Das ist eigentlich eine simple Strategie: Wenn im Hochsommer das Thermometer nachts kaum unter 30°Celsius sinkt, dann bleiben die Füße nicht unter der leichten Bettdecke verborgen, sondern werden rausgestreckt. Genau diese Strategie dokumentierte Christian Neumann bei den Mauerseglern, die in Berlin von Anfang Mai bis Ende Juli brüten und vom frühen Morgen bis zur Dämmerung um die Dächer sausen. (British Birds 2016, 109, S. 286 und Der Falke 2015, 8, S. 28)
Wer es überhaupt schafft, sie mit dem Fernglas zu verfolgen, sieht normalerweise weder Bein noch Fuß. Ganz anders als die sichelförmigen Flügel, sind die hinteren Extremitäten nämlich winzig und beim Fliegen im Gefieder versteckt.
Der rasante Segler braucht sie sowieso nur zur Brutzeit, klammert sich damit bei Bedarf an Felsen, Hauswand oder Nest. Ansonsten ist er in der Luft unterwegs und hat sie beim Fliegen tief im Gefieder versteckt.
Mit tollen Aufnahmen konnte der Naturfotograf und Paläontologe zeigen, dass Mauersegler bei hohen Temperaturen ihre Beinchen ausfahren. Und weil die nicht befiedert sind und die Haut gut durchblutet ist, können die Tiere ganz offenbar auf diese Weise überschüssige Hitze abgeben.
Das ist enorm wichtig, denn
- Mauersegler können bei Hitze nicht einfach ein schattiges Plätzchen aufsuchen, da sie weder auf dem Boden stehen oder laufen, noch auf einem Ast landen oder sitzen können,
- Vögel haben keine Schweißdrüsen und sind nicht in der Lage eine abkühlende Verdunstungskälte produzieren.
Christian Neumann beobachtete die praktische Wärmeabgabe über die Beinchen bei fast allen Mauerseglern, sobald das Thermometer auf 30° Celsius und mehr kletterte.
Man kann es auch so ausdrücken: Diese Vögel, die nur den Hochsommer in Mitteleuropa verbringen und monatelang am Äquator oder noch weiter südlich leben, wird es manchmal selbst bei uns zu heiß. Dann nutzen sie die sehr spezielle Möglichkeit zur Thermoregulation. Beschrieben wurde die bereits bei Tauben, Bienenfressern und Staren. Bei Mauersegler bisher noch nicht. Dass die schnellen Flieger mit geöffnetem Schnabel unterwegs sind, wie manch andere Vogelarten, hat Christian Neumann auf seinen vielen Fotos nur sehr selten bemerkt.
Solche Beobachtung kann natürlich nur machen, wer samt Fotoausrüstung stundenlang in der sommerlichen Gluthitze steht, um die flinken Gesellen irgendwann einmal scharf auf seine Speicherkarte zu bannen. Das ist dem passionierten Hobby-Ornithologen, der in Berlin unter anderem im NABU-Greifvogelschutz aktiv ist, hier perfekt gelungen.
Mauersegler | Martinet noir | Common swift | Apus apus
Dass die keine kalten Füsse kriegen. Aber vielleicht ist es ja genauso wie bei den Pinguinen. Die können nicht mal auf dem Eis festfrieren.
Warum Vögel, die auf Schnee oder Eis stehen, nicht sofort kalte Füße bekommen oder festfrieren, ist eine andere Frage. Das machen wir später mal. Bei den Mauerseglern mit ausgefahrenen Beinchen ist es ja warm beziehungsweise heiß, und notfalls können sie ihre Beine einziehen. Das ist ihnen wohl sowieso lieber, denn die Beine erzeugen Widerstand. Der könnte ihre Flugkünste beeinträchtigen.
Klasse! Das sind für mich die plötzlichen Sensationen des „Gewöhnlichen“!
Irgendwie waren mir die Mauersegler vertraut, weil sie in Berlin gleich neben uns wohnten (4. Stock Altbau; Einflugschneise). Aber all das hier berichtete habe ich nicht gewusst. Chapeau und Dank!
Das Schöne ist natürlich auch, dass hier jemand ganz genau hingeschaut hat. Und die technischen Möglichkeiten haben ihm dabei geholfen. Hoffen wir also, dass die Mauersegler weiterhin in Berlin in altem und neuem Mauerwerk Nisthöhlen finden und um unsere Häuser düsen.