Kürzlich haben die lebensgetreuen Glasaugen von präparierten Vögeln, von Puppen und Teddybären meine Neugier geweckt und mich nach Lauscha in Thüringen gelockt. Beim Besuch des Naumann-Museums hatte ich ja erfahren, dass in diesem Örtchen südlich von Erfurt die Idee und die Praxis der deutschen Glasaugenherstellung angesiedelt ist. Aber nicht nur das: In Lauscha steht auch die Wiege des gläsernen Christbaumschmucks.
Denn dort begnügte man sich nicht mit der Herstellung von Karaffen und Trinkgläsern aus Glas: Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Glasmacher von Lauscha so innovativ und handwerklich derart geschickt, dass sie sowohl die feine Glasfaser erfanden, als auch phantastische Kugeln für den Weihnachtsbaum herstellten und Baumschmuck nach dem Vorbild der Vogelwelt in den Wäldern Thüringens entwarfen.
Gut in Form
Neben den Weihnachtsbaumkugeln, die aus einem vorgefertigten Glasrohr ausgeblasen und anschließend bemalt werden, stellten sie immer komplexere Figuren wie Tannenzapfen und Nüsse, Weihnachtsmänner und eben die Vögel her.
Dazu nutzten sie nicht nur die traditionelle Blastechnik wie bei dem Stieglitz, den das Glasmuseum in Lauscha in einer Vitrine präsentiert, sondern variantenreiche vorgefertigte Formen – z.B. für den Vogelkörper.
In eine solche Negativform aus zwei verbundenen Schalen – ursprünglich aus Keramik gefertigt – wird das erhitzte Glas hinein geblasen. Anschließend öffnet der Glasbläser oder die Glasbläserin die Hohlform.
Bei dieser Eulen-Form erkennt man die beiden Enden des Glasrohres. Das untere wird in diesem Fall verschlossen werden. Oben wird später die Aufhängung angebracht.
Bei anderen Vögeln kann der Glasbläser das obere Endstück erhitzen und den Schnabel in die gewünschte Länge ziehen. Auf der anderen Seite der Form bleibt das Glasrohr zunächst als hohler Stiel, dem so genannten Spieß, erhalten.
So kann der gläserne Vogel, befreit von den beiden Schalen der Form, innen mit Silbernitratlösung versilbert und außen bemalt werden. Erst danach wird der Spieß abgetrennt und an dieser Stelle der Schwanz eingesetzt.
Der Federschmuck
Ursprünglich bestanden die Vogelschwänze aus zugeschnittenen Glasfasern, also lang ausgezogenen Glasfäden, die auch als besonders feines, gelocktes Feen- oder Engelshaar beliebt waren und sind. Im 20. Jahrhundert wurde es dann Mode, echte Vogelfedern zu verwenden. Manche blieben natürlich gefärbt, wie bei dem Pfau am Ende dieses Beitrags, andere wurden neu eingefärbt – wie bei den weiter unten abgebildeten Singvögeln auf dem Weihnachtsmarkt von Erfurt.
Realität und Phantasie
Im Glasmuseum von Lauscha lassen sich verschiedene Stile und Traditionen im Glaskunstwerk gut vergleichen: Es gibt die quasi naturalistischen Darstellungen von Vögeln wie dem Stieglitz, der ohne Form – also „frei” aus einem Glasrohr – geblasen ist, und andererseits phantastische Vogelkreationen: Ein Schwan (oder ist es eine Gans ?) schwebt im Segelboot – verziert mit einer Engelsoblate – an uns vorbei.
Die Formen für Vögel, Weihnachtsmann oder Tannenzapfen werden in Glasbläserfamilien weitervererbt, aber auch immer wieder neu erfunden. Selbst bei den phantastischsten Vogelschöpfungen lässt sich meist noch erahnen, um welche Tierart es sich handelt. Manchmal wird es dem potenziellen Käufer sogar leicht gemacht, wie beim Christbaumschmuck auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt.
Die Glasproduktion
In dem beschaulichen Lauscha und um den Ort herum produzieren kleinere Werkstätten und mittelständische Betriebe den thüringischen Christbaumschmuck aus Glas.
Bis in das oberfränkische Coburg zieht sich heute die Produktion. Das hat viel mit der zeitweiligen Teilung Deutschlands zu tun, weil manch ein Glasbläser über die nahegelegene Grenze in den Westen ging – solange das möglich war.
Schon seit dem Mittelalter wird in deutschen Mittelgebirgen Glas produziert, meist in so genannten Waldglashütten. Denn man brauchte viel Holz, um die Schmelzöfen zu befeuern, Silizium und andere Ausgangsstoffe gab der Boden her, und Wasser strömte in den Bergbächen.
War der Wald gerodet, zogen die Glasmacherfamilien weiter. Erst im 16. Jahrhundert wurden die Glasmacher sesshaft. Am 10. Januar 1597 entstand die erste dauerhafte Glashütte in Lauscha.
Der Christbaumschmuck aus Thüringen ist ohne den Glasmacher und Glasbläser Guido Greiner-Adam nicht denkbar. Er gilt als Wegbereiter der Produktion von Weihnachtsbaumschmuck und erfand außerdem 1830 die Glaswolle als Isoliermaterial. Als Engelshaar sollte sie später die Christbäume schmücken und den gläsernen Vögeln auf Basis von Glasfasern zu einem gefächerten Schwanz verhelfen.
Aus einem alten Auftragsbuch geht hervor, dass Christbaumkugeln in Lauscha seit 1848 gehandelt werden. Feinwandigere Kugeln und Figuren wurden möglich als 1867 ein zentrales Gaswerk in Lauscha den Betrieb aufnahm. Dadurch konnten die Glasbläser mit heißerer und konstanter Flamme, genannt Lampe, arbeiten.
Christbaumschmuck zu Weihnachten
Heute existieren in Thüringen etwa 20 Einzelhandwerker, Handwerksbetriebe und größere Hersteller. Manche arbeiten mit 2, andere mit über 100 Personen. Manche beliefern Großhändler oder Versandhäuser, andere Einzelhändler und Zulieferer für Weihnachtsmärkte. Oder sie verkaufen ihre Ware selbst, mittlerweile auch im Internet-Shop.
Wer sich auf den Weg nach Lauscha macht, kann dort neben zwei zentralen Vermarktern und kleineren Geschäften auch das Glasmuseum und einzelne Glasbläser besuchen. Und wer sich weitergehend über Christbaumschmuck informieren möchte, dem empfehle ich das Buch Der Pfau aus Glas, dem ich viele Informationen verdanke (Angelika Steinmetz-Oppelland, VDG Weimar, 2016).
* Fotos aus dem Glasmuseum in Lauscha (© Elke Brüser)
** Fotoausschnitte aus „Der Pfau aus Glas” von A. Steinmetz-Oppelland (2016)
Danke für den informativen Artikel zum Thema Christbaumschmuck. Meine Cousine schwärmt immer von ihrem Christbaumschmuck, die sie von einer Glaserei anfertigen ließ. Gut zu wissen, dass man in Glasmuseen sehr spezielle Glasfiguren und Christbaumschmuck begutachten kann.
Hallo Elke,
diese Ausstellung habe ich beim Stöbern in den Vorschauen der Staatl. Museen entdeckt: Perched | Zwischenlandung. Eine Installation von Felekşan Onar (26.01.2018 bis 09.04.2018 im Pergamonmuseum). Die Künstlerin Felekşan Onar möchte mit dieser Arbeit auf die ausweglose Situation der syrischen Flüchtlinge in ihrer Heimatstadt Istanbul aufmerksam machen.
https://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/pergamonmuseum/ausstellungen/detail/perched-zwischenlandung-eine-installation-von-feleksan-onar.html
Viele Grüße!
Ganz lieben Dank für den spannenden Bericht aus dem pittoresken Lauscha! Und wow: Die ganze „Baumkugel“-Pracht samt Vögelchen! Und das seit 1848.
Der Osten hat seine Großartigkeiten. Und leider werden sie viel zu selten in den (westlichen) Medien gezeigt – was dann auch mit zum schiefen „Bild“ beiträgt. Ich hoffe auf Besserung in naher Zukunft, mein Herz schlägt links!
Erst machte mich ein Freund darauf aufmerksam, dann eine Freundin. Auf ARTE lief gerade der Film „Die Glasbläserin“. Wer also Lust hat, der kann ihn über die Mediathek anschauen https://www.arte.tv/de/videos/065291-000-A/die-glasblaeserin/ Ich werde ihn mir nun endlich ansehen. – Und danke, ihr zwei Mitdenker.