Spätestens im November frage ich mich Jahr für Jahr: Was macht unser Igel oder unsere Igelin? Hat er oder sie genug gefressen, um einen kalten Winter zu überstehen? Kann ich dem kleinen stachligen Untermieter etwas Gutes tun? – In diesem Sommer waren die Schnecken ja nicht so zahlreich; dazu war es in Berlin und Brandenburg zu trocken. Aber Insekten und Spinnen gab es in unserem Garten eine Menge. Und dann all die Asseln an den maroden Kellerfenstern … Das sollte reichen.
Ein Blick zurück: Igel sind wahrlich „Leisetreter“, sie können aber manchmal recht laut sein. Und wenn die Einzelgänger – Kontakte gibt es nur in der Paarungszeit – sich in die Quere kommen, dann können sie auch mächtig fauchen. Gehört habe ich unseren Igel abends schon mehrmals; dieses typische Schnüffeln und Schnaufen ist unverkennbar.
Auch sehe ich immer wieder seine schwarzen Hinterlassenschaften. Kenner von Tierspuren sprechen von einer langgestreckten Losung. In „Der große Spurenführer“ lese ich dazu (M. Buchner, Gondrom 1990, S. 220):
Sie besteht aus etwa 3 – 4 cm langen und rund 1 cm starken glänzend schwarzen, an einem Ende zugespitzten Walzen, in denen Chitinteile von Insekten zu erkennen sind.
So weit so gut. Aber unseren Garten-Igel zu fotografieren, erwies sich als schwierig.
Meist hatte ich gerade keine Kamera zur Hand, wenn ich ihn im Sommerhalbjahr zufällig unter Himbeersträuchern oder im Efeu, zwischen den blauen und violetten Akeleien oder den Maiglöckchen entdeckte.
Außerdem: Wenn ich im Garten ackere, dann schläft er normalerweise sowieso …
… vermutlich im mächtigen Reisig- und Laubhaufen in der hintersten Gartenecke, wo unser Igel wohl auch den Winter verbringt.
Glücksache
Im letzten Jahr, es war schon Anfang Dezember, hatte ich allerdings Glück: Unser Igel suchte im Blumenbeet zwischen den Schneeglöckchen, die sich bereits zeigten, nach Nahrung. Es war bis dahin ungewöhnlich warm geblieben.
Als dämmerungs- und nachtaktives Tier hat der stachlige Insektenfresser keine besonders guten Augen, aber auf sein Gehör und die feine Nase kann er sich verlassen. Am Boden schnüffelnd verfolgt er die Kriechspuren von Schnecken oder Insekten, entdeckt und verzehrt manchmal auch Vogeleier von Bodenbrütern oder sogar Mäuse. – Ein Vegetarier ist er definitiv nicht.
Unser Igel suchte auch im Gras nach Fressbarem und hatte es nicht sonderlich eilig. Schließlich machte er sich auf seinen kurzen Beinen jedoch zielstrebig davon. Miroslav Bouchner hat die putzige Fortbewegungsart nett beschrieben (a.a.O., S. 78):
Der Igel bewegt sich ausschließlich im Schritt, höchstens in einem beschleunigten Schritt, der wie ein sehr langsamer Trab aussehen kann.
Leider war ich nicht schnell auf dem Boden, um ihn aus einer besseren Perspektive zu fotografieren. Und natürlich hatte ich kein Teleobjektiv dabei. Nächstes Mal!
Immerhin weiß ich jetzt, dass gerade im November die Chancen gut stehen, einen Igel im Hellen zu sehen. Bevor es richtig kalt wird, sind sie nämlich oft auch tagsüber unterwegs, um sich ein ausreichendes Fettpolster anzufressen.
Das las ich auf den Seiten des NABU, wo Igel-Freunde sogar die Bauanleitung für eine winterliche „Schutzhütte“ finden können. Diese allerdings brauchen wir in unserem Garten, der nicht weit entfernt von einer dieser Berliner Einkaufsmeilen liegt, tasächlich nicht. Denn viel Laub bleibt bei uns unter den Büschen, und der wilde Haufen mit Astwerk, vertrocknetem Gras und anderen Gartenabfällen ist alt und riesig.
Winterschlaf
Wenn die Bodentemperatur auf 8 bis 10 Grad Celsius fällt, begeben sich Igel an einen geschützten Platz und ihre Körpertemperatur sinkt nach und nach auf etwa 6° Celsius ab. Dadurch verbrauchen sie nur noch wenig Energie – und der Winterschlaf kann beginnen.
Vorher rollen sie sich zu einer Kugel zusammen, die Kopf und Extremitäten schützt. Wie man sich das vorstellen muss, zeigt die Schemazeichnung (Grzimeks Tierleben, Kindler 1967, Bd.X, S.210) bei einem Igel ohne Stachelkleid. Zieht sich die ringförmige Muskelschicht darunter zusammen, entsteht eine Kugel.
So verharren die kleinen Säugetiere meist wochenlang. Außer, es wird draußen zu kalt.
Fällt die Körpertemperatur des Igels unter 6° Celsius aktiviert das seinen Stoffwechsel und die Körpertemperatur steigt.
Was eigentlich sinnvoll ist, sollte im Winter nicht dauerhaft oder zu oft passieren, denn das Anheizen verbraucht Energie – und manchmal wird der Igel sogar richtig wach.
Reichen die Fettreserven nicht, verhungert der kleine Stachelträger. Gerade bei großer Kälte wird er nämlich keine Nahrung finden, falls er hungrig seinen Schlafplatz verlässt.
Etwa im März werden hiesige Igel wieder munter. Ab April sorgen sie für Nachwuchs, der von den Igelinnen gesäugt und betreut wird. Ich bin gespannt, ob mir im Garten irgendwann einmal junge Igel über den Weg laufen. Das wäre ein Novum.
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