Wer hätte gedacht, dass langjährige, freundschaftliche Begegnungen mit freilebenden Stockenten – anders gesagt großstädtischen Parkenten – möglich sind. Doch es gibt sie, und von solchen Erfahrungen berichtet Kay Fischer in seinen wahren Geschichten.
Der Autor wird gern als Entenflüsterer bezeichnet, etwa wenn er an „seinem“ Ententeich in Berlin Steglitz unterwegs ist oder wenn er vor Ort eine Führung für Interessierte macht. Das Label passt, denn er hat die Angewohnheit, mit den dortigen Stockenten zu sprechen, genauer gesagt sich mit ihnen zu unterhalten.
In seinem Buch Ente kompetente klingt das dann zum Beispiel so, Seite 15
„Adele – weißt du noch, wie ich dich zum ersten Mal mit deinem Erpel Jakob angetroffen habe? Ihr habt es sofort akzeptiert, dass ich mich neben euch auf die Wiese setzte“, flüsterte ich ihr eines Tages zu.
Auf solche Fragen bekommt er zwar selten eine vokale und also hörbare Antwort – etwa ein Fiepen –, doch eine Kopfbewegung oder ein bestimmter Blick sind ihm Antwort genug. Schließlich verlässt sich der Autor auf seine Interpretation des Verhaltens und begnügt sich durchaus mit knappen Reaktionen – wie bei dieser Begegnung mit Ente Maus, Seite 77
Zur Begrüßung gab es ein paar Haferflocken und als Dankeschön ein herzerwärmendes Glucksen, als wollte sie mir erzählen, was sie den Tag über erlebt hat.
„Nog-Nog!”
„Ach so? Das klingt ja spannend! Und was hast du danach gemacht?”
„Pfft!”
Zwiesprache mit Tieren
Wem diese Art der Zwiesprache¹ nicht gefällt, sollte nicht zu dem Büchlein greifen. Denn die Nähe, die Kay Fischer zu den Enten herstellt, ist ungewöhnlich beziehungsweise gewöhnungsbedürftig. Einerseits. Andererseits spricht jeder Hundehalter mit seinem Hund und die Katzenfreundin mit ihrem Kater.
Ein vertrautes und vertrauensvolles Miteinander von Mensch und Tier gelingt eben nicht nur mit Haustieren. Das ist eine der zentralen Botschaften in Ente kompetente. Auf Seite 21 macht der Autor klar, worauf es ankommt und was für die Vogelbeobachtung generell gilt.
Unsere Begegnungen … zeigen, dass Wildtiere uns Menschen beobachten und sich sogar auf uns einstellen. Allerdings wird diese Erkenntnis nur dem zuteil, der mit der nötigen Sensibilität und Beobachtungsgabe durch den Park geht, sich auf die Tiere und die Stille einlässt.
Handzahme Stockenten
Ohne Frage hat Kay Fischer ein Händchen für die Stockenten. Und das im doppelten Sinn: Seine regelmäßigen Besuche am Teich des Parks haben nicht nur dazu geführt, dass er dort viele Enten persönlich kennengelernt hat – und sie ihn –, sondern sie steigen ihm sogar auf die Hand und machen es sich dort bequem. Dazu hockt er sich zunächst hin. Eine solche Szene ist auf Seite 31 nachzulesen.
Und tatsächlich watschelte sie zu mir auf die Hand, die ich unten gleich bereithielt, so dass ich Stürmi ganz langsam hochheben und mit ihr ein paar Worte sprechen konnte.
„Na, geht es dir gut? Gibt es Neuigkeiten?”
„Nog-Nog-Nog!”
„Aha, das dachte ich mir schon.”
Stadtpark als Lebensraum
Der Autor schildert seine Erlebnisse mit den Stockenten im Steglitzer Stadtpark durchgängig unterhaltsam. Kurzweilig! En passant erfahren wir einiges über die Probleme von Stadtenten – wenn etwa einige Straßen zwischen Gelege und Ententeich liegen –, über richtiges Füttern – kein Brot! in Maßen füttern! – und über individuelle Merkmale von Enten. Dazu zählen auch kleinere Verletzungen oder spezielle Verhaltensweisen.
Das Büchlein enthält indes keine analytischen Verhaltensbeobachtungen, sondern anekdotische Skizzen von Adele, Stürmi, Radieschen & Co. samt ihrer Küken. Das ist alles anrührend geschrieben und angereichert mit einigen ornithologischen Informationen. Warum in den einzelnen Kapiteln durchweg die Weibchen im Vordergrund stehen und nicht die attraktiv auftretenden Erpel, das erklärt Kay Fischer übrigens auch.
¹ Hinter dieser Form der zwischenartlichen Interaktion steckt natürlich die äußerst spannende Frage, wie wir es anstellen, wenn wir mit Tieren Zwiesprache halten, also ihre Verhaltensäußerungen als Antworten interpretieren und unterstellen, dass sie uns verstehen und im weitesten Sinne so etwas wie eine Ansicht oder Meinung kundtun.
Ente kompetente
Autor: Kay Fischer
Jahr: 2020
Verlag: Mariposa
Liebe Frau Brüser,
Ihr Hinweis auf den Entenflüsterer gefällt mir sehr – meine Wellenlänge – wir sind nicht die Krone der Schöpfung. In der akademischen Verhaltensbiologie hat „so was“ sicher noch keinen Platz.