Hat man – so wie ich – noch nie einen Waldkauz in seiner kauzigen Schönheit gesehen, braucht man Glück beim Spazierengehen, Infos von erfahrenen Naturkennern oder Freunden. Mir gab Christian einen wirklich guten Tipp, sogar mit dem Hinweis, wann das Licht die kleine Eule in ihrer Baumhöhle besonders schön beleuchtet.
Und da sitzt sie nun auf ihrem derzeitigen Lieblingsplätzchen, einem so genannten Tageseinstand, und blinzelt mitten in Berlin in die untergehende Sonne. Einerseits unübersehbar, anderseits unauffällig. Im Urania Tierreich, 1974, Band 5, S. 255 steht im Abschnitt über die Eulenvögel dazu:
Das Gefieder der weitaus meisten Arten, zeigt schlichte braune Töne, oft in wunderschöner feiner, rindenartig wirkender Zeichnung. Dabei ist das Federwerk so lang, locker und weich, daß Eulen viel dicker wirken als sie eigentlich sind.
Dieses fluschige Gefieder ist nicht nur ein stattlicher Kälteschutz, sondern ermöglicht den Tieren einen lautlosen Flug. Von Mäusen, Ratten und anderen Beutetieren werden sie dadurch nicht gehört.
Bis 16 Uhr lungerte ich nahe der Baumhöhle herum. Noch befand sich der Vogel in seiner Ruhephase: mal ging das eine Auge etwas auf, mal das andere. Meist waren beide geschlossen, und nur bei ungewöhnlichen Geräuschen öffneten sich auch mal das linke und das rechte Auge zugleich. Manchmal schien dem Waldkauz der Kopf zu schwer, und er legte ihn von innen an den Stamm der Rosskastanie.
Im dem amüsanten Kapitel „Eigenschaften“ schreibt Johann F. Naumann über den Waldkauz (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1900, 3. Aufl., Bd V, S. 36):
Dass man von jeher die Eule als Sinnbild des Nachdenkens betrachtete, ist sehr sonderbar. Sie sieht freilich aus, als ob sie immer meditierte; aber man täuscht sich. Es ist Schlafsucht, was man für tiefes Sinnen hielt.
Tagsüber muss der Waldkauz in der Tat schlafen oder wenigstens dösen. Aber in der Dämmerung wird er richtig munter und geht auf die Jagd. Dabei hilft ihm sein phantastisches Gehör. Dazu schreibe ich ein andermal mehr.
Auch kann der kleine Kauz bei Dunkelheit gut sehen, denn in der Netzhaut seiner Augen ist die Zahl der Stäbchen, die Hell-Dunkel-Differenzen wahrnehmen, ungewöhnlich hoch. Dafür hat der nächtliche Jäger deutlich weniger farbempfindliche Zapfen in der Netzhaut als tagaktive Eulen. Sein Farbsehen ist miserabel. Allerdings: Blind ist der Waldkauz am Tag nicht. Das ist ein falsches Gerücht.
Nun bin ich gespannt, wann ich das erste Mal seine angeblich so unheimlich gellenden Rufe höre. Wir bleiben dem Vogel des Jahres 2017 also auf der Spur.
Dies ist mein zweiter Beitrag zum Thema Waldkauz.
Waldkauz | Hibou brun | Brown owl | Strix aluco
Sehr schöne Bilder vom Waldkauz! Ich habe ihn bisher nur in der Dämmerung gesehen, meist sogar nur gehört.
Im Plänterwald konnte ich einmal ein Männchen durch die Baumkronen fliegen sehen – leider eher als Schatten, die Dämmerung war schon stark vorangeschritten.
Hast Du die Bilder durch ein Spektiv gemacht oder mit einer Kamera?
VG!