Der Afrikanische Klaffschnabel¹ wirkt in seinem dunklen Gefieder, den fast schwarzen Beinen und dem breiten Schnabel nicht so elegant wie etwa der Weißstorch oder auch der Schwarzstorch, die in Mitteleuropa brüten und teilweise auch überwintern. Aber was für ein interessanter Muschel- und Schneckengourmet ist doch dieser langbeinige Storch.
Im Caprivistreifen von Namibia stehen die Chancen gut, einen Klaffschnabel zu entdecken. Denn selbst in trockenen Zeiten finden sie hier am Sambesi und seinen Seitenarmen viel Nahrung. Dazu tragen auch die Sümpfe und weiten Überschwemmungsgebiete bei, die zum großen Teil in den Nationalparks von Namibia und Botswana liegen.
Schiffsverkehr, Bautätigkeiten und andere Störungen der Natur gibt es an dem mächtigen Grenzfluss, der auch die Viktoriafälle speist, nur wenig.
Hier ist die Welt stehen geblieben, was Fauna und Flora vorläufig bewahrt – und auf uns unglaublich idyllisch wirkt.
Auf Nahrungssuche
Auf einer Tour am Kwando (= Cuando), der als Grenzfluss zu Botswana noch seinen Namen wechselt und später in den Sambesi mündet, hatte ich das Glück, einen Klaffschnabel – manchmal auch Klaftschnabel genannt – längere Zeit bei der Nahrungssuche zu beobachten.
Und das kam so:
Wir waren am frühen Morgen mit einem sehr erfahrenen Guide zu Fuß im Busch unterwegs, lernten die Spuren von Giraffen, Impalas, Elefanten und selbst von Leoparden zu lesen und kamen schließlich an diesen wunderschönen Wasserlauf – eine Szenerie, die bei der klaren Luft mein Herz nochmals höher schlagen ließ.
Und da stand er, der Afrikanische Klaffschnabel, der mit 1m Länge etwa so groß wie „unser“ Weißstorch ist, und beäugte die drei Gestalten skeptisch. Denn Menschen auf zwei Beinen sind Wildtieren immer suspekter als Menschen, die im Auto sitzen. Stören wollten wir nicht, darum hielten wir Abstand.²
Der Klaffschnabel entschied sich dennoch für mehr Distanz und entfernte sich etwas, um ein paar Meter weiter nach Nahrung zu fahnden. Dabei traten die grünlich und rostbraun schillernden Effekte seines Federkleids hervor, so dass er gar nicht mehr so „finster“ wirkte. Konzentriert betrachtete er dann das Ufer und den Untergrund.
Und was schmeckt?
Am Ufer angekommen, hatte er sehr schnell die erste Muschel aus dem Wasser gezogen und dann auf dem Boden geknackt. (Per Klick oder Wischen die Fotos vergrößern!) Umgeben ist er übrigens von einem Blaustirn-Blatthühnchen – über das ich noch wegen seiner langen Zehen und beeindruckender Balanceakte auf Wasserpflanzen berichten muss – und von einem Rotschnabelfrankolin, das sich gern in Wassernähe aufhält.
Was die Nahrung angeht, sind Klaffschnäbel hochspezialisiert: Sie fressen so gut wie ausschließlich Süßwassermuscheln und Süßwasserschnecken. Nur notfalls vergreifen sie sich an Fröschen und Krebstieren. Sie gelten diesbezüglich auch in der Zootierhaltung als anspruchsvolle Pfleglinge.
Übrigens sorgt die klaffende Öffnung des Schnabels nicht dafür, dass der Vogel die Muscheln gut transportieren kann. Denn wie auf meinen Fotos zu sehen ist, hält er die Muschel mit der Schnabelspitze.
Bis heute ist offenbar nicht klar, wozu seine sehr spezielle Schnabelform eigentlich gut ist. Aber vielleicht hilft sie, im Schlamm oder Wasser die Schalentiere zu schnappen.
Wie dieser tropische Storch an das Fleisch der Schalentiere kommt, las ich im Handbook of the Birds of the World (Hrsg. J. del Hoyo u.a., Barcelona, 1992, Bd. 1, S. 443): Um Muscheln zu öffnen, trennt er die Hälften voneinander und drückt sie dazu mit dem Oberschnabel an den Boden. Dann wird der Muskel durchtrennt, der die beiden Schalenhälften zusammenhält. Beim Öffnen von Schnecken schiebt er den scharfkantigen Unterschnabel so unter das Operculum der Schnecke – also das Deckelchen mit dem sie ihren Gang verschließt –, dass er den Schließmuskel durchtrennen kann.
Als wir weitergingen, das Nest eines Hammerkopfs und zwei Gaukler gesehen hatten, segelte ein Schwarm Klaffschnäbel über uns hinweg. Die Gruppe flog vermutlich zu einem anderen Flussarm, um dort zu fischen. Denn das machen sie gerne im Verbund.
Afrikanische Storchenvielfalt
Auf dem Rückweg zum Camp am Kwando begegneten uns noch drei andere Vertreter aus der Storchenfamilie, mit wissenschaftlichem Namen Ciconiidae: der Nimmersatt, der Sattelstorch und der Marabu. Alle vier Arten, um die es in diesem Blogpost geht, leben ganzjährig im tropischen Afrika zwischen der Sahelzone und Südafrika. Sie gehören in der Storchenverwandtschaft verschiedenen systematischen Gattungen an – und keine von ihnen gehört in dieselbe wie der Weißstorch.
Einen wunderbar einprägsamen Namen hat dieser attraktiv gefärbte Storch: Nimmersatt. Seine Größe entspricht mit knapp 1m den Ausmaßen von Weiß- und Schwarzstorch.
Der Nimmersatt fischt im flachen, oft etwas modrigem Wasser: Er hat es auf kleinere Fische, Frösche, Krebstiere und Wasserinsekten abgesehen. Entweder schreitet er langsam durchs Wasser, oder er steht relativ still und wirbelt dann hin und wieder mit einem Fuß Wasser oder Schlamm auf. Mit beiden Techniken kann er ruhende oder versteckte Fische dazu verleiten herumzuschwimmen… Dann schnappt er zu.
Es gibt noch eine andere Fangtechnik: Manchmal hebt der Nimmersatt einen Flügel und wirft so einen Schatten auf die glitzernde Wasserfläche.
Dadurch kann er besser in das Wasser schauen und zwischen Wasserpflanzen und im schlammigen Untergrund kleinere Fische entdecken.
Auch der Sattelstorch ernährt sich hauptsächlich von Fischen, Fröschen und Krebstieren. Allerdings ist er weniger spezialisiert als der Nimmersatt und verzehrt auch Reptilien, Insekten, sogar kleine Vögel oder Säuger. Seinen Namen verdankt der bis zu 1,50m große Storch dem dunklen Sattel auf seinem Schnabel. Der ist auch aus der Ferne zu entdecken.
Beim Fischen stößt der Sattelstorch seinen Schnabel in den schlammigen Boden des Gewässers und verschlingt, was er findet. Doch auch er nutzt eine der Techniken des Nimmersatts und versucht mit dem Fuß kleine Fische aufzuscheuchen, um sie dann zu schnappen.
Schließlich erwartete uns ein Marabu nahe des Camps. Sie stehen meist in der Nähe des Wasserlochs und lauern auf Reste, die von Beutegreifern übrig gelassen werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Störchen ernährt sich der Marabu in der Regel nicht fischend. Allerdings sieht man ihn im Schlamm nach Fischen schnappen, wenn Gewässer austrocknen.³
Marabus sind echte Opportunisten: Beutereste, die Leoparden oder Löwen hinterlassen haben, sind eine wichtig Nahrungsquelle. Oft stehen sie allerdings in der zweiten Reihe und schnappen nur kurz dazwischen, wenn Geier sich am Aas gütlich tun. Und wie diese Aasfresser haben auch die Marabus einen kahlen Kopf und Hals, denn Federn würden bei ihrer „Arbeit“ nur verkleben. Hyänen, Schakale oder Wildhunde sind übrigens weitere Konkurrenten des Marabu bei der Resteverwertung.
Auch menschliche Abfälle gehören zum Nahrungsspektrum des bis zu 1,50m großen Marabus. Dort, wo Fische zerlegt oder Tiere geschlachtet werden, halten sie sich ebenso gerne auf wie an Müllhalden.
Alfred E. Brehm, der lange vom sudanesischen Khartum aus die afrikanische Tierwelt erforscht hat, beschreibt in seinem Hauptwerk am Beispiel des Marabus, wie stressfrei das Zusammenleben von Mensch und Tier an diesen Orten war, bevor unter anderem der „Forschungseifer“ dem ein Ende bereitete (Brehms Tierleben, Leipzig und Wien, 1900, Bd. 6, S. 522):
Bei meiner Ankunft in Khartum lebte er (= der Marabu als Vogelart) mit den Metzgern, die in einem vor der Stadt liegenden Schlachthause ihr Handwerk trieben, im besten Einvernehmen, fand sich ohne Furcht vor dem Hause oder in ihm selbst ein, erbettelte sich die Abfälle oder belästigte die Leute so lange, bis sie ihm etwas zuwarfen. Keiner der Schlächter dachte daran, ihn zu verfolgen… auch die damals in Khartum lebenden Europäer ließen ihn unbehelligt…
Bei unserem ersten Jagdausfluge fiel ein Marabu dem Forschungseifer zum Opfer, und von der Stunde an änderten die Genossen ihr Benehmen. Sie kamen allerdings nach wie vor zum Schlachthause, stellten aber fortan regelmäßig Wachen aus und entflohen, sobald ein weißes Gesicht oder ein weiß gekleideter Mensch sich nur von weitem sehen ließ.
Dieses Zitat unterstreicht, wie (klug) viele Tiere ihr Verhalten ändern, wenn sie von Menschen verfolgt werden oder sich bedroht fühlen. Und es macht klar, warum sie in Nationalparks nicht fliehen, wenn Besucher, Birder und Fotografinnen sich respektvoll verhalten.
¹ Wegen seiner dunklen Färbung wurde er früher Mohrenklaffschnabel genannt und dem Silberklaffschnabel, der schwarz-weiß gefärbt ist und zwischen Indien und Thailand vorkommt, gegenübergestellt. Heute hat sich der neutrale Begriff Afrikanischer Klaffschnabel durchgesetzt.
² Dank Fernglas und Kamera mit starkem Zoom kam ich dennnoch nah an die Vögel heran. Durch Anklicken oder Wischen lassen sich wieder alle Fotos vergrößern. Für den Blog sind sie natürlich reduziert.
³ Zum Beutespektrum gehören leider auch Flamingos. Die Aufregung in einer Flamingokolonie ist groß, wenn Marabus aus den Schlammnestern ihre Jungen holen und sogar Altvögel attackiert werden. Beliebt macht sich der bis zu 150 cm große Storch damit bei Naturschützern nicht.
Klaffschnabel | Bec-ouvert africain | African Openbill | Anastomus lamelligerus
Nimmersatt | Tantale ibis | Yellow-billed Stork | Mycteria ibis
Sattelstorch | Jabirou du Sénégal | Saddlebill | Ephippiorhynchus senegalensis
Marabu | Marabou d’Afrique | Marabou | Leptoptilos crumeniferus
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