Nimmersatte Ammer

23. August 2017 | Kleine Vögel | 6 Kommentare

Grauammer auf Zweig schaut nach recht und ihr kräfitger, gelber Schnabel leuchtet in der Abendsonne.

In der Abendsonne glüht der kräftige Schnabel.

Die Grauammer ist ein kleiner, aber stattlicher Vogel. Ihre Färbung ist unauffällig und wer sich ornithologisch nicht auskennt, denkt bei den grau-braunen Tönen des Gefieders leicht an einen Spatz. Wer sich hingegen auskennt, sagt eher: Die Gefiederfärbung ähnelt einer Feldlerche. Allerdings ist die Grauammer voluminöser, ungefähr Staren-groß. Und ihr kräftiger Schnabel ist wirklich beeindruckend. Sie gehört wie die Goldammer und der Stieglitz – auch Distelfink genannt – in die Gruppe der Finkenvögel.

Grauammer sitzt auf einem Zweig mit geöffnetem Schnabel, denn sie warnt ständig.

Die Grauammer warnt, denn in der Nähe hat sie ein Nest – wie sich später herausstellte.

Als ich die warnenden Rufe dieser brandenburgischen Grauammer hörte und die ersten Fotos machte, wusste ich nicht, mit wem ich es da zu tun hatte. Ich hatte nie zuvor eine Grauammer entdeckt. Das liegt nicht nur daran, dass ihr Federkleid so schlicht ist und sich vom Wiesen- oder Feldboden, auf dem sie gerne unterwegs ist und wo sie ihr Nest baut, kaum abhebt. Es liegt sicher auch daran, dass der Bestand der Art nach 1980 sehr stark abgenommen hat.

Was fehlt?

Und wieder ist die Agrarindustrie Schuld: Wenn es keine brachliegenden Flächen gibt, können Bodenbrüter schwerlich Junge großziehen, und wenn die Äcker voller Mais stehen, dann fehlt es an den Sämereien, die Grauammern bevorzugen. Bei Johann Friedrich Naumann (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1905, Bd. 3, S. 168) lese ich über „den Ammer“, wie man damals sagte:

Er liebt die mehlhaltenden Samen der allermeisten Grasarten vorzüglich, unter den Getreiden Hirse, Hafer und Weizen; Gerste und Roggen frißt er nur im Notfall, wenn im Winter andere knapp sind; sonst aber auch noch die Samen von Vogelknöterich und vielen anderen Pflanzen …, indem er keins mit der Hülse oder Schale verschluckt.

Und so kommt der kräftige Schnabel ins Spiel:

Zum Hülsen und Abschälen der kleinen, oft mit sehr zäher Schale umgebenen Grassämereien … ist sein großer Ammerschnabel ganz vorzüglich zweckmäßig eingerichtet, sodass ihm dieses Geschäft sehr leicht und schnell von statten geht.

Dass Naumann nicht „die“ sondern „der“ Grauammer schreibt, hat mich dazu verleitet, den „Kluge“ aus meinem Regal zu nehmen, mein geschätztes „Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache“. Und da finde ich nicht nur, dass die maskuline Form die fachsprachliche ist, sondern zugleich eine schöne Erklärung des Begriffs Ammer: „Ammer“ leitet sich  von dem mittelhochdeutschen „amer“ ab, und das bezeichnet die Getreidesorte Emmer (Triticum dicoccum). Diese  Weizenart wird heute nicht mehr angebaut, wohl aber eine andere alte und ähnliche Kulturform des Weizens, der Dinkel (Triticum spelta).

Mäuler stopfen

Dass sich der Bestand an Grauammern in den letzten Jahren etwas stabilisiert hat, ist erfreulich. Eine Erklärung finde ich nicht. Vielleicht kommt ihnen tatsächlich der Rapsanbau entgegen, denn auf Rapspflanzen leben vielerlei Heuschrecken, Käfer, Raupen und Insektenlarven – wenn sie denn nicht chemisch weggespritzt sind. Und dass all die kleinen Wirbellosen ein gutes Futter für den Nachwuchs abgeben, ist keine Frage – wenn denn genug davon vorhanden ist.

Grauammer sitzt auf einem Zweig, schaut nach links und hat in ihrem Schnabel eine Raupe und einen Grashüpfer.

Grauammer mit Raupe und Heuschrecke

Grauammer sitzt auf einem Zweig, schaut nach rechts und hat in ihrem Schnabel eine Raupe und einen Grashüpfer.

Grauammer mit Raupe und Heuschrecke

Sieht man eine Grauammer, dann sitzt sie also entweder auf der Spitze eines niedrigen Gebüschs – ähnlich der Goldammer – oder am Boden, wo sie auf Nahrungssuche ist. Wie man sich das vorstellen kann, beschrieb der Ornithologe Naumann sehr bildlich so:

Er hüpft … im Grase und Getreide, auf Wiesen und Äckern herum, sucht sehr bedächtig alles durch und braucht viel zur Befriedigung seines Appetites. Er ist als gefräßiger Vogel immer wohl beleibt, ja oft sehr fett.

Der Hinweis auf das Fettpolster ist nicht ungewöhnlich, denn zu Naumanns Zeiten kamen hierzulande viele Singvögel auf den Tisch. Und fett galt als lecker. Wie Grauammern geschossen, gefangen oder sogar gemästet werden, lässt sich ebenfalls im Naumannschen Werk nachlesen.

Grauammer | Bryant proyer| Corn Bunting |Emberiza calandra oder Miliaria calandra

 

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

6 Kommentare

  1. Es gibt ein kleines Buch von Nigel Hinton „Im Herzen des Tals“, in welchem es um die Heckenbraunelle geht. Ökologische
    Zusammenhänge werden in diesem Buch so einprägsam geschildert, daß man als Leser glaubt, die Stimme der Natur
    selbst zu hören. Aber auch andere Vögel spielen hier eine existenzielle Rolle. Seit ich dieses anrührende Buch gelesen habe, bin ich immer sehr wachsam, sie vielleicht bei uns auch mal zu entdecken – leider bisher vergeblich.

    Antworten
    • Ich kenne das Büchlein von Nigel Hinton über die Heckenbraunelle noch nicht. Bin nun aber neugierig geworden und werde es dann später vllt unter Blogs.Books.Infos besprechen. Danke Gabriele für den Tipp.

  2. Liebe Elke,
    die Grauammer ist ein Vogel, der mir noch nicht vor die Linse gekommen ist, sicherlich, weil sie so selten zu finden ist. Aber ich habe seit einem Besuch auf Helgoland mein Herz an die Ammern verloren – wunderschöne kleine Vögel. Da ich mehr Hobbyfotografin bin und weniger Ornithologin – das aber auch immer mehr mit viel Begeisterung… – freue ich mich auf fundierte Informationen und Fachkenntnisse von Dir.
    Andrea

    Antworten
  3. Was die alten Getreidesorten Emmer und Dinkel angeht, war ich etwas oberflächlich. Darauf hat mich mein Kollege Christian dankenswerterweise hingewiesen. Darum habe ich im Blogpost nachgearbeitet und hier liefere noch eine kleine Erklärung: Die beiden alten Kultursorten sind Weizenarten und beide bespelzt – das heißt ihr Korn ist mit den umhüllenden Spelzen verwachsen. Darin ähneln sich Emmer und Dinkel, und das unterscheidet sie vom heutigen Saatweizen.

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  4. Mit Vergnügen habe ich Deinen Blogbeitrag gelesen und vor allem die zauberhaften Fotografien des Grauammer betrachtet. Eine entspannende „Lektüre“ bei all dem Sress.
    Es ist übrigens gerade Erntezeit für den Raps in Mecklenburg-Vorpommern.

    Antworten
    • Das klingt gut, dass dir die „Flügelschläge“ Vergnügen bereiten. Es ist ja irgendwie die Idee, die Faszination und das Vergnügen weiterzugeben, das dieses Herumstromern draußen und direkt vor der Haustür mit sich bringt. Tatsächlich scheint meine Vogelguckerei ansteckend zu sein … Neben den erfahrenen Birdern gibt es auch bereits „Neuinfizierte“.

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  • Dr. Elisabeth Schnell-Rath zu Rostrot geschmücktWie wundervoll dieser Bericht wieder ist!!! Toll und herzlichen Dank dafür! Ja Bernd Pöppelmann malt sehr gelungene Bilder - übrigends auch sein Freund Claus Rabba… Darf ich bitte das wunderschöne Fot…
  • Elke Brüser zu Segler der AndenLiebe unbekannte Katja, da hast du mir mit deinem Kommentar heute Morgen aber große Freude geschenkt. Danke!
  • Katja Garni zu Segler der AndenHerzensDank für den so tiefgründigen Bericht ❣️ Ich liebe sie sehr die Könige der Lüfte … Und die Anden faszinieren mich schon geraume Zeit - WunderVolle Bilder und Erfahrungen teilst du mit uns teils…

Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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