gab der  Boden her, und Wasser strömte in den Bergbächen.

War der Wald gerodet, zogen die Glasmacherfamilien weiter. Erst im 16. Jahrhundert wurden die Glasmacher sesshaft. Am 10. Januar 1597 entstand die erste dauerhafte Glashütte in Lauscha.

Der Christbaumschmuck aus Thüringen ist ohne den Glasmacher und Glasbläser Guido Greiner-Adam nicht denkbar. Er gilt als Wegbereiter der Produktion von Weihnachtsbaumschmuck und erfand außerdem 1830 die Glaswolle als Isoliermaterial. Als Engelshaar sollte sie später die Christbäume schmücken und den gläsernen Vögeln auf Basis von Glasfasern zu einem gefächerten Schwanz verhelfen.

Vorne: das weiße Gebäude der Farbglashütte von Lauscha mit einem hohen Schornstein, dahinter ein Berg mit schneebedeckten Tannen.

Farbglashütte in Lauscha

Aus einem alten Auftragsbuch geht hervor, dass Christbaumkugeln in Lauscha seit 1848 gehandelt werden. Feinwandigere Kugeln und Figuren wurden möglich als 1867 ein zentrales Gaswerk in Lauscha den Betrieb aufnahm. Dadurch konnten die Glasbläser mit heißerer und konstanter Flamme, genannt Lampe, arbeiten.

Ein Glasbläser sitzt hinter einer Gaslampe und erhitzt ein Glasobjekt. Auf seinem tisch die Arbeitsutensilien, über ihm weiße Glaskugeln für den Christbaum. Außerdem ein Gefäß mit mundgeblasenen Vögeln.

Glasbläser Andreas Tresselt formt über einer „Lampe“ ein frei ausgeblasenes Gefäß.

Christbaumschmuck zu Weihnachten

Heute existieren in Thüringen etwa 20 Einzelhandwerker, Handwerksbetriebe und größere Hersteller. Manche arbeiten mit 2, andere mit über 100 Personen. Manche beliefern Großhändler oder Versandhäuser, andere Einzelhändler und Zulieferer für Weihnachtsmärkte. Oder sie verkaufen ihre Ware selbst, mittlerweile auch im Internet-Shop.

Hell erleuchtete Weihnachtsmarkt"bude" voll mit buntem, mundgeblasenem Christbaumschmuck.

Weihnachtsmarkt in Weimar

Wer sich auf den Weg nach Lauscha macht, kann dort neben zwei zentralen Vermarktern und kleineren Geschäften auch das Glasmuseum und einzelne Glasbläser besuchen. Und wer sich weitergehend über Christbaumschmuck informieren möchte, dem empfehle ich das Buch Der Pfau aus Glas, dem ich viele Informationen verdanke (Angelika Steinmetz-Oppelland, VDG Weimar, 2016).

Ein mundgeblasener blauer Pfau sitzt mit langem Schwanz, eine echte Pfauenfeder, auf einem Kiefernzweig.

* Fotos aus dem Glasmuseum in Lauscha (© Elke Brüser)
** Fotoausschnitte aus „Der Pfau aus Glas” von A. Steinmetz-Oppelland (2016)

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

4 Kommentare

  1. Danke für den informativen Artikel zum Thema Christbaumschmuck. Meine Cousine schwärmt immer von ihrem Christbaumschmuck, die sie von einer Glaserei anfertigen ließ. Gut zu wissen, dass man in Glasmuseen sehr spezielle Glasfiguren und Christbaumschmuck begutachten kann.

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  2. Hallo Elke,
    diese Ausstellung habe ich beim Stöbern in den Vorschauen der Staatl. Museen entdeckt: Perched | Zwischenlandung. Eine Installation von Felekşan Onar (26.01.2018 bis 09.04.2018 im Pergamonmuseum). Die Künstlerin Felekşan Onar möchte mit dieser Arbeit auf die ausweglose Situation der syrischen Flüchtlinge in ihrer Heimatstadt Istanbul aufmerksam machen.
    https://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/pergamonmuseum/ausstellungen/detail/perched-zwischenlandung-eine-installation-von-feleksan-onar.html
    Viele Grüße!

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  3. Ganz lieben Dank für den spannenden Bericht aus dem pittoresken Lauscha! Und wow: Die ganze „Baumkugel“-Pracht samt Vögelchen! Und das seit 1848.
    Der Osten hat seine Großartigkeiten. Und leider werden sie viel zu selten in den (westlichen) Medien gezeigt – was dann auch mit zum schiefen „Bild“ beiträgt. Ich hoffe auf Besserung in naher Zukunft, mein Herz schlägt links!

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  4. Erst machte mich ein Freund darauf aufmerksam, dann eine Freundin. Auf ARTE lief gerade der Film „Die Glasbläserin“. Wer also Lust hat, der kann ihn über die Mediathek anschauen https://www.arte.tv/de/videos/065291-000-A/die-glasblaeserin/ Ich werde ihn mir nun endlich ansehen. – Und danke, ihr zwei Mitdenker.

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Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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