Zwitschernde Blattwächter

24. Januar 2025 | Kleine Vögel | 1 Kommentar

Kleiner grünlicher Vogel hockt auf einem Zweig und singt mit offnem Schnabel.

Auffällig sind der fast weiße „Bauch“ und der helle Überaugenstreif

Waldlaubsänger lautet der deutsche Name eines kleinen, durchaus kämpferischen Vogels mit grünlich-gelbem Gefieder, der in vielen Laubwäldern von Mitteleuropa zwar im Geäst singt, aber am Boden brütet. Wir können ihn oft auch in städtischen Grünanlagen sehen. Sein Brutgebiet erstreckt sich nordwärts bis Südskandinavien und ostwärts bis ins südwestliche Sibirien. An seinem zwitschernden, sirrenden Gesang ist er recht gut zu erkennen.

Nah verwandt ist er mit anderen Laubsängern, etwa Fitis und Zilpzalp. So wie auch diese beiden Arten verbringt er den Winter in südlichen Regionen und fehlt hierzulande. Leicht zu entdecken ist er im Laubwald übrigens nicht.

Mal kehrt er uns seine wenig markante Hinterseite zu …

Kleiner bräunlicher Vogel von hinten, er hockt auf einem Zweig im Wald

Mal hockt er im Gegenlicht hoch oben in der Baumkrone …

Kleiner heller Vogel sitzt in einer Baumkrone vor leuchtend blauem HImmel.

Erst im April lässt sich der Waldlaubsänger bei uns blicken und besetzt dann zügig sein Brutrevier.* Lange bleibt er nicht, denn die ersten Vögel ziehen bereits Ende Juli wieder ab. Einige bleiben offenbar in Italien „hängen“. Das zeigen Beringungsfunde. Doch das Gros der Vögel überquert die Sahara und überwintert in West- und Zentralafrika. Sie sind also Fernzieher.

Die Flucht in den warmen Süden hat einen Grund: Laubsänger sind Insektenfresser. Der Waldlaubsänger schnappt nach Spinnentieren, Zuckmücken, Tagfaltern, Blattläusen, Milben … und kleinen Weichtieren. Er nimmt auch die ein oder andere Beere in den Schnabel, beispielsweise die Früchte von Schwarzem Holunder oder von der Brombeere. Aber zum Überwintern ist bei uns der Tisch nicht ausreichend gedeckt.

Vielsagende Namensgebung

Bereits sein deutscher Artname Waldlaubsänger charakterisiert den kleinen Vogel gut, denn er lebt in lichten Laubwäldern – oder auch  Mischwaldgebieten – und singt eindringlich, um weibliche Vögel auf sich aufmerksam zu machen oder Rivalen fernzuhalten. Genauso treffend und schön wie der deutschsprachige Name ist der wissenschaftliche Phylloscopus sibilatrix. Übersetzt ist das der zwitschernder Blattwächter.

Dem wertvollen Buch Die Namen der Vögel von Viktor Wember lässt sich entnehmen: Der Gattungsname Phylloscopus, den dieser Laubsänger mit Verwandten wie dem Fitis (Phylloscopus trochilus) oder dem Zilpzalp (Phylloscopus collybita) teilt, setzt sich aus den griechischen Wörtern phyllon für Blatt, Laub und skopos für Späher, Wächter zusammen. Der artspezifische Zusatz sibilatrix ist hingegen lateinischen Ursprungs: sibilare bedeutet pfeifen, zwitschern. Erstmals beschrieben wurde die Vogelart übrigens 1793 in Thüringen von dem Forstkundler und Ornithologen Johann M. Bechstein. Er hat diese Art – auch Spezies genannt – damals gewissermaßen getauft.** Weitere Angaben zur wissenschaftlichen Namensgebung oder Nomenklatur habe ich im Blogbeitrg über die Hemprichmöwe notiert.

Äußerlich unterscheiden sich männliche und weibliche Waldlaubsänger nicht. Während die Oberseite grünlich-grau schimmert, ist der Vogel in der Brustgegend gelblich und weiter unten weiß getönt. Auffällig ist sein Überaugenstreif.

Kleienr grünlicher Vogel hockt wauf einem Zweig im Wald

Kleiner grünlicher Vogel hockt auf einem Zweig im Wald

Der lichte Wald ist das Zuhause der Art.

Klein aber oho!

Wie wir es von anderen Zugvögeln kennen, kommen die männlichen Waldlaubsänger vor den weiblichen im Brutgebiet an. Dort wird zunächst ein Revier besetzt. Leopold Aschenbrenner, der die Vogelart jahrelang beobachtet hat, beschreibt das in Der Waldlaubsänger¹ so anschaulich, dass ich ihn zitieren möchte, Seite 15

Sogleich nach der Ankunft der Männchen beginnen diese, sich ein passendes Revier auszusuchen. Dabei verhalten sich einzelne sehr unstet. Einmal singen sie hier, dann fliegen sie eine weitere Strecke und singen dort. Zu diesen Gesangsexkursionen wird immer von einem Lieblingszweig aus gestartet.

Offenbar schrumpft der anfangs große Revierbereich eines Vogels mit der Zeit, weil zunehmend mehr Artgenossen einen Brutplatz beanspruchen. Es kommt zu aufreibenden Gesangsduellen, zu regelrechten Kämpfen und zum Vertreiben eines Eindringlings. Leopold Aschenbrenner schreibt, Seite 16

… manchmal geraten sich zwei besonders hitzige Rivalen in die „Federn“ und fallen ineinander verkrallt zu Boden. Doch schließlich beruhigen sich die Gemüter wieder und beide Individuen kehren in ihre Reviere zurück.

Kämpferisch zeigen sich Waldlaubsänger immer dann, wenn Vögel der eigenen Art in das Brutrevier eindringen wollen. Wenn sich die Paare sich bereits gefunden haben, mischen auch die Damen bei den Auseinandersetzungen mit.

Kleienr grünlich-brauner Vogel hockt auf einem Zweig vor einem dicken Baumstamm.

Allerdings richten sich Attacken nicht gegen artfremde Vögel, die in der Nachbarschaft nisten. Und sind die Reviere erstmal etabliert und ist das Nest gebaut, dann werden dessen Grenzen von anderen Waldlaubsängern in der Regel respektiert. Eine Ausnahme sind männliche Vögel, die noch immer keine Partnerin gefunden haben – also im Jargon der Ornithologie die „unverpaarten Männchen“.
Sind die Jungen erstmal geschlüpft, geht es im Habitat der kleinen Sänger deutlich ruhiger zu.

Gefährliche Mitbewohner im Laubwald

Das gilt nun wiederum nicht, wenn Tierarten sich blicken lassen, die dem Nest am Boden und dem Nachwuchs gefährlich werden können. Und von solchen Prädatoren gibt es eine ganze Reihe: zum Beispiel Eichhörnchen, Igel, Wildschwein, Mäuse und schließlich Marderartige wie Dachs und Iltis. Soweit möglich, attackieren die Eltern mit Sturzflügen, drohenden Rufen und dem sogenannten Schnabelknacken den Feind.

Derartige Attacken hat der Biologe Aschenbrenner nicht nur bei Annäherung einer Waldmaus beziehungsweise eines Eichhörnchens erlebt, sondern auch als eine Äskulapnatter in unmittelbarer Nestnähe auftauchte, Seite 26

Eine Äskulapnatter kriecht in das Revier eines fütternden Pärchens. Beide Partner stürzen sich unter Schnabelknacken … auf die Schlange herunter. Diese reagiert jedoch nicht auf die wütenden Attacken. Erst nach 35 Minuten entfernt sie sich wieder aus dem Brutrevier dieses Paares, welches sofort danach die während dieser Zeit unterbrochene Fütterung wieder aufnimmt.

Der Nachwuchs von Bodenbrütern wie dem Waldlaubsänger lebt gefährlich: Das Weibchen baut in der Laubschicht des Waldes ein unscheinbares Bodennest, das aber für gute Nasen leicht zu entdecken ist. Zwar ist das Einschlupfloch winzig, doch das ist für Schlangen kein Problem. Und andere Feinde machen mit den Nestlingen ebenfalls kurzen Prozess.

Kleiner grünlicher Vogel klammert sich an einem Zweig fest. HInter ihm lichtdurchfluteter Wald.

Der Waldlaubsänger hat eine windschittige Form. Das passt zu dem kleinen Fernzieher.

Rufen und singen

Der singende Laubwaldsänger hockt meistens auf einem exponierten Ast unten in der Baumkrone oder er fliegt eine solche Singwarte gerade an. Charakteristisch für seinen Gesang sind die Schwirrstrophen, die mit einzelnen Elementen beginnen und dann in die Schwirrphase mit einer sehr raschen Tonfolge übergehen. Die Abfolge ist so schnell, dass das menschliche Ohr nur ein Schwirren oder Sirren wahrnimmt. Wir sehen aber auf jeden Fall, wie der Schnabel rasch auf und zu geht.

Zusätzlich lassen die Vögel flötenartige Töne hören, die meist als düh-Rufe beschrieben werden. Sie können vom singenden Vogel mit den Schwirrelementen kombiniert werden.

Vor allem bei Revierkonflikten sind diese Rufe zu hören. Und bei Störungen geben die Vögel sanfte düh-Rufe von sich, lese ich bei Leopold Aschenbrenner und in der App Die Stimmen der Vögel Europas ². In der Literatur wird auch immer wieder das Schnabelknacken erwähnt. Es wird nicht mit dem Stimmapparat, der Syrinx, erzeugt. Wie das Klappern der Störche ist es ein Instrumentallaut.

¹ Leopold Aschenbrenner, Der Waldlaubsänger, Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 368, 1966, A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt
² Hans-Heiner Bergmann u.a.: Die Stimmen der Vögel Europas, die man für wenige € kaufen kann. Ich nutze sie vor allem, um mir Rufe und Gesänge mehrfach anzuhören, wenn ich zu Hause bin.

* Es kann aber nicht schaden, sich schon jetzt den Gesang von Vögeln, die erst in Wochen zurückkehren, einzuprägen.
**Der Artenzusatz wurde seither nicht verändert, wohl aber der Gattungs- bzw. Genus-Name, dem die Verwandtschaftsverhältnisse zugrunde liegen. Und da gab es neue Erkenntnisse.

Waldlaubsänger | Pouillot siffleur | Wood Warbler | Phylloscopus sibilatrix

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

1 Kommentar

  1. Sind Waldlaubsänger als Bodenbrüter – wie die bodenbrütenden Nachtigallen – ebenfalls von frei laufenden Katzen bedroht, wenn sie im Umfeld von Siedlungen am Rand der Katzen-Reviere brüten?
    Welche anderen Bodenbrüter werden ebenfalls von frei laufenden Katzen vertrieben?
    Bisher weiß ich nur sicher durch das „Vorher“ mit Gesang und das „Nachher“ ohne Gesang, dass die bodenbrütenden Nachtigallen umgehend und dauerhaft verschwinden, wenn neu zugezogene Nachbar*innen ihre Katzen frei laufen lassen.

    Antworten

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5 von 796 Kommentaren

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  • Elke Brüser zu Wenn der Kranich ruftLeider kenne ich mich mit Krankheiten bei Vögeln wenig aus. Vielleicht können Sie einen Arzt oder eine Ärztin für Vogelkrankheiten erreichen, oder Sie versuchen es beim Kranichschutz Deutschland: +49…
  • Claudia Wegner zu Wenn der Kranich ruftBei uns im Oderbruch gibt es ein Kranichpaar, welches hier überwintert, jedes Jahr ein bis zwei Junge bekommt, auch jetzt sind sie wieder ganz nahe auf einer Brache bei der Futtersuche. Eines der beid…
  • Claudia Lochmann zu Die bodenständige AmmerSchöne Fotos und nun weiß ich, wer heute meine Futterstelle besucht hat. Fallen auf, nicht nur durch die Färbung, sondern auch, weil sie am liebsten am Boden herum picken. Nun kann ich 8 Exemplare mei…

Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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