Silbrige Schreihälse

29. Mai 2018 | Große Vögel | 4 Kommentare

Silbermöwe seht am Rand des Meeres auf einer Sandbank und blickt ins Bild. Silbriges Rückengefieder gut sichtbar.

Typisch für erwachsene Silbermöwen sind der hellgraue Rücken und hellgraue Flügel.

Bei den Silbermöwen gehen die Meinungen auseinander: Die einen stören sich an ihrem Gekreische oder finden sie lästig, weil sie einem beim Strandurlaub sogar das Fischbrötchen aus der Hand stehlen wollen. Die anderen können sich an den munteren Gesellen nicht satt sehen und lieben das Möwengeschrei. Zu letzteren gehöre ich. Für mich bedeuten Möwen immer auch Heimat, Nordsee, Meeresrauschen.¹

Man könnte es auch anders wenden: Was dem Berliner die Nebelkrähen und andere Rabenverwandte sind, sind dem Küstenanrainer die Möwen. Durchaus nachvollziehbar schrieb Alfred Edmund Brehm über das weiße Pendant zu den schwarzen Hauptstadtbewohnern (Brehms Tierleben, 1900, Bd. IV, S. 105):

„Raben des Meeres“ nenne ich die Möwen (Laridae), denn jenen Vögeln entsprechen sie in ihrem Sein und Wesen… Der Leib ist kräftig, der Hals kurz, der Kopf ziemlich groß, der Schnabel mittellang, seitlich zusammengedrückt …

Im seichten Wasser stolziert eine Möwe vorbei, sehr schön hebt sie ein roasfarbenes Bein.

Stolzierende Silbermöwe mit auffälligen rosafarbenen Beinen

Weil „Tiervater Brehm“ den Eindruck, den Möwen auf viele Menschen machen, wirklich passend charakterisiert hat, noch ein Zitat von ihm:

Ansprechend sind Gestalt und Färbung, anmutig die Bewegungen der Möwen, anziehend ist ihr Treiben. Ihre Stellung auf festem Boden nennen wir edel, weil sie einen gewissen Stolz bekundet; ihr Gang ist gut und verhältnismäßig rasch … sie liegen leicht wie Schaumbälle auf den Wogen und stechen durch ihre blendenden Farben von diesen so lebhaft ab, daß sie dem Meere zum wahren Schmucke werden.

Munteres Trio

Ich hatte zuletzt großes Vergnügen daran, drei Silbermöwen am Strand von Wangerooge, der sich jenseits der Strandkörbe kilometerweit nach Osten zieht, etwas länger zu beobachten.

Silbermöwe steht auf dem Sand zwischen den Prielen; im Hintergrund die Dünen.

Bei Ebbe, also ablaufendem Wasser, auf einer Sandbank vor den Dünen von Wangerooge

Sie suchten im Spülsaum nach Genießbarem, also in jenem Gewirr aus Algen, Muscheln, Krebstieren und mehr oder minder zerstückelten Fischleibern, die das Meer bei jeder Flut anspült. Mal stolzierten sie am Spülsaum entlang, mal schaukelten sie, mehr als dass sie schwammen, auf den Wellen. Mal flogen sie kurz auf, landeten aber sofort wieder. Großen Hunger hatte dieses Trio offenkundig nicht. Es sah eher nach Zeitvertreib aus.

Drei Silbermöwen durchsuchen den Spülsaum nach Nahrung, eine hat den Kopf gesenkt

Futtersuche oder Zeitvertreib am Spülsaum?

Die drei Kumpane schienen ständig etwas zu verhandeln, riefen lauthals und begleitet von allerlei ritualisierten Bewegungen, mit denen sich der Nobelpreisträger Nikolaas Tinbergen jahrelang beschäftigt hat. Aber dazu ein anderes Mal – und zwar in diesem Blogpost: Die jungen Bettler.

Das hochfrequente Gekreische oder auch Jauchzen der Möwen kommt nicht von ungefähr. So lässt sich das allgegenwärtige Meeresrauschen übertönen.

Flinker Krebsfänger

Jedenfalls war ich in der Tat überrascht, als plötzlich eine der Möwen einen kleinen Taschenkrebs im Schnabel hielt. Das Krustentier hatte sie vom Strand in der Nähe des Spülsaums gepickt und entfernte sich damit zügig aus meiner Nähe Richtung Meer.

Silbermöwe trägt im Schnabel einen kleine Krebs davon.

Krebs erwischt …

Silbermöwe gehtmit dem kleinen Krebs im Schnabel zum Meer

… und mit dem Krebs entwischt.

Schwer zu sagen ist übrigens, wie das Silbermöwen-Trio zusammengesetzt war, ob ich also männliche oder weibliche Silbermöwen vor mir hatte. Die Geschlechter sind kaum zu unterscheiden. Von einem gering ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus sprechen BiologInnen. Sieht man allerdings ein Paar, ist das Weibchen in der Regel etwas kleiner.

Silbermöwe flieg tüber den Schaumkämmen der Wellen davon.

Abflug übers Meer

 

¹ Natürlich leben auch in Berlin Möwen, vor allem im Winter ziehen sie entlang der Flüsse ins Binnenland, viele Silber- und Lachmöwen sind darunter. Aber sie mischen die Stadt akustisch nicht so auf wie etwa in Bremerhaven oder Rotterdam.

Silbermöwe | Goéland argenté | Herring Gull | Larus argentatus

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

4 Kommentare

  1. Eine schöne und lesenswerte Präsentation ist das mal wieder. Es müssen ja nicht immer die Exoten sein, denen man
    sein Interesse schenkt. Ich mag die Möwen. Habe viele Jahre auf Norderney gewohnt, direkt am Wasser. Immer nachts, wenn das „miauen“ anfing, wußte ich, die Flut war zurück :)) Allerdings war es auch damals schon verboten, sie zu füttern, weil ihr ätzender Kot erhebliche Schäden an den Hausfronten anrichtete.
    Und welch`eine Liebeserklärung des Klassikers: Die Möwe Jonathan – wer es liest, muß Zuneigung für diese stolzen Vögel empfinden :))
    Damals in den 70iger Jahren habe ich noch öfters große Mantelmöwen gesehen; die scheinen ja inzwischen verschwunden – sie wurden m.E. nie wieder erwähnt.

    Antworten
    • Wie gut, liebe Gabriele, dass du an „Die Möwe Jonathan“ erinnerst. Sie wird hoffentlich noch irgendwo in meinem Regal stehen. Da werde ich mal wieder reinschauen.

  2. Danke für diese Liebeserklärung an die Möwen. Ich war zuletzt ziemlich sauer auf sie. Am ersten Tag meines Kurzurlaubs in Warnemünde stürzte sich eine riesige Möwe im Steilflug auf mich und schnappte sich mein soeben gekauftes Eis. Was für ein Schrecken. Zehn Minuten vorher hatte ich noch gelacht, als sie einem Mann das Fischbrötchen aus der Hand rissen. Gute Fischverkäufer warnen ihre Kunden vor den Möwen. Wir haben dann auch nur noch im Schutz von Sonnenschirmen, Vordächern und Hauseingängen Eis und Fischbrötchen gegessen.

    Antworten
    • Ja, so kann’s kommen. Darum ist das Füttern von Möwen am Strand fast überall verboten. Es sind eben kluge Tiere, die sich das Leben gelegentlich mit Eis und Fischbrötchen verschönern und bekanntlich auch auf Müllkippen über die Runden kommen – nur gibt es bei uns so gut wie keine offenen Müllkippen mehr.

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Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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